Drama, Baby geht in die letzte Runde. Mit der Premiere von “Fremder als der Mond” am Berliner Ensemble dreht sich alles um Bertolt Brecht, große Schauspielkunst und das Gefühl am Schiffbauerdamm zu stehen. Ein nostalgischer Abschied – oder eine Zukunftsprognose?

Der schlechte Ruf des Theaters – das war die erste Folge von Drama, Baby. Darin ging es um Blut, Nebel und Stereotype des Performativen. In der Kolumne wurden diese Beschreibungen dekonstruiert, erklärt, wo es notwendig ist und Beispiele für gelungene Inszenierungen in den Programmen der Theater gesucht. Drama, Baby hat sich zwischen vielen Städten bewegt, in unterschiedlichen Spielzeiten und innovativen Konzepten. Lässt sich aus so einer Zeit Bilanz ziehen? 

Die vergangenen zwei Jahre haben Kolumnenfolgen in mal mehr, mal weniger, regelmäßigen Zeitabständen hervorgebracht. Die Perspektive der Zuschauerin wurde zur Mitarbeiterin, die viele Hintergründe und Fragen neu aufrollte. Persönlicher Zwischenstand? Eine Bereicherung. Und die Spielzeiten? In ihrer Komplexität kaum zu fassen. Aber vielleicht lohnt es sich trotzdem, einen letzten Blick auf das diesjährige Programm zu werfen, nämlich auf die Eröffnung der Spielzeit 2023/24 am Berliner Ensemble, am Schiffbauerdamm. Denn mit “Fremder als der Mond” hat das Theater Textfragmente von Brecht und Musik von Kurt Weill zu einer neuen Inszenierung geschliffen. Mit dabei sind Katharina Mehrling und Paul Herwig, beide in grünen Trainingsanzügen vor einer brutalistischen grauen Fassade. Beide spielen Bertolt Brecht.

Weltflucht

Doch die Fassade öffnet sich zu kleinen Spielräumen, die für die Dauer eines Songs eine Weltflucht ermöglichen. Überhaupt scheint sich so ein Leitmotiv der Inszenierung durch die Räume zu tragen, die sich eng an der Biographie Brechts entlang hangeln. Für Brecht waren die Flucht vor dem Krieg und das Exil prägende biografische Stationen. Mit einem Koffer in der Hand, der schnell ausgepackt und noch schneller eingepackt werden musste. Solche Szenen nehmen einen überwiegenden Teil in der knapp zweistündigen Inszenierung von Oliver Reese ein, sie stimmen das Publikum sentimental, nur um damit gleich darauf zu brechen. 

Das Stück endet mit dem Tod Brechts, gebührend dramatisch mit dem Gang auf sein eigenes Totenbett. Es ist plakativ und vielleicht funktioniert es gerade deshalb so gut. Auch das ist eine Beobachtung, die sich durch viele Stücke zieht. Das Subtile ist verdrängt, es wird gezeigt, was gezeigt werden muss. Aber nicht ohne den Verlust der Komplexität.

Entgegen der vielen Vorurteile der Oberflächlichkeit also, der überproportionalen Verwendung von Kunstblut, Kunstnebel und Ausreizung des Kunstbegriffes, kam diese Kolumne zu anderen Ergebnissen. Denen der Vielschichtigkeit, des Filigranen, des Plakativen und des Derben. Der Gegensätze und Irritationen. Des Sentimentalen und Tröstlichen. Das war Drama, Baby. Das ist Theater. 


Foto: JR Berliner Ensemble, v.l. Katharine Mehrling, Paul Herwig