Was ist eigentlich in der Sprachwissenschaft mit „Registern” gemeint? Und warum ist das ein sehr politischer Forschungsbereich? Diese Fragen möchte ein neuer Podcast der Humboldt-Universität interessierten Hobby-Linguist*innen vermitteln.
Menschen verfügen über eine Kompetenz, von der viele oder vielleicht sogar die meisten gar nichts wissen: die sogenannte Registerkompetenz. Die Macher*innen des neuen Podcasts „Registergeknister” des Sonderforschungsbereichs 1412 (SFB) erklären in der ersten Folge zunächst den Begriff „Register”, wie SPD-Politikerin Andrea Nahles in einer Rede einen Registerbruch zeigt und was Diskriminierung mit Registern zu tun hat. Der SFB gehört zur Humboldt-Universität, wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert und forscht in drei Teilbereichen zum Thema „Register”. In dem Podcast „Registergeknister” werden die Forschungsprojekte der Teilbereiche vorgestellt. Ihre Inhalte sollen dabei verständlich den interessierten Lai*innen zugänglich gemacht werden.
Registerkompetenz ist die Fähigkeit einer Person, sich für verschiedene Situationen sprachlich unterschiedlich auszudrücken und an die gegebene Situation anzupassen. Im Podcast wird das mit dem Wechseln von „unterschiedlichen sprachlichen Kleidern” verglichen. Der Inhalt einer Äußerung kann mit verschiedenen sprachlichen Mitteln gestaltet werden. Diese Gestaltung ist abhängig von der Situation und der Funktion der Äußerung:
Inhalt der Äußerung: Ich möchte mich für eine Buchempfehlung bedanken und ausdrücken, dass mir das Buch gefallen hat.
Äußerung im Chat an Freund*in: “Leila!!! Danke dir für das geile Buch! Hat mir mega gefallen 🙂 war so berührend und eeecht lustig :D”
Äußerung in E-mail an Kolleg*in: “Liebe Leila, vielen Dank für die tolle Buchempfehlung. Ich habe das Buch schon gelesen und es hat mir sehr gut gefallen. Es war eine perfekte Kombination aus Berührung und Humor. Liebe Grüße, Dan”
Was passieren kann, wenn das „falsche” Register gewählt wird, wird in der Folge „Was ist ein Register?” dargestellt. Darin spielen die Moderator*innen eine Stellungnahme von Andrea Nahles vor, in der die Politikerin einen Registerbruch begeht. Auf die Frage, wie es ist, von der Regierung in die Opposition zu wechseln, sagte sie zunächst: „Ein bisschen wehmütig…”. Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Und ab morgen kriegen sie in die Fresse” und lacht. Über diesen Satz haben sich viele aufgeregt und gesagt, dass es für eine Politikerin unangemessen sei, solche Formulierungen zu nutzen.
Diese Situation zeigt, dass die Wirkung von Sprache interpretationsabhängig ist. Registerforschung kann sich auch mit sprachlichen Ideologien auseinandersetzen. Aus linguistischer Perspektive werden sprachliche Prozesse und Phänomene möglichst objektiv betrachtet und erforscht. Es kann auch die Aufgabe der Forschung sein, solche Ideologien aufzudecken. Durch gesellschaftliche Normen werden nämlich manche Register oder sprachlichen Phänomene mit negativen Attributen assoziiert oder durch positive Attribute aufgewertet. So werden Hierarchien zwischen unterschiedlichen Sprachen oder sprachlichen Merkmalen konstruiert.
„Gutes” und „schlechtes” Deutsch
Im Podcast „Registergeknister” wird auch eine Aufnahme von Kiezdeutsch abgespielt. Kiezdeutsch wird oft als „schlechtes Deutsch” verurteilt. Dabei konnte die Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Heike Wiese bereits zeigen, dass Kiezdeutsch eine Varietät des Deutschen ist, die nach bestimmten Mustern funktioniert. Das Weglassen von Präpositionen im Kiezdeutsch ist beispielsweise kein Fehler, sondern Teil des urbanen Dialekts (Kiezdeutsch: Ich gehe Café – Standarddeutsch: Ich gehe ins Café). Kiezdeutsch ist ein Register, da die Sprecher*innen ihre Sprache dezidiert an die spezifische Gesprächssituation anpassen. In anderen Kontexten würden sie beispielsweise die Präposition nicht weglassen. Es handelt sich also nicht um einen Mangel an Deutschkenntnissen. Ebenfalls sind Register nicht mit Akzent gleichzusetzen, da ein Akzent nur eine sprachliche Ebene betrifft (Phonetik, Aussprache). Ein Akzent kann ein Merkmal eines oder mehrerer Register sein, muss es aber nicht. Das Beispiel „Kiezdeutsch” zeigt, dass sprachliche Merkmale, die gesellschaftlich mit negativen Attributen verknüpft werden, zu Diskriminierung führen können. Menschen, die den urbanen Dialekt sprechen, werden aufgrund des Stigmas gegenüber Kiezdeutsch und aufgrund von rassistischen Einstellungen als weniger kompetent wahrgenommen und erhalten dadurch weniger Chancen. Aus wissenschaftlicher Sicht sind solche Abwertungen nicht gerechtfertigt, wie es in der ersten Folge „Registergeknister” deutlich gemacht wird.
Sprache ist politisch
So kann Sprache ein Werkzeug sein, um Zugehörigkeit herzustellen oder sich von anderen abzugrenzen. Von der Sprache, die eine Person nutzt, kann man viele Merkmale ableiten: sozialer Hintergrund und sozialer Status, geografische Herkunft, Berufsgruppe, Altersgruppe, Charaktereigenschaften und weitere Merkmale. Diese Ableitungen können Menschen verbinden, aber auch ausgrenzen. Da alle Menschen eine Registerkompetenz haben, ist die Forschung über Register und sprachliche Variation wichtig. Möglichst viele Register zu beherrschen und dabei flexibel zwischen den Registern wechseln zu können (Registerflexibilität) sind sehr relevante Fähigkeiten in der Gesellschaft und der sozialen Interaktion. Die individuelle Registerkompetenz kann dafür entscheidend sein, ob man zum Beispiel einen Job bekommt oder befördert wird. Der Podcast möchte deutlich machen, dass Sprache politisch ist. Denn welches Register in einer Situation gewählt werden sollte, ist gesellschaftlich bestimmt.
In der Sprachwissenschaft stehen viele Fragen zum Thema Register noch offen oder befinden sich in der wissenschaftlichen Konsensfindung: Woher wissen wir, wann wir welches Register benutzen müssen? Wie entsteht Registerkompetenz? Wie und warum verändern sich Register? Die Forschungsprojekte des SFB untersuchen unter anderem solche Fragen. Im Podcast „Registergeknister” wurden bisher das Projekt A02 vorgestellt, das die Register in den Kreolsprachen Bislama und Morisien untersucht und das Projekt B01, das sprachliche Variation im Mittelenglischen erforscht. Da manche Inhalte im Podcast sehr komplex erklärt werden, geht manchmal der rote Faden verloren. Für wirkliche Laien könnte es dadurch schwer sein, den Erklärungen, die sich teilweise in Details verlieren, zu folgen. Doch da es erst vier Folgen gibt (und insgesamt 21 Projekte am SFB), ist noch viel Raum für die wissenschaftskommunikative Weiterentwicklung vorhanden. Besonders die erste Folge ist als Einstieg ins Thema sehr gut gelungen.
Registergeknister Podcast
von Roodabeh Akbari, Olga Buchmüller, Jordan Chark, Sophia Döring, Felix Golcher und Peter Schmidt
Verfügbar auf Spotify, Apple Podcasts & Co.
Foto: Amelie Gante