„Life On Mars?“

      -David Bowie

Ich kann mich daran erinnern, wie ich vor einigen Jahren in der Küche saß und darüber nachgedacht habe, welche Rolle meine Generation retrospektiv irgendwann mal einnehmen würde. Aus meinem Abi-Jahrgang haben sich gefühlt über die Hälfte dafür entschieden, BWL zu studieren oder eine Ausbildung bei der Sparkasse zu machen. Versteht mich nicht falsch, daran gibt es grundsätzlich nichts auszusetzen. Aber es ist eben die vermeintlich sichere Bank.

Da ist nicht viel mit Revolution. Ich hatte das Gefühl, dass all das wofür meine Eltern noch auf die Straße gegangen waren, nichts Erstrebenswertes mehr darstellte. Es mag normal sein, dass sich jede Generation gegen die vorangegangene abgrenzen möchte, aber ich hatte immer gedacht, das gelte nur für eingefahrene bürgerlich-konservative Konventionen.

Dieser Gedanke ist einige Zeit her. Seitdem ist viel passiert. Es gibt eine „Alternative für Deutschland“. Für die brauche ich aber eine separate Kolumne. Es gibt Fridays for Future. Ist mein Drang nach Aktivismus immer noch so groß? Vorweg, ich bin mir durchaus bewusst, dass ich auch schon vor einigen Jahren etwas gefunden hätte, wo ich mich hätte engagieren können.

Bei Bowie geht es natürlich nicht um Nachhaltigkeit oder Aktivismus, sondern um die Liebe. Um was auch sonst. Es geht aber auch um die Jugend und um Selbstfindung. Es geht darum für etwas einzustehen, etwas nachhaltig zu verändern. David Bowie hat mal auf die Frage wie die Menschen ihn in Erinnerung behalten sollen gesagt: Er wünsche sich, man würde sagen, er hätte immer wirklich schöne Haare gehabt. Ein sehr bescheidener Wunsch, wie ich finde. Schließlich hat seine Musik Menschen über Jahrzehnte hinweg geprägt und tut es noch. 

Eine die auch gerade etwas nachhaltig verändert und deren Haare ebenfalls Markenzeichen geworden sind, ist Greta Thunberg. Sie schreibt über sich selbst auf Twitter „16 year old climate and environmental activist with Asperger’s“. Letzteres spielt eigentlich erstmal keine Rolle.

Eines bringt es allerdings mit sich: Sich einem Interessengebiet voll und ganz zu verschreiben, Spezialist*in für ein Thema zu werden ist symptomatisch für das Asperger-Syndrom (Autismus Deutschland e.V). Viele andere würden schlussendlich an den Punkt kommen, an dem die eigenen individuellen Bedürfnisse Vorrang hätten.

Die Tatsache, dass sich bestimmte Leute nicht zu schade sind, eine Sechzehnjährige für jede noch so kleine Sache an den Pranger zu stellen, weil sie sich in ihrer eigenen Freiheit beschränkt fühlen, wenn sie nicht mehr mit 250 km/h über die Autobahn rasen dürfen, beweist diesen traurigen Egoismus. Umso besser also, dass wir Greta haben. Sie motiviert und bringt den Rest in Bewegung.

Jetzt sind da also meine Brüder, die freitags für den Klimaschutz demonstrieren. Und ich? Ich war auch da. Bei der einen Demo, bei der eben alle waren. Ich gehe hin und wieder zum Unverpackt Laden, kaufe möglichst nur Bio und versuche kein Fleisch zu essen. Ich fahre kein Auto, trinke kein Kaffee bei Starbucks und kaufe nicht bei Primark. Aber ich weiß auch, dass, wenn der Unverpackt-Laden nicht direkt bei mir um die Ecke wäre, ich würde nicht zwanzig Minuten extra durch Berlin fahren.

Das mit dem Fleisch funktioniert ganz gut, aber Maultaschen esse ich trotzdem. Schließlich ist das schon immer ihr einziger Sinn: das Fleisch während der Fastenzeit zu verstecken. Zu Starbucks gehe ich allein schon nicht, weil mir das Bestellen zu kompliziert ist. Außerdem ist es immer voll da. Ich kann also zusammenfassen, dass vieles was ich zu Gunsten des Klimaschutzes beitrage nur Dinge sind, die ich vielleicht sowieso nicht machen würde, oder die mir einigermaßen gelegen kommen.

Natürlich wäre es gut, grundsätzlich auch mal über die eigenen Grenzen zu gehen. Trotz alle dem glaube ich, dass es erstmal egal ist, auf welche Weise man versucht nachhaltig zu leben. Denn wichtig ist doch, dass man überhaupt etwas tut. Vielleicht befindet sich der alltägliche Klimaschutz in einer Grauzone, in der etwas bewusst verändert wird, in der es aber auch Ausnahmen geben kann.

Ein Klimaschutz, bei dem die absolute Konsequenz seiner Umsetzung auf Dauer mehr Unmut mit sich bringen würde als Veränderung. Wenn also jeder da Eingeständnisse machen würde, wo es am wenigsten weh tut, dann wäre das doch schon mal etwas. Gar nichts machen ist eben keine Alternative mehr, denn es gibt keinen Planet B.

Ach, und übrigens: Ich finde David Bowie hatte wirklich immer schöne Haare.

Life on Mars?

Leave Mars alone!

 


Illustration: Jens Jeworutzki (Anm. d. Red.)