Irgendwann habe ich mal 50 Gründe fürs Laufen aufgeschrieben. Jetzt will ich einen Marathon laufen und keiner scheint mir Grund genug dafür zu sein mich dieser Quälerei hinzugeben. Ich hoffe einfach auf meinem Leidensweg zur erfolgreichen Marathoni 50 Weitere zu entdecken. 

Ein guter Freund von mir ist der Meinung, Laufen sei der langweiligste Sport überhaupt. Sogar Cardiotraining sei interessanter. Letzteres kann ich nicht beurteilen – allerdings würde mir jederzeit ein Grund einfallen, um Laufen zu gehen.

Das Laufen nicht jedermensch Sache ist, kann ich schon nachvollziehen. Scheinbar zielloses Herumrennen, das früher oder später damit endet, dass Füße, Beine und meist auch die Lunge schmerzen. Auch die erhoffte Verbesserung der sportlichen Leistungen zeichnet sich nur langsam bis gar nicht ab. Und als wäre das noch nicht genug, findet diese Quälerei auch noch im Freien statt – ein perfektes Wetter zum Laufen gibt es eigentlich nicht wirklich. Mal zu kalt, mal zu heiß, mal zu nass, mal zu windig. Soll man sich dafür jetzt auch noch die passende Kleidung kaufen? Dafür, dass Laufen so unkompliziert wirkt, ist es mit erstaunlich vielen Kompromissen verbunden.

Von wegen einfach aus der Tür gehen und loslaufen. Lassen wir mal die Frage nach der Kleider- und Schuhwahl außer acht. Denn es stellt sich schnell eine viel Grundlegendere: Wo laufe ich überhaupt lang? Vor allem in der Großstadt kämpft man vor jeder Runde aufs Neue mit dieser Krise. Der Park gibt, auch wenn man seinen äußersten Rand abläuft, nicht mehr als eine 3,5-Kilometer-Strecke her – und die Runde zweimal zu laufen, kommt erstmal nicht in Frage, da zieht sich ja die ganze Lauferei noch mehr, wenn ich nur im Kreis renne. Also schlage ich Haken zwischen Hunden, Kinderwagen (aber diesen großen, in denen auf einmal vier Kinder von dem Kindergartenerzieher kutschiert werden), Omas und im schlimmsten Fall: Tourist*innen. Dabei immer wachsam, denn ich will ja nicht von irgendwelchen motorisierten Fortbewegungsmitteln überfahren werden.

Vieles – eigentlich alles – spricht gegen das Laufen. Wer ist denn dann eigentlich noch so blöd und versucht dann sein Können, nennen wir es mal so, in dieser Disziplin, nennen wir sie mal so, auch noch in einem Wettkampf unter Beweis zu stellen? Und wer ist noch blöder und meint das Ganze ca. fünf Stunden auf 42,195 Kilometern machen zu müssen? 

Vielleicht ist es Ehrgeiz, vielleicht das Verlangen, sich selbst unter Beweis zu stellen oder vielleicht will man einfach zeigen „Ich kann das und du nicht“. Na toll, von dieser unverschämten Arroganz werde ich viel haben, wenn ich die Tage nach der Lauferei absolut nicht mehr im Stande sein werde, irgendwohin zu laufen. 

Der Lauf-Unversteher erzählte mir auch, dass er nach 20 Kilometern Fahrrad fahren schon ziemlich fertig gewesen sei. Ich erwarte ihn am Streckenrand, wenn ich mich im September in Berlin zur Oberblöden mache.


Illustration: Jens Jeworutzki

1 KOMMENTAR

  1. Da gerade keine Redaktionskonferenzen stattfinden hierrüber – auch wenn es Lob für’s eigene Team ist: Ich bin auf jeden Fall gepackt von deiner Kolumne! Die Mühe, das Ringen und Abwägen sind so einnehmend beschrieben. Auf deine 50 Gründe Liste musst du dann auch echt nochmal genauer eingehen, bitte! Ich freu mich drauf.

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