Trotz zusammengesetzten Nomen und einem Überangebot an Adjektiven fehlen mir im Deutschen manchmal die Worte. Glücklicherweise finden sich ja noch 6.000 anderen Sprachen auf der Welt, um sie zu suchen – die Worte, die in einem alles sagen. Diesmal: Onsdagspils.

 Onsdagspils (Norwegisch „Mittwochs Pils“) 

 Mit nur ein wenig Willenskraft, können wir als Studierende doch prinzipiell jeden Tag einen „guten“ Grund zum Trinken finden und besonders die Norweger*innen (in deren Gesellschaft ich schon einige „Onsdagspilser“ erlebt habe) machen es einem so leicht, dass es noch nicht einmal mehr „Ausreden“ sind. 

 Am Montag erholt man sich bei einem Bier erstmal vom Beginn der Woche, am Dienstag ist in jeder zweiten Bar „Quiznight“ und wie wir alle wissen, steigt ab Bier Nummer drei das Vertrauen in die eigene Intelligenz immens. Mittwoch ist der Tag des guten alten „Onsdagspils“ oder wie er auch liebevoll genannt wird „lille-lørdag“ (kleiner Donnerstag). 

Am Donnerstag stellen wir uns dann langsam auf das Ende der Woche ein, irgendwer hat bestimmt Geburtstag oder organisiert ein „Innflytningsfest“ (Houswarming) und Freitag feiern wir dann natürlich, dass es endlich da ist, das lang ersehnte Wochenende. Samstag ist Samstag, keine weitere Erklärung notwendig und Sonntag klingt das Wochenende dann „entspannt“ aus oder anders gesagt, Pegel halten, dann vergisst man fast, dass morgen schon wieder Montag ist. 

 Und das faszinierende daran, wenn ich Gründe fürs „Trinken“ sage, meine ich nicht „Trinken“ im Umfang der zwei Gläser Rotwein zum Pizzaabend mit Freunden. Wenn die Norweger trinken, dann trinken sie – hier werden keine halben Sachen gemacht. Aber fangen wir nicht von in Vodka ertränkten Pizzaabenden und um 22:00 Uhr ins Klo kotzenden Mitbewohner*innen am Freitagabend an, sondern betrachten das faszinierende gesellschaftliche Konstrukt des „Onsdagspils“. 

 Sehr viel mehr Stil hat das Ganze auf jeden Fall im Vergleich zum allfreitäglichen „Vorspiel“, auch liebevoll „Vorsch“ genannt. (Nein, nicht alle Norweger wissen, dass ihr Wort für Vortrinken im Deutschen etwas ganz anderes heißt.) Fürs Onsdagspils skippen alle das „Vorspiel“ und kommen direkt an Ort und Stelle (der nächstgelegenen Bar) zur Sache. Das sorgt für wesentlich klarere Köpfe zu Beginn des Abends, als man sie normalerweise in Bars antrifft und lässt das eine oder andere Gespräch schon mal zu einem tiefgründigen Diskussion über die Fragen des Lebens und die Welt werden.

Aber irgendetwas hat dieses etwas aus der Reihe tanzende „Onsdagspils“ an sich, dass die Leute gesprächiger macht. Ich habe wahrscheinlich die persönlichsten Gespräche über dem dritten (leider in Norwegen schmerzhaft teuren) Bier am Mittwoch geführt, oft auch mit Leuten die ich kaum kannte. Niemand kann einem sagen (auch Google nicht), wann und wo zum ersten Mal ein „Onsdagspils“ getrunken wurde, aber eins ist sicher: Inzwischen ist es ein fester Bestandteil der norwegischen Kultur.

Es mag sicherlich seine Nachteile haben, wenn man mitten in der Woche um 1:30 Uhr bei McDonalds endet, um 3:00 Uhr mit 17 Packungen kostenlosem Ketchup in der Tasche („Irgendwo muss ich ja das Geld für das Bier wieder reinholen.“) in die Wohnung stolpert und um 3:30 Uhr endlich im Bett liegt, aber generell hat „midweek-drinking“ schon etwas sehr erholsames, aufbauendes für den Rest der Woche. 

Wofür man in Deutschland vielleicht mal den einen oder anderen abwertenden Blick erntet, wird einem in Norwegen ein selbstverständliches „Kos deg!“ (Hab‘s gemütlich!) nachgerufen, wenn man sich auf den Weg zum „Onsdagspils“ in die Bar macht. Und wenn man am Donnerstag die Vorlesung um 12:00 Uhr verschläft, um 12:01 Uhr schreibt, man war gestern beim „Onsdagspils“, dann bekommt man ein „Kos deg hjem!“ (Mach’s dir gemütlich zuhause!) geschickt und am nächsten Tag die Vorlesungsnotizen. Und das ist doch wirklich einfach nur „koselig“.