Irgendwann habe ich mal 50 Gründe fürs Laufen aufgeschrieben. Jetzt will ich einen Marathon laufen und keiner scheint mir Grund genug dafür zu sein mich dieser Quälerei hinzugeben. Ich hoffe einfach auf meinem Leidensweg zur erfolgreichen Marathoni 50 Weitere zu entdecken.

Was braucht man zum Laufen? Eigentlich nicht viel. Ein halbwegs stabiles Paar Sport- oder Laufschuhe und Klamotten, die sich zum durch die Gegend hecheln eignen und von denen man keine wund geriebenen Stellen bekommt. Was noch? Eine Banane, wohl einer der essenzielleren Bestandteile meines Trainings.

Es gibt kaum einen Lauf, vor dem ich mir keine Banane rein schaufel. Denn nüchtern loslaufen, ist für mich keine gute Option. Die Sporternährungsexpertin Helena Bauhaus hat im Gespräch mit ZEIT-Online gesagt, ob man nüchtern loslaufe, müsse jede*r für sich selbst entscheiden. Was man auf keinen Fall tun sollte, sei mit Hunger loszulaufen, so Bauhaus.

Ich bin mir dessen bewusst, seit ich mein erstes Rennen im Alter von sieben Jahren gelaufen bin und habe diesen fatalen Fehler dennoch begangen. Und das auch noch bei meiner ersten Langstrecke.

2018 war ich für mehrere Wochen in Tansania. Ein dort lebender Freund forderte mich heraus, mit ihm den jährlich stattfindenden Kilimanjaro-Halbmarathon zu laufen. Fünf Tage vor dem Rennen ließ ich mich überreden, und auch ein kleines bisschen bestechen. Sollte ich schneller sein als er, versprach mein Freund, würde er mich auf eine eintägige Safari in den lokalen Nationalpark einladen. Dass mich dieser Deal überzeugte, war im Grunde vollkommen hirnrissig. Mein Freund lebt seit langer Zeit in Tansania, geht jeden morgen sieben Kilometer laufen und absolviert den Halbmarathon jedes Jahr. Ich war vor gerade mal zwei Wochen wieder zurückgekehrt, nur akklimatisiert, weil ich die Tropentemperaturen schon gewöhnt war, eher auf mittelmäßigen Trainingsstand und noch nie zuvor eine Langstrecke gelaufen.

In meinem Training davor war ich vielleicht zwei Mal ganze zwei Stunden am Stück gelaufen und das war bei angenehm herbstlichen Temperaturen in Deutschland, auf einer flachen, geraden Strecke. Nicht vergleichbar mit den Herausforderungen die der Kilimanjaro-Marathon an Läufer*innen stellt. Die Strecke gilt als eine der härtesten der Welt. Die ersten neun bis zehn Kilometer gehen konstant aufwärts und sind zum großen Teil nicht asphaltiert. Ich hatte auch das besondere Privileg, mich durch den Schlamm kämpfen zu dürfen, da es in der Nacht zuvor geregnet hatte. Ab Kilometer 10,5 geht es schlagartig abwärts und die Durchschnittszeit auf den Kilometer verbessert sich mit wenigen Schritte von etwa 8 Minuten auf 5:30 Minuten.

Um sieben Uhr morgens war der Start. Zeit und Appetit für Frühstück? Eher weniger. Da ich aber schon damals meine Bananenregel befolgte, steckte ich mir eine 500 Shilling Münze (etwa 20-25 Cent) in die Reißverschlusstasche meiner Laufhose – in der Hoffnung auf dem Weg zum Start irgendwo eine Banane kaufen zu können. Fehlanzeige: Es war Sonntag 6:30, da verkauft wahrscheinlich auf dem gesamten Planeten niemand Bananen.

Also lief ich los, ohne Frühstück und ohne Streckenverpflegung. Bei größeren Rennen in Deutschland, in Europa (ich weiß nicht, wie es auf anderen Kontinenten so aussieht) gibt es alle paar Kilometer Verpflegungsstationen, mit Wasser, isotonischen Getränken und manchmal eben auch Bananen. Nicht so in Tansania. Irgendwo bei Kilometer sieben, als ich fast mit dem Gesicht im Schlamm gelandet war, meldete sich erstmals mein Magen. Bei Kilometer 9,5 sah ich eine Frau mit einem Eimer voller Bananen am Straßenrand. Bei Kilometer 9,6 erinnerte ich mich an die 500 Shilling in meiner Hosentasche, aber umdrehen ging jetzt nicht mehr. Also lief ich weiter hungrig, erschöpft und in der Hoffnung noch mal jemanden zu sehen, der mir vielleicht eine Banane verkaufen könnte. Bei Kilometer 15 hatte ich endlich Glück.

Keuchend lief ich auf die Frau und ihren Eimer zu, bekam eine Banane in die Hand gedrückt und tauschte sie gegen meine 500 Shilling Münze. Die gute Frau wollte mir noch Rückgeld geben, aber dafür hatte ich keine Zeit. In meiner Euphorie über die Möglichkeit Nahrung zu mir zu nehmen, habe ich ungefähr das zehnfache von dem bezahlt, was man sonst für eine Banane zahlen würde. Nie in meinem Leben hat ein Stück Obst besser geschmeckt, als diese angedätschte und doch recht kleine Banane.

Zum Laufen brauche ich nicht viel: vernünftige Laufschuhe, Laufklamotten und eine Banane. Die meisten meiner Mitstreiter*innen in Tansania haben auch auf diese Kleinigkeiten verzichtet und sind trotzdem im Ziel angekommen (zum Großteil weniger erschöpft als ich).