Gnädigerweise liefert uns der Titel diese Steilvorlage, denn er bleibt seinem Inhalt treu. Hält man die 96 quälenden Minuten durch, drängt sich die Frage auf, welcher Haufen schnöseliger, sich selbst überschätzender Filmhochschulabsolvent*innen diesen unsäglichen Film wohl ernsthaft für eine gute Idee gehalten hat.

Tatsächlich stammt „The Wrong Movie” aus der Feder und Regieführung der israelischen Künstlerin Keren Cytter. Sie hat über eine Station in Berlin ihren Weg nach New York City gefunden, eigentlich schon vor längerer Zeit ein Kunststudium am Avni Institute for Art in Tel Aviv absolviert, seitdem eine Tanzkompanie gegründet, fünf Romane und drei Kinderbücher geschrieben, diverse Preise gewonnen, sowie gut und gerne 37 Filme geschaffen, nicht alle davon allerdings in Spielfilmlänge. Das hätte man eventuell auch bei diesem Werk in Erwägung ziehen können, denn was als Kurzfilm eventuell noch ganz inspirierend hätte sein können, wird hier zur absoluten Quälerei. Es handele sich um „Ein Kammerspiel, in einer US-Großstadt. (…) Eine raffiniert gebaute Tragödie des Chillens, mit feinstem Synthie-Sound und einem der besten Drohneneinsätze der Kinogeschichte” – so zunächst vielversprechend wurde der Film auf der Berlinale-Website angepriesen. Kammerspiele leben davon, mit wenigen Schauspieler*innen und Requisiten (beziehungsweise ihrem Pendant im filmischen Rahmen) auszukommen und konzentrieren sich stattdessen auf intime Gespräche und Beziehungen zwischen den Figuren. Und genau das tut der Film auch, mit dem kleinen Unterschied, dass sowohl die Gespräche als auch die Beziehungen zwischen den Charakteren wohl das Gegenteil von wirklicher Intimität widerspiegeln, was natürlich so gewollt war.

Unboxing-Videos können bei Alex (Jordan Raoufpour) schon mal zu intimen Momenten führen. © Keren Cytter @ Berlinale Stills

Entfremdung und Enttäuschung

Wirklich alles an diesem Film, seinen Figuren und seiner „Handlung“, die mal so ganz anti sein sollte, ist aber leider schief gegangen. Zumindest das ist „The Wrong Movie” also gelungen, es bleibt allerdings die Frage, wer sich den Nonsens dann noch anschauen soll. Die Zuschauenden werden direkt freundlich mit einer circa fünfminütigen Sequenz empfangen, in der die Kamera gnadenlos die mittlere Körperhälfte, bevorzugt das Hinterteil, eines mit DIY-Tattoos bedeckten Mannes in weißer Unterhose und fleckigem T-Shirt ablichtet. Gnädigerweise schwenkt sie dann irgendwann auf sein Gesicht. Der Ende-Zwanzig, Anfang-Dreißig-Jährige Alex (Jordan Raofpour) nimmt sich mit seinem IPhone bei einem „Unboxing Video” einer Kameradrohne selbst auf. Der Film möchte wohl auch, dem bisherigen Werk Cytters entsprechend, auf den Einfluss der Medien auf menschliche Selbst- und Fremdbeziehungen eingehen und tut das auf wirklich sehr uninspirierte Art und Weise. Zwei seiner Figuren wenden sich mit ihren tiefsten Gefühlen ausschließlich an ihre Follower*innen im Netz: Der soeben genannte junge Mann und seine Ex-Freundin Angel (Laura Hajek), mit der er aus dem fadenscheinigen Grund nicht mehr zusammen sein möchte, dass sie „zu weiß“ sei – nicht, dass es sich bei ihm um einen Afroamerikaner handeln würde. Soll das eine in die Absurdität getriebene Anspielung auf Identitätspolitik sein? Man versteht es nicht so ganz. Der ebenfalls nur mittelmäßig sympathischen Angel schauen wir im weiteren Verlauf des Films beim Aufnehmen eines Koch-Tutorials zu.

Den Gegenpol zu diesen beiden selbstbezogen-überheblich veranlagten Charakteren bilden Angels neuer Freund John (Elijah Lajmer) und Alex kleiner Bruder Timor (Edward Baker) – beide eher antriebslos und stumpf. Die beiden werden beim ziellosen Heroinkonsum begleitet, während sie zusammenhangloses, pseudo-tiefsinniges Zeug schwafeln wie: „John… are you crying?“ – „I can’t – „Do you want to cry?“ – „Well … yeah?“ – bewegend. Die Abgestumpftheit moderner Großstadtindividuen, die Unmöglichkeit starker Gefühle, Depressionen, oberflächliche Beziehungen – all das sind Themen, die hier offenbar verhandelt werden sollen. Leider vergisst der Film, dass man für Hoffnungslosigkeit ohne jegliche tiefere Botschaft auch einfach in den nächsten U-Bahnhof gehen kann. Und so quält er die Zuschauenden durch schleppende Nahaufnahmen ineinander verschlungener und sich dann langsam voneinander lösender Hände oder im Drogenrausch auf Treppen zusammengesackter Körper ohne Hoffnung auf ein baldiges Ende. Man ertappt sich nämlich dabei, wie man bereits nach 25 Minuten auf die Uhrzeit schaut und enttäuscht feststellen muss, dass man noch gut und gerne eine Stunde mit diesem Schwachsinn verbringen wird.

Nicole (Ashby Bland) © Keren Cytter @ Berlinale Stills

Muss das sein?

Die Schauspieler*innen sehen allesamt ein bisschen so aus, als haben sie mittelmäßig bekannte Instagram-Accounts, auf denen sie begleitet von postironischen Kommentaren desinteressiert in die Kamera blicken und dabei ganz nebenbei „Trends“ abbilden, von denen Normalsterbliche noch nie etwas gehört haben, was sie dazu bewegt, mit eben diesen Normalsterblichen nur noch sehr distanziert umzugehen – unangenehm und wohl so intendiert, wenn auch vielleicht nicht ganz.
Die wohl am unbarmherzigsten entworfene Figur ist Nicole (Ashby Bland). Ihr Vater ist kürzlich verstorben und es wird angedeutet, dass sie – Schocker! – ein inzestuöses Verhältnis mit ihm hatte. Ohne ihn möchte sie jetzt auch nicht mehr leben. In ihrem suizidalen Nihilismus trifft sie sich mit dem ihr unbekannten Timor in der Wohnung seiner ebenfalls drogenabhängigen Mutter auf ein Date zum Heroinrauchen. Nachdem die beiden merken, dass wohl auch sie keinerlei tieferen Gefühle füreinander hegen, verlässt sie ihn und vergisst dabei ihre Handtasche in der Wohnung – in ihr ein Dildo und die Asche ihres Vaters.

Möchtegern-Schauspieler John (dessen Dialog „Am I a bad actor?” – „No, you’re just in the wrong movie” zugegebenermaßen ziemlich selbstironisch die vierte Wand durchbricht), lässt die Asche benebelt durch seine Finger rieseln und erlebt dabei einen ganz emotionalen Moment. Großartig, wie hier über die Vergänglichkeit des Lebens reflektiert wird. Wir sind eben alle nur „Dust in the Wind“.

Der Film endet mit Nicoles Selbstmord – sie erschießt sich aussagekräftig mit ihrem zur Pistole umfunktionierten IPhone – , von dem sie mühsam und unüberzeugt zusammengestammelte Monologe der sie umringenden und mit dem Handy filmenden restlichen Figuren nicht abzuhalten vermögen und mit einer Warnung, dass Depressionen ernstgenommen werden müssen.
Nachdem man wieder im Freien ist, kann man dem nur zustimmen, denn dieser Film hat es tatsächlich geschafft, ein ganz unangenehmes Gefühl der Schwere zu hinterlassen. Ob das jetzt revolutionär ist – fraglich.


Foto: © Keren Cytter @ Berlinale Stills