Der Film Janet Planet von Annie Baker zeigt den Alltag von Lacey, einem zurückhaltenden 11-jährigen Mädchen (Zoe Ziegler), und ihrer Mutter Janet (Julianne Nicholson), als sie einige Sommerwochen in ihrem abgelegenen Haus in den Wäldern von Massachusetts verbringen. In dieser ruhigen und fast unwirklichen Umgebung, in der Langeweile allgegenwärtig scheint, vergeht die Zeit nur mit dem Zirpen der Zikaden und den Besuchen von drei Freunden und Liebhabern von Janet, die sich alle von ihrem charmanten, unwiderstehlichen Wesen angezogen fühlen.

Wayne, Regina und Avi dringen abwechselnd in die aufmerksame Welt von Lacey und ihrer Mutter Janet ein und scheinen die beiden für einige Tage gefangen zu halten. Janet passt sich den Stimmungen jeder ihrer Gäste an und wird abwechselnd schweigsam, introspektiv oder mystisch, je nach den Launen derjenigen, die ihren Raum betreten. So wird die genaue Identität dieser Mutter so undeutlich, dass sie in den verschiedenen Einflüssen, die sie erlebt, untergeht.

Aber sind diese Protagonistinnen am Ende wirklich wichtig? Sie geben den Kapiteln des Films ihre Namen und scheinen vorübergehend unsere ganze Aufmerksamkeit zu fesseln. In Wirklichkeit wirken sie wie Marionetten, mit denen Janet nacheinander spielt, bis sie keine Lust mehr hat – als wäre sie unfähig, das Interesse und die Faszination, die sie zu erregen scheint, zu erwidern. Im Mittelpunkt der Handlung und dieses Geflechts von Beziehungen steht stattdessen das, was instinktiv als das Intimste in diesem Film zu sein scheint: die Mutter-Tochter-Beziehung zwischen Janet und Lacey. Lacey ist ein kleines Mädchen, das in Janets Umgebung allgegenwärtig ist und mit passivem Interesse den Walzer der Besucher beobachtet und immer bleibt, wenn die anderen wieder verschwinden.

Janet Planet erzählt mit bemerkenswerter Subtilität von der Komplexität dieser Mutter-Tochter-Beziehung, insbesondere im Kontext einer so unentschlossenen Phase wie dem Erwachsenwerden und der Infragestellung einer fast vergöttlichten Figur. Der Film verzichtet auf erzählerische Leichtigkeit, auf Schreie und Konflikte, um die Intensität der Gefühle auszudrücken, die die kleine Lacey bewegen. Sie ist in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Mutter gefangen, von der sie sich langsam verabschieden muss. Laceys zunehmende Gleichgültigkeit lässt sich nur subtil erfassen, in einem Spiel aus Blicken und Schweigen, das mehr angedeutet als ausgesprochen wird. Die Regisseurin leistet bemerkenswerte Arbeit, um eine Atmosphäre zu schaffen, die diese Spannung reflektiert. Sie verankert das Szenario in einer sanften, verträumten Landschaft – einer gemütlichen Blase, die unendlich schwer zu verlassen scheint. Doch diese Blase kann Laceys Überdruss nicht für immer zurückhalten, während sie vergeblich auf die volle Aufmerksamkeit ihrer Mutter wartet.Diese dumpfe Spannung wirkt umso subtiler, da wir uns fast widerwillig auch von Janets Charme verzaubern lassen. Sie wird von der Kamera manchmal auf fast erotische Weise hervorgehoben, während alles darauf ausgerichtet zu sein scheint, uns gegenüber Lacey gleichgültig zu machen. Lacey lächelt kaum und scheint für alles unempfindlich zu sein. Janet Planet ist ein Film, der keine eindeutigen Antworten hinterlässt. Es wird niemand als verantwortlich erklärt, da es in Wirklichkeit nicht einmal ein Drama gibt, sondern vielleicht nur eine schweigende Spaltung, die kaum begonnen hat. Der Film bietet uns schlicht ein vollständiges Porträt zweier Mädchen oder Frauen, die auf der Suche nach sich selbst sind. Sie können sich nicht mehr unter den anderen finden und vielleicht brauchen sie eine Trennung, um sich selbst zu finden.

In der betörenden Zartheit der amerikanischen Landschaften werden wir für einige Stunden in einen sommerlichen Schlummer versetzt. Der Film liefert uns keine klare Handlung und keine klaren Perspektiven, sondern führt uns mit einem verträumten Spaziergang, bei dem jeder das mitnimmt, was er will, zurück zu den Zweifeln der Kindheit.


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