Der Film Black Tea tritt im Wettbewerb um den Goldenen Bären an und versucht mit seiner Multinationalität und ungewöhnlichen Romanze für sich zu werben. Versprechen, die er nicht halten kann.

Nachdem die Ivorerin Aya auf ihrer Hochzeit an der Elfenbeinküste dankend abgelehnt hat, beschließt sie, nach China auszuwandern (oder zurückzukehren? Zeit in diesem Film zu bestimmen ist leider unmöglich.) Natürlich begleitet von dem Song Feeling Good, der dieses Jahr in Perfect Days genau das allerletzte Mal funktioniert hat. Das bunte, weltoffene Guangzhou empfängt sie freundlich und stellt sich als vollkommene Utopie heraus. So hat Aya überall Freunde, am Obststand muss sie nicht bezahlen – generell keinen Gedanken an Geld verschwenden – und bei ihrer Arbeit im dämmrigen, kleinen Teeladen kann sie sich ihrer Passion widmen. Besser kann es nicht laufen!

„Ich liebe alles, was mit Tee zu tun hat.“ Das lässt sie uns in dem allerersten hölzernen Dialog mit unserem designierten love interest, dem mystisch-geheimnisvoll zurückgezogenen Teehändler Cai, wissen. Doch: „Ich habe Angst, mich an dem kochenden Wasser zu verbrennen.“ Eine Tragödie! Wie soll sie das nur überwinden?! Keine Sorge: Cai ist zur Stelle. In bester Lass-mich-dir-helfen-Manier, die in anderen Filmen bevorzugt bei Golf- oder Billard-Runden angewandt wird, stellt er sich hinter sie und leitet ihre Hände. Ist das von ihm – als ihrem Chef – nun eher übergriffig oder romantisch? Wer weiß das schon, der Film interessiert sich jedenfalls herzlich wenig für solche Kleinigkeiten.

Hölzerne Dialoge, hilflose Frauen und etwaige Logiklöcher sind Probleme, die etwa 80% aller Liebesfilme haben. Was diesen Film jedoch zu einer besonders frustrierenden Erfahrung macht ist der Umstand, dass er versucht, so viel mehr zu sein: Nicht nur wird Ayas Herkunft aus Abidjan, was auch nur eine längere Recherche ergeben konnte, so gut wie nicht thematisiert, der Begriff der „Chocolat City“ für den afrikanisch geprägten Stadtteil in Guangzhou, bedenkenlos übernommen und dort nie Probleme wie Visa-Fragen oder Ähnliches thematisiert, nein, auch wird jede Klassenfrage radikal ausgeklammert. Der kleine Teeladen läuft nicht gut – trotzdem wohnt Cai in einer minimalistisch-modernen, geräumigen Wohnung mit der obligatorischen Kücheninsel, die sehr gut zu seinen geschmackvollen Leinen-Klamotten passt. Aya arbeitet als Aushilfe in dem besagten nicht gut laufenden Teeladen – auch sie wird mit einer schönen, ruhigen Wohnung und genug Einkommen versorgt. Nicht nur, um nahezu alle Mahlzeiten auswärts einnehmen zu können – es geht sogar so weit, dass sich ihre gesamte Freizeit um ihre Gesichts- oder Haarpflege drehen kann, deren extra dafür angeheuerten Angestellten die Rolle ihrer Freunde übernehmen. Sie hat also genau zwei Eigenschaften: Tee und Beauty.

Ebenfalls sehr anstrengend ist, dass kontinuierlich von allen Nebencharakteren so getan wird, als sei Aya mindestens der beste Mensch dieser Welt. Jeder zweite Dialog dreht sich darum, wie mutig, glücklich oder gutherzig sie sei. Sind wir schon bei den Nebencharakteren muss auch erwähnt werden, dass der Film immer wieder darauf beharrt, dass jeder seine Geschichte zu erzählen hat und dies auch tun soll. Und damit ist wirklich jeder gemeint. Meist ist man noch bei dem Versuch sich zu erinnern, wer genau dieser Charakter doch gerade war, da wird einem schon die tragische Biographie, gespickt mit Kalenderspruch-Weisheiten, um die Ohren gehauen.

Als dann gen Ende aufgehört wird, zwischen Realität und Traum beziehungsweise Wunschvorstellung zu unterscheiden, bricht sich der Film selbst das Genick und verliert die geneigten Zuschauenden komplett. Zufälligerweise trifft das auch mit den ersten Problemen im Stadtteil zusammen, so dass sich nicht mit politischen Realitäten auseinandergesetzt werden muss, sondern eine Flucht ins Abstrakte das Ganze abkürzt.

Das Einzige, was man dem Film lassen kann, ist, dass er durchaus einige sehr witzige Momente beinhaltet, die ihren Humor oft aus den Tücken der Kommunikation ziehen. Wann eine Szene jedoch tatsächlich lustig sein soll, oder ob nur die massive Absurdität einen aus Verzweiflung zum Lachen bringt, kann auch hinterfragt werden.

Das Ende wirkt bezeichnend für den ganzen Handlungsbogen, den wir über zwei Stunden verfolgen konnten: Es wird zurück zu der allerersten Hochzeitsszene geschnitten, kurz bevor sich Aya aus der Affäre zieht und endet damit, dass sie in die Kamera schaut. Passend, denn dort ist ihre Entwicklung stehen geblieben und über diese ganze Zeit musste sie sich keinem Konflikt aussetzen, der nicht sofort geklärt werden konnte oder sie dazu gezwungen hätte selbst zu wachsen. Wir starren ihr in die Augen, sehen unser Ich von vor zwei Stunden und fragen uns, ob unsere Zeit mit einer guten Tasse Schwarztee nicht besser genutzt gewesen wäre.


Foto: © Olivier Marceny / Cinéfrance Studios / Archipel 35 / Dune Vision @Berlinale Stills