Berlinale meets Fußball. In Elf Mal Morgen porträtieren Studierende der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) Jugendfußballmannschaften in Deutschland abseits der glamourösen Welt des Profifußballs. Strukturelle Probleme des Jugendfußballs kommen im Film kaum zur Sprache.

Viele Menschen, die nicht selbst spielen, denken bei Fußball zuallererst an Männerprofifußball, mitsamt abgehobener Stars, die Millionengehälter verdienen und grölender, besoffener Fans, die in der S-Bahn andere Fahrgäste anpöbeln. Neben diesem medial omnipräsenten gibt es jedoch noch einen anderen Fußball, der von Menschen aller Altersgruppen, Klassen, Gender und Religionen gespielt wird. Diesem Fußball widmet sich der Kompilationsfilm Elf Mal Morgen, der auf der Berlinale Premiere hatte.

Der Film besteht aus elf dokumentarischen Kurzfilmen von Studierenden der HFF. Jede Episode porträtiert eine deutsche Jugendfußballmannschaft und deren Spieler*innen. Jede*r Regisseur*in hat eine eigene künstlerische Herangehensweise, sodass die Kompilation, trotz sich teilweise wiederholender Themenkomplexe, bis zum Ende sehenswert bleibt. Manche Filme begleiten einzelne Jugendliche, während andere eine ganze Mannschaft in den Blick nehmen. Die einen beschränken sich auf das Geschehen auf dem Rasen, während andere die Spieler*innen auch in ihrem familiären Umfeld sowie in ihren Freundeskreisen zeigen. Alle Werke haben jedoch gemeinsam, dass sie die Jugendlichen und ihre jeweilige Geschichte in den Fokus stellen.

Elf Mal Morgen erzählt von der sozialen Integrationskraft des Fußballs, die in einer immer stärker polarisierten Gesellschaft zunehmend an Wert gewinnt. Viele der porträtierten Jugendlichen sind durch den Fußball zu selbstbewussten und offeneren jungen Menschen geworden. In der Inklusionsmannschaft des FC Español München spielen Teenager*innen mit und ohne Behinderung in einem Team, in der Blindenmannschaft des FC Ingolstadt 04 kommen sehbeeinträchtigte Menschen aller Altersgruppen zusammen, die mithilfe rasselnder Bälle ihrer Leidenschaft für den Sport nachgehen. Beim Chemnitzer Stadtteilclub Athletic Sonnenberg versuchen junge Menschen durch ehrenamtliches Engagement in Verein und Kiez der rechtsextremen Hegemonie in Fußball und Stadtgesellschaft entgegenzutreten. K.S. Polonia Hamburg integriert geflüchtete Jugendliche aus der Ukraine in seine Vereinsstrukturen und schenkt ihnen durch den Fußball unbeschwerte Stunden, in denen sie den Krieg in ihrem Heimatland für kurze Zeit vergessen können.

Die Stärke des Films liegt neben der Fokussierung auf die Jugendlichen darin, dass er die gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs in Deutschland hervorhebt und damit dem nach wie vor weit verbreiteten Mythos des unpolitischen Sports entgegentritt. Leider blendet der Film jedoch strukturelle Probleme des Jugend- und Amateurfußballs aus, sodass er sich in Sozialromantik verliert. So wichtig Sportvereine als Orte der Integration und des sozialen Zusammenhalts sind, so wenig verschwinden soziale Probleme durch gemeinsames Fußballtraining. Rassismus, Sexismus und Antisemitismus spielen in Elf Mal Morgen nur eine Nebenrolle, obwohl viele der porträtierten Teams Frauenmannschaften sind, beziehungsweise migrantisch geprägten Vereinen angehören. Einzig die Episoden über die SG Crostwitz, ein sorbischer Verein in der Oberlausitz, und ISC AlHilal Bonn bilden dahingehend eine Ausnahme, da in ihnen rassistische Vorurteile und Ablehnung aufseiten gegnerischer Mannschaften explizit benannt werden. Zweifelsohne ist es großartig, dass es Vereine wie TSV Maccabi München gibt, in denen jüdische, muslimische und christliche Jugendliche zusammen Fußball spielen, dennoch hätte Antisemitismus im Fußball als Problem benannt werden dürfen, anstatt eine heile, bunte Fußballwelt zu präsentieren.

Ein weiteres Thema, das in Elf Mal Morgen, wahrscheinlich aufgrund der Erzählperspektive, ignoriert wird, ist die langjährige Unterfinanzierung des Jugend – und Amateurfußballs in Deutschland. Dass überhaupt ein Trainings- und Spielbetrieb stattfinden kann, ist bei den meisten Vereinen sehr engagierten ehrenamtlichen Trainer*innen zu verdanken. Diese fungieren neben ihren fußballpädagogischen Tätigkeiten in vielen Fällen gleichzeitig als Bezugsperson für Jugendliche, ohne dass sie vom DFB dahingehend gefördert und finanziell unterstützt werden. Vereine, die über keinen eigenen Sportplatz verfügen, sind darauf angewiesen, auf kommunale Plätze auszuweichen, die sich aufgrund der prekären Finanzsituation vieler Städte und Gemeinden oft in einem schlechten Zustand befinden. Mehrere Vereine müssen sich um Trainingszeiten streiten, wobei in vielen Fällen der Mädchen – und Frauenfußball am stärksten darunter leidet.

Elf Mal Morgen zeigt mit starken Bildern die integrative Kraft des Fußballs, ohne jedoch die Schattenseiten zu beleuchten. Als offizieller Beitrag zum Kunst- und Kulturprogramm der Männereuropameisterschaft diesen Sommer eignet sich der Film hingegen, insbesondere aufgrund seiner Auslassungen, sehr gut.


Foto: © Internationale Filmfestspiele Berlin @Berlinale Stills