Kate Moss ist so ziemlich allen ein Begriff, die sich für Mode interessieren: Supermodel, Stilikone und (Mode-)Rebellin. Anlässlich ihres 50. Geburtstags zeichnet die Galerie CAMERA WORK in einer Gruppenausstellung die Karriere der Britin nach.

Ob man sie liebt, hasst oder sich einfach nicht um sie kümmert, Kate Moss ist aus der Modewelt nicht mehr wegzudenken. Bevor Insta-Models und Nepo-Babies die Laufstege dieser Welt dominierten, war sie das Anti-Model. Am Ende der „Power Dressing“-Ära angekommen, erlangte Moss in den frühen 1990er-Jahren Berühmtheit, führte den umstrittenen Modetrend „Heroin-Chic“ an und definierte mit ihrer Natürlichkeit die gesamte Modebranche neu. Doch wie wurde die gebürtige Londonerin zur Muse einer ganzen Generation?

Provokation à la Moss

Die Modeszene der 1980er-Jahre war eine Zeit der Mehr-ist-mehr-Mentalität. Große Haare, jede Menge Bling Bling und provokante Schnitte. Auf den Laufstegen von Gianni Versace oder Oscar de la Renta verkörperten Linda Evangelista, Claudia Schiffer und Co. Eleganz gepaart mit kühlem Sexappeal. Moss war jedoch eine andere Art von Model – das genaue Gegenteil: Sie war das Gesicht einer Schönheit sans artifice. Ihre Androgynität sowie Unangepasstheit war genau das, was die Designer*innen jetzt suchten. Nach dem unnatürlichen Glamour der 1980er Jahre trachtete die abgeschiedene Welt der Couture nach Authentizität und Provokation. Plötzlich waren nicht mehr die makellosen Schönheiten gefragt, sondern eigenwillige Gesichter.

Kate Moss (J), 1994 © Herb Ritts Foundation / Courtesy of CAMERA WORK Gallery

Calvin Kleins Kampagne zu dem Duft „Obsession“ machte Moss 1993 über Nacht weltberühmt. Aufgrund ihres natürlicheren Aussehens sowie Tomboy-Looks wurde sie von der Presse als Anti-Model bezeichnet und definierte damit einen neuen Typ. Jedoch ging ihr Aufstieg zum Ruhm auch mit einem umstrittenen Modetrend einher, der als „Heroin-Chic“ bekannt wurde. Dieser in der Modewelt populäre Look zeichnete sich durch blasse Haut, dunkle Augenringe und sehr dünne Körper aus. Dass Moss mit diesem Trend assoziiert wurde, ärgert sie. In einem Interview der BBC im Jahr 2022 antwortete sie in Hinblick auf die Diskussionen über ihr niedriges Gewicht: “Ich habe nie Heroin genommen. Ich war so dünn, weil ich bei Shootings nicht zu essen bekommen habe und auch immer schon dünn war”.

Die Schönheit des Paradoxen

Jedoch wäre es falsch, Kate Moss ausschließlich als unangepasste Rebellin zu sehen, die vorzugsweise im Grunge-Style von sich einen Namen gemacht hat. Sie ist eines der erfolgreichsten und bestbezahltesten Models unserer Zeit, weil sie unfassbar wandelbar ist und sich gerade nicht in eine Kategorie einordnen lässt. So ist es interessant zu beobachten, wie die Britin von ihren Anfängen als junge Frau bis hin zur gestandenen Modelgröße Weiblichkeit immer wieder neu darstellt, beziehungsweise wie sie von Fotografen*innen inszeniert wird. Patrick Demarchelier († 2022) stellte die gerade mal 18-Jährige im Akt zwischen Schaufensterpuppen pur und unverfälscht dar. Die leblosen Mannequins pointieren geradezu die erhabene Würde Moss`. Typisch für Demarchelier bildet er sie in einer zeitlosen Ästhetik ab, die ihre Schönheit keineswegs nur auf äußere Vorzüge reduziert, sondern vielmehr die Essenz ihrer Persönlichkeit einfängt. Durch ihre Unerschrockenheit und Neugier sticht sie aus der Masse heraus und spiegelt damit genau die Dynamik wider, die sie Anfang der 1990er Jahre in die Fashionindustrie gebracht hat.

Ganz anders wird Moss von Herb Ritts († 2002) porträtiert. Seine Verwendung des natürlichen Lichts strahlt Wärme und Intimität aus. Das Close-Up erzählt von einem unbeschwerten Tag am Strand, eine ungeschminkte Kate ganz bei sich, ohne Andeutungen, Ikonographie oder Ähnliches. Dieses Gefühl der Freiheit, der Verletzlichkeit zeigt nicht das weltberühmte Supermodel, sondern die Person hinter dem Phänomen Kate Moss, eine Frau, die das Leben so intensiv wie möglich leben will.

Kate Moss, Paint them black, 1995 © Ellen von Unwerth / Courtesy of CAMERA WORK Gallery

Diese Lebenslust kommt besonders bei Ellen von Unwerths Werken zum Ausdruck. Die deutsche Fotografin ist für ihre Bilder von selbstbewussten, sexuell emanzipierten und unabhängigen Frauen bekannt. Die Provokation, die damit einhergeht, gibt Moss überzeugend wieder. Als Betrachter*in sieht man keine Objektivierung ihres Körpers, vielmehr zelebriert sie ihre weibliche Form in sexueller Hinsicht und strahlt ein Gefühl der Kontrolle aus. Sie wirkt frech und frei, sprüht vor Ausstrahlung und Witz, und überwindet spielend die Grenze zwischen frivoler Laszivität und unwiderstehlicher Erotik. Ihre Genialität liegt in der Fähigkeit, vor der Kamera eine Rolle zu spielen und dabei frei zu bleiben – frei, gerade weil im Weiblichen immer etwas Ungeformtes steckt. Und genau deshalb ist es nur richtig, dem OG-Supermodel ihren Tribut zu zollen, die ganz nach dem Motto „Never complain, never explain“ macht, was sie will.

Die Gruppenausstellung „Kate Moss“ ist bis zum 17. Februar 2024 in der Camera Work Gallery, Kantstraße 149, 10623 Berlin, zu sehen. Eintritt frei.

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Foto: Kate and Mannequins, 1992 © Patrick Demarchelier / Courtesy of CAMERA WORK Gallery