Gender-Clichés, ekelerregender Reichtum, Geldversessenheit, kapitalistische Denkmuster – das alles wird in den 140 minütigen Film „triangle of sadness” gedrängt. Klingt ungemütlich? Ist es auch. Doch durch die Fülle an Themen geht Regisseur Ruben Östlund bei den jeweiligen Kategorien nicht in die Tiefe. 

Im ersten Abschnitt des Films werden die beiden Models Yaya und Carl porträtiert, die aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich bezahlt werden. Vorsicht! Entgegen der Intuition, Yaya würde als Frau weniger verdienen als Carl, verhält es sich in diesem Beruf umgekehrt. Das Phänomen, dass  männliche Models ungefähr ein Drittel oder ein Viertel dessen, was weibliche Models verdienen,  erhalten, möchte Östlund untersuchen. Leider wird das Problem in seinem Film allerdings nur an der Oberfläche angekratzt. „Für eine Frau sind Sexualität und Schönheit in einem weiteren Sinne eine Währung als für einen Mann…”, erklärt Östlund im taz-Interview. Er fände es interessant, darüber zu diskutieren, erst recht in einer “Post-#MeToo-Welt”. Abgesehen von der Absurdität dieses Ausdrucks, der eine erfolgreiche Überwindung der strukturell bedingten Häufigkeit an sexuellen Übergriffen an Frauen suggeriert, stellt sich die Frage, wo diese Diskussion in seinem Film vorkommt. Östlund zeigt die Diskrepanz zwischen den Gehältern von Models unterschiedlichen Geschlechts, ohne dem Ganzen auf den Grund zu gehen. 

Frauen, Männer… – sind  wir alle gleich arm dran?

Diese Darstellung kann problematisch werden, wenn bei Rezipient*innen der Eindruck erweckt werden kann, es gebe nun mal Branchen, in denen Frauen weniger verdienen, es gebe aber gleichermaßen solche, in denen Männer weniger verdienen. Also sind Männer und Frauen gleich arm dran? Selbstverständlich leiden Männer auch unter dem Patriarchat. Die Beleuchtung dessen, dass selbst diejenigen, die dem privilegiertesten Geschlecht in unserem System angehören, unter Geschlechterdifferenzen leiden, ist wichtig. Doch in Östlunds Film könnte der Eindruck erweckt werden, Frauen und Männer würden in der gleichen Intensität unter dem Patriarchat leiden. 

Die Ungleichheit der Bezahlung hängt mit patriarchalen und kapitalistischen Strukturen zusammen, die wiederum der Unterdrückung von Frauen dienen. Wieso ist es denn so, dass weibliche Models mehr verdienen als männliche? Könnte das eventuell daran liegen, dass es für Frauen einen viel größeren Druck gibt, sich um ihr Äußeres Gedanken zu machen? Dieser Druck wird durch Werbebilder, auf denen unrealistische weibliche Körper dargestellt werden, erzeugt, was wiederum eine höhere Nachfrage an weiblichen Models bedingt.   

Östlunds Gegenbewegung zu #MeToo

Dass Östlund tatsächlich die Intention haben könnte, ein Bild zu vermitteln, in dem Männer und Frauen von patriarchalen Strukturen in gleicher Weise betroffen sind,  lässt das taz-Interview vermuten. Es geht um die Szene, in der Carl schon wieder die Rechnung für den Restaurantbesuch bezahlt, obwohl er diese zum dritten Mal in Folge übernimmt und Yaya doch eigentlich versprochen hatte, auch mal zu zahlen. Der daraufhin resultierende, aus einer autobiographischen Erfahrung des Regisseurs und seiner Ehefrau entsprungene Konflikt, ist der Anlass für den Wunsch des Regisseurs, dem Hashtag #MeToo mit dem Hashtag #IGotBilled zu entgegnen. Damit möchte er die „verschiedenen Formen weiblicher Manipulation in den Umlauf bringen“.

Östlunds Behandlung dieser beiden Probleme sollte für Empörung sorgen. Es ist absolut unangebracht, die Frage nach der Aufteilung einer Rechnung im Restaurant mit sexuellen Übergriffen auf eine Ebene zu stellen. Im Verlauf des Films entsteht eine scheinbar neue soziale Ordnung, der eine Darstellung der kapitalistischen Gesellschaft auf einer Kreuzfahrt vorangeht. Diejenigen Passagiere, die sich nach dem Untergang des Schiffes auf eine Insel retten können, sind dazu gedrungen, sich untereinander neu zu ordnen und stellen bald fest, dass nur Abigail, die zuvor als Putzfrau gearbeitet hat, die zum Überleben notwendigen praktischen Fähigkeiten hat. Aufgrund ihrer jetzigen Überlegenheit ernennt sie sich zur Kapitänin und lässt die anderen nach ihrer Pfeife tanzen. Diese als Matriarchat bezeichnete Ordnung ist alles andere als solidarisch oder sozialistisch. Im Gegenteil: sie ist von kapitalistischen Strukturen durchzogen.

Was bedeutet es, wenn in einem Film, der eine sehr große Bühne bekommt, eine solche Ordnung als Matriarchat bezeichnet wird? Will Östlund dem Feminismus unterstellen, er würde ein Matriarchat anstreben, in dem nicht nur Männer, sondern auch diejenigen Frauen, die nicht an der Spitze stehen, unterdrückt werden? Will er zum Ausdruck bringen, dass es egal ist, welches Geschlecht an der Macht ist, da sich Unterdrückung, Ausbeutung und Hierarchie in jedem System reproduzieren würden?

Und vor allem auch das, was ein solcher Film mit den Betrachter*innen macht. Wird durch eine Präsentation der miserablen Verhältnisse unserer Gesellschaft ohne jegliche Hoffnung auf Verbesserung ein realistisches Bild gezeichnet? Oder erzeugt sie nicht viel eher eine relativistische Sichtweise, die sich jeder Hoffnung auf Verbesserung verschließt und die daraus resultierende Resignation erst zur Realität werden lässt? In einer New York Times-Rezension wird Östlunds Film als “clever advertisement for the status-quo” bezeichnet. Gerade, dass der Film gut gemacht und sehr dicht ist, kann zu dem Gefühl verleiten, sich hinreichend mit der Realität befasst zu haben. Unsere Realität ist aber nicht statisch, sondern kann vom Menschen beeinflusst werden.  Leider hat der im Film propagierte Relativismus durch seine Reichweite tatsächlich das Potential, zum Erhalt des Status-quo beizutragen.


Fotos: Fredrik Wenzel / Alamode Film