2018 erschien Adib Khorrams Roman „Darius der Große fühlt sich klein“ und wurde seitdem vielfach ausgezeichnet. Man folgt dem Teenager Darius Kellner und seinen Kämpfen – um sich selbst, seine Beziehungen und seinen Platz in der Welt. Warum er so besticht und von Menschen jeden Alters gelesen werden sollte.

Wer kennt es nicht: das Gefühl, unter Druck zu stehen. Sei es in der Uni, auf der Arbeit, aufgrund der Familie oder gesellschaftlicher Erwartungen.
Darius Kellner, der amerikanisch-iranische Protagonist, kennt dieses Gefühl nur zu gut. Er leidet unter dem Mobbing in der Schule, den Erwartungen seines Vaters, die er nicht erfüllen kann, und seiner klinischen Depression. Auf den äußeren Druck trifft zusätzlich ein innerer. Denn Darius kämpft – mit sich selbst, seinen Beziehungen und um seinen Platz in der Welt.
Hauptsächlich ringt er um die Beziehung zu seinem Vater, der ihm das Gefühl gibt, nicht genug zu sein. Nicht sportlich genug, nicht „normal“ genug, nicht selbstlos genug, nicht gesund genug.  Dass er keine Freunde hat, die ihm helfen könnten, mit seinen Problemen umzugehen, verschlimmert die Situation noch weiter.
Als seine Familie nun in Iran reist, um seinen entfremdeten Teil der Verwandtschaft zu besuchen, bekommt er eine Chance, neu anfangen zu können.

Alte Konflikte im neuen Land

Er begegnet Sohrab, dem Nachbar seiner Großeltern, der schnell zu seinem Freund wird. Gemeinsam erkunden sie die für Darius fremde Umgebung und besuchen alte Kulturstätten Irans. Darius‘ Tage und Sorgen werden leichter. Doch der Konflikt mit seinem Vater verfolgt ihn und überschattet seine neu gewonnene Heiterkeit. Seine Depression und die Anspannung zwischen Vater und Sohn lassen einen simplen Wunsch entstehen: akzeptiert zu werden. Besonders von dem Mann, der ihn bedingungslos lieben sollte.
Die Verzweiflung Darius, das Gefühl zu haben, nicht von seinem Vater geliebt zu werden, ist einer der Gründe, warum der Roman die Aufmerksamkeit verdient, die ihm durch Preise wie dem William C. Morris YA Debut Award zuteil wurde. Denn er besticht durch die Simplizität der Darstellungsweise komplizierter Emotionen. So öffnet er die Türen in die Sichtweise eines depressiven Teenagers, die überraschend nah und real zeigt, wie sich eine behandelte Depression im alltäglichen Leben anfühlen kann. Auch allgemein bildet Adib Khorram die komplexe Gefühlswelt durch sprachliche Bilder und Formulierungen lebensgetreu nach und lässt Leser*innen so authentisch mitfühlen.
Der Roman bildet für jedes Alter einen großen Mehrwert, da die darin behandelten Themen universeller Art sind. So kann jeder*m Mobbing, wie Darius es erlebt, in Schule, Arbeit oder Freizeit begegnen. Auch Konflikte im freundschaftlichen und familiären Kontext können über die Jahrzehnte des Lebens hinweg auftreten.

Insgesamt bewegt „Darius der Große fühlt sich klein” durch ruhige szenische Darstellungen der inneren und äußeren Realität und zeigt, dass die Schönheit des Lebens gerade in der Unsicherheit, der Unbequemlichkeit und der Unvollkommenheit liegt. Der Roman schafft es, dramatische Situationen nicht zu beschönigen und trotzdem Hoffnung zu wecken und Mut zu machen, denn Darius der Große fühlt sich zuweilen klein – und das ist auch gut so.


Illustration: Franziska Auffenberg