Perens Film erzählt die Geschichte von Cioma Schönhaus, der einst eine Kunsthochschule besuchen wollte und unter den Nazis Pässe fälschte, um am Leben zu bleiben. Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Dabei hat Perens Film keine Scheu, Witze über jene Menschen zu machen, die dem Regime bis zum letzten Atemzug die Treue geschworen haben.

Cioma Schönhaus zieht langsam das Löschpapier ab, damit das Hakenkreuz auf dem frisch gefälschten Pass nicht verwischt. Seine Eltern haben die Nazis bereits nach Osten deportiert. Er lächelt sein kleines Kunstwerk an, wie er jeden gefälschten Pass bezeichnet. Dabei läuft im Hintergrund Klezmer-Musik und fast hat der*die Betrachter*in den Eindruck, dass doch alles ganz in Ordnung sei, im Berlin des Jahres 1942.

Maggie Perens versucht mit ihrem Film etwas, was in der deutschen Kinolandschaft neu ist. Der Umgang mit der Erinnerungskultur wirft hier über die Verbrechen des Dritten Reiches nicht den Schlagschatten einer Geschichtsdokumentation. Dennoch oder gerade deswegen macht sich bemerkbar, dass es herausfordernd ist, Erinnerung neu zu denken und auch darzustellen. Perens Dokumentation zeigt den Alltag des Holocaust auf den Straßen Berlins, wo niemand etwas darüber gewusst haben will. Dass das am Ende gelingt, liegt nicht zuletzt an der Leistung seiner Schauspieler*innen.

Das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte…

„Meine Eltern wurden auch schon in den Osten geschickt“ – dieses Zitat zeigt die wahre Stärke des Filmes. Er löst Gänsehaut aus. Der Passfälscher verhandelt das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte, indem es andeutet, verschweigt – und eben nicht zeigt. Es lässt Stellen aus, wie dunkle Flecken, die doch überall zu sehen sind. Eingangs zitierter Satz ist Teil des Eröffnungsdialogs um die zwei jüdischen Protagonisten Cioma Schönhaus und seinen Freund Det Kassriel. Cioma lädt Det spontan zum Übernachten ein, weil seine Eltern nicht mehr da sind. Sie sind die letzten in Berlin Verbliebenen ihrer Familien. Sie müssen zusehen, wie die Möbel und Dinge und die damit verbundenen Geschichten ihrer Familien beschlagnahmt werden. In der Wohnung der Familie Schönhaus versuchen sie mit Lebensmittelkarten über die Runden zu kommen, während ringsumher das Mobiliar verschwindet.

Louis Hofmann als Cioma Schönhaus und Jonathan Berlin in der Rolle des Det Kassriel machen diese Freundschaft in Zeiten wachsender Hoffnungslosigkeit erst möglich. Die Aufnahmen sind nah an den Gesichtern. Die Augen, die Angst, Hoffnung und den Wagemut ausdrücken, spielen eine ebenso große Rolle, wie die eigentliche Geschichte hinter ihren Schicksalen.

Durch seine Tätigkeit als Passfälscher lernt Cioma Gerda kennen, gespielt von Luna Wedler. Das zarte Band, dass sich zwischen ihnen entwickelt, funktioniert auch hier besonders durch das, was nicht ausgesprochen wird. Luna Wedler zeigt hierbei eine besondere Leistung, denn sie vereint in sich den Widerspruch, selbst zu überleben und zu lieben.
Und doch lebt der Film auch von den oft gewitzten Dialogen, die aussparen und andeuten. Dabei kommt manchmal ein Schmunzeln auf, trotz der Schwere des gezeigten Stoffs. Das passiert zum Beispiel dann, wenn Cioma und Det in „ausgeliehenen“ Offiziersuniformen der Marine ein Nachtlokal aufsuchen. Klar, weniger dieser „Catch-Me-If-You-Can“-Allüren hätten diesen Film vermutlich nicht geschadet, vermutlich ist das aber genau das, was die wahre Geschichte vom Cioma Schönhaus hergibt. Nicht zuletzt verhandelt der Film die treudoofe Vaterlandstreue der Nazis, die sich Cioma spielend leicht in einer Art Mimikry zu eigen macht.

… trotz Humor kein seichter Stoff

Alles, was ist, darf nicht gezeigt werden. Diese Devise kann man durchaus verurteilen. Aber Perens verwandelt die Geschichte des Holocausts nicht in einen „seichten“ Stoff, sondern verpackt die Schrecken des Dritten Reiches in kleine Handlungen und Gesten des Alltags. In den Straßen wird nicht über das größte Menschheitsverbrechen gesprochen. Es verschwinden einfach die Habseligkeiten der Deportierten. Es verschwinden Andenken, Bilderrahmen und Kleiderschränke, weil die Leben bereits verschwunden sind. Die Figur Frau Peters, die Vermieterin von Cioma Schönhaus, ist ein weiteres gutes Beispiel für den Tiefgang des Berlinale Specials Der Passfälscher. Exzellent gespielt von Nina Gummich, spiegelt sich in ihr die Widersprüchlichkeit eines Volkes aus Täter*innen. Gerade weil sie im Krieg ihren Mann verloren hat, sieht auch sie, gefangen im persönlichen Trauma, die Jude*innen als Sündenböcke. Sie verkörpert eine stets zitternde und beinahe zu zerreißen drohende Gestalt, die sich zur Komplizin des Regimes macht.

Eindringlich zeigt Maggie Perens in ihrem Film die Frage nach Hoffnung in einer hoffnungslosen Zeit auf. Zwar kommen wider jeder Erwartung auch Momente seichter Unterhaltung vor, doch diese nehmen dem Film nicht den Tiefgang dieser aufgearbeiteten Geschichte.


Foto: DREIFILM