Eine entspannte Nacht mit Freundinnen im Club? Unsere Autorin wird stattdessen sexuell belästigt. Manche Männer denken noch immer, sie könnten sich nehmen, was sie wollen. Um Übergriffe zu verhindern, braucht es mehr Achtsamkeit für sexuelle Gewalt.

Wir befinden uns in einer Stadt im Ausland. Es ist mein erster Abend. Ich bin hergekommen, um eine Freundin, die für ein Auslandssemester hergezogen ist, zu besuchen und für ein paar Tage dem grauen Berliner Winter entfliehen und etwas Sonne tanken zu können. Wir sitzen in Gesellschaft einer weiteren Freundin zu dritt in einer Bar, trinken Wein, unterhalten uns, lachen.

Wir beschließen in einen Techno Club weiterzuziehen, da ein DJ auflegt, den ich gerne hören würde und wir noch Lust haben zu tanzen. Der Club ist noch relativ leer, als wir sichtlich angetrunken ankommen, die Musik noch nicht laut genug, um Gespräche der umstehenden Gäste zu übertönen.

Wir werden von einer Gruppe junger Männer angesprochen, die hörten, dass wir untereinander Deutsch sprechen. Sie fragen woher wir kommen und erfreut stellen wir fest, dass wir alle aus Berlin sind. Wir wechseln einige Worte über die Stadt, in der wir uns gerade aufhalten und unterhalten uns über Banalitäten, über Berlin, dass es ja kein Wunder sei auf andere Berliner*innen in einem Techno Club im Ausland zu treffen.

Lüsterne Blicke, stinkender Atem

Da wir jedoch unsere Dreisamkeit zuvor sehr genossen haben, wenden meine Freundinnen und ich uns kurz darauf von den Männern ab und stürzen uns auf die Tanzfläche, um uns in den rhythmischen, sphärischen Klängen zu wiegen.
Irgendwann später muss ich zur Toilette und laufe an der Gruppe Männer von vorhin vorbei, ohne ihnen große Beachtung zu schenken. Als ich jedoch wieder aus der Kabine herauskomme, stelle ich fest, dass zwei von ihnen mir folgten. Sie sprechen mich an und kommen mir dabei viel zu nah, ich kann den nach Alkohol riechenden Atem auf meinem Gesicht spüren.

Mit ein paar knappen Worten zwänge ich mich zwischen ihnen durch, die lüsternen Blicke auf dem Schlitz an der Seite meines Kleids, eine Hand an meiner Taille, die ich achtlos von mir streife. Ich gehe wieder zum Floor und sehe wie meine Freundinnen anfangen vor mir miteinander rumzuknutschen. Sie ziehen mich zu sich, wir tanzen eng umschlungen zu dritt miteinander, küssen und umarmen uns gegenseitig.

Ich fühle mich wohl und gut bei ihnen aufgehoben, es ist die perfekte Abrundung eines Abends und der schönen und tiefgründigen Gespräche und Momente, die wir zuvor miteinander teilten. Ich vergesse für einen Augenblick die nervigen Männer von vorhin und genieße den Moment.

Sexuelle Belästigung: No means No!

Plötzlich nehme ich aus dem Augenwinkel zwei Gestalten wahr, die versuchen ihre Köpfe links und rechts von mir zwischen uns zu zwängen, eine Zunge an meinem Hals, eine Hand an meinem Po. Wir stoßen sie empört weg, aber keine Sekunde später versuchen die zwei Männer, die mir zuvor auf die Toilette gefolgt sind, wieder und wieder mit immer größerer Wucht ihre Köpfe zwischen meine Freundinnen und mich zu zwängen, uns zu befummeln und „mitzumachen“, wie sie es ausdrücken.

Völlig verzweifelt rufen wir ihnen zu, dass sie endlich aufhören sollen, aber stoßen auf taube Ohren und werden weiterhin von ihnen eingekesselt. Niemand scheint unsere Rufe zu hören. Genauer gesagt, hören es alle, jedoch nimmt es niemand wahr, alle schauen zu, aber niemand unternimmt etwas. Jeder, der um uns herumstehenden Männer, starrt uns an, mit einem Blick, der zur einem Teil Faszination und zum anderen Begierde suggeriert. Keine Spur von Betroffenheit, Empörung oder Wut, höchstens noch ein Hauch von Gleichgültigkeit.

Wir schaffen es uns an den zwei Meter großen Typen nach draußen in den Raucherbereich vorbei zu drängen, völlig fassungslos darüber, was gerade geschehen ist. „Habt euch doch nicht so, ihr solltet doch wissen, wie das ist, wenn ein paar geile Weiber miteinander rummachen. Ist doch klar, dass man mitmachen will“, rufen sie uns lachend hinterher.

Queere Frauen sind keine Sexobjekte

Es ist die traurige Realität, dass ich kaum eine Frau kenne, die noch nie zuvor im Club objektiviert und sexualisiert wurde, nicht selten bin ich selbst Opfer sexueller Belästigung geworden. In diesem Fall habe ich jedoch zum ersten Mal doppelte Diskriminierung erfahren, der queere, bisexuelle und lesbische Frauen, tagtäglich ausgesetzt sind.

Sie werden nicht nur aufgrund ihres Geschlechts, sondern zusätzlich wegen ihrer sexuellen Orientierung sexuell belästigt. Ihre Sexualität wird weder respektiert noch ernstgenommen. Die Zärtlichkeiten, die sie mit Partnerinnen austauschen, werden als erregende Show von heterosexuellen Männern wahrgenommen, die ihre sexuelle Begierde auf die von ihnen zu Objekten herabgestuften Frauen projizieren und sie ihnen aufzwingen.

Lediglich in Technoclubs in Berlin wie dem Berghain oder der TraumaBar, fühle ich mich nahezu sicher vor sexuellen Übergriffen und in Frieden gelassen. Ein Fehler von meiner Seite war es, von Berlinern zu erwarten, dass sie sich auch im Ausland an die Normen und Werte, die es in der Berliner Techno Feierkultur größtenteils gibt, halten.

Nein, hier können sie im Gegenteil „endlich mal die Sau rauslassen“, denn was im Urlaub geschieht, bleibt auch dort. Hier können sie endlich ungehemmt „flirten“, ohne dass ihnen die nervtötenden Awareness Teams oder Femanzen einen Strich durch die Rechnung machen und ohne, dass sie sich später irgendwie verantworten müssen. Endlich wieder richtige Männer sein, ohne Rücksicht auf Bedürfnisse anderer, ohne Scham und Rechtfertigungen.

Passivität = Mittäterschaft

Es ist erschreckend, wie wenig der Clubbetreiber*innen und andere Feiernde gegen sexuelle Belästigung in den meisten Clubs einerseits vom Clubbetreibenden selbst und andererseits von Menschen, die diese Belästigung mitbekommen, unternehmen. Sie machen sich zu passiven Mittäter*innen indem sie sexuelle Belästigung ignorieren, ja gar tolerieren und einfach so hinnehmen, als wäre das etwas komplett Natürliches und Selbstverständliches.

Schummriges Licht und schmierige Typen im Club. Foto: Anastasia Tikhomirova
Schummriges Licht und schmierige Typen. In Clubs kommt es häufiger zu sexueller Belästigung (Symbolfoto). Foto: Anastasia Tikhomirova

„Dann soll die Alte halt nicht in‘ Club gehen, wenn sie nicht damit klarkommt.“, heißt es stattdessen oft, die Schuld wird beim Opfer gesucht. Dann soll sie sich eben nicht so sexy kleiden, dann soll sie eben nicht flirten, nicht lasziv tanzen etc.

Verbote und Verhaltensregeln werden Frauen von Kindesbeinen an auferlegt und dennoch sind es weiße hetero cis-Männer in Deutschland, die sich gern, laut und ausgiebig über die sogenannte neue „Verbotkultur“, bei Themen wie politisch korrekter Sprache, klimafreundlicherem Lebensstil oder eben Sexismus und Misogynie beschweren und unwillig sind, ihr Verhalten auch nur im Geringsten zu ändern.

Die Zurechtweisungen, mit denen sie sich neuerdings konfrontiert sehen, sind für sie ungewohnt, denn zuvor sind sie immer in der Position des Zurechtweisenden gewesen. Es ist leicht jemandes Reaktion als übertrieben abzutun, ohne jemals in seiner*ihrer Haut gesteckt zu haben. Es ist einfach Witze über erhöhte Emotionalität oder ängstliche Reaktionen von Personen in bestimmten Situationen zu machen oder sie herunterzuspielen, wenn man sich selbst noch nie zuvor als Opfer und als Diskriminierte wiederfand, sondern schon immer der Täterpart war.

Männliche Bequemlichkeit sich mit mit sexueller Belästigung zu beschäftigen

Es ist bequemer, unachtsam zu sein und keine Rücksicht auf seine Mitmenschen zu nehmen und kein Verständnis für ihre gesellschaftliche Position vorzuweisen, sich einfach nicht damit auseinanderzusetzen und nicht aus seiner Komfortzone herauszutreten.

Ich fordere mehr Achtsamkeit in der Clubkultur. Mein Vorschlag besteht darin, ein Gesetz einzuführen, das Clubbetreiber*innen dazu verpflichtet, notwendige Ansprechpartner im Falle sexueller Belästigung und jeder Art von Diskriminierung zur Verfügung zu stellen und die Sicherheit der Gäste zu garantieren, ein Gesetz, das zum Handeln zwingt.

Es ist nicht hinreichend Securities am Eingang zu positionieren, die bei Schlägereien und Drogenhandel intervenieren, aber bei verbaler und/oder sexueller Belästigung abwinken, da vermeintlich niemand körperlich zu Schaden kam und man zahlende Kundschaft ja auch nicht aus dem Club vertreiben möchte.

Zwar existiert seit einiger Zeit die #AskforAngela Initiative, die Betroffenen durch die Codefrage „Is Angela working tonight?“ die Möglichkeit gibt, sich ans Clubpersonal zu wenden und diskrete und sofortige Hilfe zu erhalten. Leider jedoch scheint diese sinnvolle und hilfreiche Initiative bisher nur wenigen Einrichtungen geläufig zu sein. Das Clubpersonal muss über diverse Hilfsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt worden sein, um in brenzligen Situationen richtig und schnell reagieren zu können.

Erfahrene Hilflosigkeit bei sexueller Belästigung

Aus genau diesem Grund verzichten wir an diesem Abend darauf uns an den Security zu wenden, der unsere Lage genau beobachtete, jedoch nicht eingeschritten ist. Ein massives Problem bei der Verfolgung von Sexualstraftäter*innen stellt noch immer die Reaktion der Ansprechpersonen für solche Fälle dar.

Sie nehmen Betroffene nicht ernst oder glauben ihnen nicht, unternehmen klägliche Versuche sie zu beschwichtigen, indem sie ihnen einreden, dass sie überreagieren oder dass sie sich falsch verhalten hätten und nicht die Täter. Selbst wenn keine physischen Schäden bei sexueller Belästigung entstehen, kann diese irreversible Narben in der Psyche hinterlassen, vor allem dann, wenn das Opfer allein gelassen wird und sich niemandem anvertrauen kann.

Wenn ihr Zeuge einer solchen Situation werdet oder euch Betroffene von ihren Erlebnissen erzählen, dann scheut euch nicht davor Partei zu ergreifen und der Person zu helfen, sie zu ermutigen und zu unterstützen. Nur so kann Gerechtigkeit walten und die Täter*innen ihre gerechte Strafe bekommen.

„Komm Digga, wir gehen, die sind eh nicht geil.“

Etwas später an diesem Abend versuchen wir das gerade Erlebte zu verdrängen und uns weiter zu amüsieren. Ich gehe tanzen, meine Freundinnen stellen sich an die Bar. Sie kommen ins Gespräch mit einem jungen Mann, dem sie von dem Zwischenfall erzählen. Er bekundet seine Betroffenheit und bietet den Beiden an, einen Shot auszugeben. Ich stelle mich kurz darauf zu der Gruppe, als auch die zwei Typen von vorhin wieder neben uns auftauchen und uns dreist angrinsen.

Ich fordere Sie auf Abstand zu halten und sie halten entgegen, dass es ihr gutes Recht sei, neben mir zu stehen. Wie sich herausstellt, ist der junge Mann, mit dem wir uns gerade unterhalten hatten, auch ein Freund der beiden. Er fragt, was die beiden denn gemacht hätten. Daraufhin erwidere ich, dass sie meine Freundinnen und mich sexuell belästigt hätten, versucht hatten uns zu küssen und uns begrapschten.

Plötzlich packt mich einer der beiden an der Schulter und sagt, ich solle meine „scheiß Fresse halten“ und nicht lügen, denn das was sie getan haben, sei doch keine sexuelle Belästigung gewesen. Ich reiße mich los und wiederhole das Gesagte. Der Fragende sagt nichts, vielleicht schämt er sich für seine Freunde, vielleicht ist es ihm aber auch einfach egal. Einer der Täter legt ihm einen Arm um die Schulter und sagt resigniert aber ohne das kleinste Anzeichen von Reue: „Komm Digga, wir gehen, die sind eh nicht geil.“

Fassungslos von dieser abartigen Relativierung bleiben wir zurück und der Abend ist für uns gelaufen.


Wer selbst oder im Bekanntenkreis sexualisierte Gewalt erlebte und Beratung oder Unterstützung sucht, kann, rund um die Uhr, das Hilfetelefon in Anspruch nehmen.

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung werden Betroffene aller Nationalitäten, mit und ohne Behinderung unterstützt: https://www.hilfetelefon.de/