Helke Sanders satirischer und teils fiktionalisierter Dokumentarfilm Die Deutschen und ihre Männer – Bericht aus Bonn kam 1989 raus, ist aber aktueller (und lustiger) denn je. Witze über heterosexuelle Männer kommen schließlich nie aus der Mode – und angesichts der Tatsache, dass die im Film angeführten geschlechtergerechtigkeitsspezifischen Thematiken heute, gut 35 Jahre später, immer noch genauso wild debattiert werden wie damals, ist Lachen wohl auch die gesündeste Reaktion. Sonst käme man (frau) aus dem Heulen ja gar nicht mehr raus.
Lieschen Müller (Renée Felden) macht sich von Österreich aus auf den Weg nach Deutschland, genauer gesagt in die damalige Bundeshauptstadt Bonn. Was sie sucht, schreit sie sich bereits in der ersten Szene lautstark aus dem Hals: EINEN MANN!
Lieschen ist so richtig typisch Frau: auf ihr Aussehen fixiert, dümmlich und ständig nach Bestätigung suchend. Verzweifelt hält sie nach geeigneten Männern Ausschau und sucht das Gespräch: am Flughafen, im Taxi, am Ende befragt sie sogar Politiker. Zunächst geht es ihr noch um Krawattenvorlieben (sie notiert: Die meisten Männer bevorzugen Pünktchen auf ihren auf den, ähm, Kopf zeigenden Krawatten). Im Laufe der bzw. ihrer Dokumentation geraten aber zunehmend die ganz großen Fragen in den Fokus. Jene Fragen, die das, ohnehin schon fragile, soziale Konstrukt von Männlichkeit gestern wie heute ganz akut ins Wanken bringen. Fragen wie: „Haben Sie sich schonmal geschämt, ein deutscher Mann zu sein?“. Oder (gern als Anschlussfrage): „90 Prozent der Gewalttaten in Deutschland gehen von Männern aus – bringt Sie das ins Grübeln?“. An dieser Stelle ein Spoiler: Die meisten der befragten Männer schämen sich nicht für ihr Geschlecht, warum sollten sie? Und nein, ins Grübeln bringe sie das nicht, denn sie selbst würden ja nie übergriffig werden, das seien alles Einzeltäter. Gerade bei sexualisierter Gewalt sei das Problem ein soziales: Manche Männer seien einfach frustriert. Wie tragisch! Wir erinnern uns: 1989 galt die Vergewaltigung in der Ehe noch nicht als strafbar. In Deutschland sollte das noch acht Jahre dauern.
Die Qualität, nicht aber der Inhalt der Antworten variiert je nach sozialem Stand und Beruf der Männer. Der rheinisch säuselnde Taxifahrer macht keinen Hehl aus seiner Präferenz für Prostituierte aus Thailand, während der Politiker auf kritische Fragen eloquenter und bedachter zu reagieren weiß – als die feministische Linguistin Luise Pusch aber auch noch anfängt, die Rolle der Interviewerin zu übernehmen, werden dann doch alle etwas nervös. Interessant sind die Befragungen in linken Kreisen: Ja, natürlich hätten sie sich schonmal geschämt, ein Deutscher zu sein. Wegen der Geschichte des Landes sähen sie sich da in der Verantwortung. Aber so als Mann, ganz allgemein? Nee.
Natürlich wird das alles hier sehr plakativ dargestellt, an manchen Stellen nahezu unfair. Gerade die Kinderbefragungen am Ende (eine Reihe von 80erJahre-schrill angezogenen Jungs im Grundschulalter wird gefragt, was für sie der Unterschied zwischen Mann und Frau sei. Die Antworten lauten erschreckend-einstimmig: Der Mann arbeitet tagsüber und trinkt abends Bier vorm Fernseher, während Frauen mit Küche und Haushalt assoziiert werden) sind angesichts der Tatsache, dass diese Kinder es schlichtweg nicht anders kennen, doch etwas fies. Außerdem bedenke man den doch eher provinziellen Stadtcharakter Bonns: In Berlin wären die Antworten sicher anders ausgefallen, ebenso wie in Ostdeutschland, in denen etwa die Berufstätigkeit von Frauen deutlich etablierter war (und ist). Und trotzdem: Die dokumentierten Konversationen sollten zum Nachdenken anregen, denn sie sind aus heutiger Sicht zwar politisch inkorrekt, aber absolut nicht unvorstellbar.
Foto: © Deutsche Kinemathek / Sander @Berlinale Stills