„Menschenrechte sind Frauenrechte und Frauenrechte sind Menschenrechte”, sagte Hillary Clinton 1995 bei der vierten Weltfrauenkonferenz in Peking. Diese Gleichung markierte einen Paradigmenwechsel in der UN-Politik und rückte Frauenrechte auf die zentrale Agenda. Vielleicht hatte sich Ministerin Annalena Baerbock genau dieses Zitat zu Herzen genommen, als sie nach 15 Monaten Regierungszeit Leitlinien für eine feministische Außenpolitik formulierte. Doch das Konzept wird zurecht von iranischen Frauenrechtler*innen kritisiert.
Die Idee der Feministischen Außenpolitik ist nicht neu. Erfunden hat das Konzept die schwedische Außenministerin Margot Wallström im Jahr 2014, die jedoch unter der rechts-konservativen Regierung von Kristersson für obsolet erklärt wurde. Trotzdem fand dieser Kurswechsel Anklang- allen voran in Deutschland.
Auf den ersten Blick scheint die Grundidee hinter den Leitlinien für eine Feministische Außenpolitik und Entwicklungspolitik, die das Bundeskabinett am vergangenen Mittwoch vorgestellt hatte, einleuchtend: Da Frauen* weltweit die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, sollten nach Baerbock auch ihre Probleme und Herausforderungen berücksichtigt werden. Baerbock sprach in diesem Zusammenhang von einem „Realfeminismus”, der die realen Lebensbedingungen von Frauen* vor Ort berücksichtigen und einbeziehen solle. Der Fokus liege dabei auf drei Rs: Rechte, Ressourcen und die Repräsentanz von Frauen*. So sollen unter anderem sexuelle und reproduktive Rechte von Frauen* gestärkt, der Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt erleichtert und Frauen* und marginalisierte Gruppen stärker in Entscheidungen bei Projekten, beispielsweise auf regionaler Ebene, eingebunden werden.
Die Causa Teheran
Was im ersten Schritt als progressiv zu bewerten ist, weist jedoch in umfassenderer Betrachtung einige Problematiken auf, die auch Frauenrechtler*innen und Protestant*innen in Iran aufgefallen sind. Denn das Atomabkommen mit Teheran läuft weiterhin. Damit stellt Deutschland seine Geschäftsinteressen vor den Schutz von Menschenrechten und kooperiert mit einem Gender-Apartheid-Regime. Zur Einordnung: Seit dem Tod der 22-jährigen iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 in Folge ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei, brach in Iran eine Protestwelle aus, die immer wieder gewaltsam durch die Regierung unterdrückt wird. Amini avancierte zu einem Symbolbild der Freiheit, das in dem Slogan „Jin, Jiyan, Azadi” -auf deutsch: Frau, Leben, Freiheit- mündete.
Deutschland, und damit auch der Außenministerin Annalena Baerbock, wird vorgeworfen, viel zu leise und langsam reagiert zu haben. Laut Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sitzen in Iran über 18.000 Menschen im Gefängnis und über 500 kamen im Zuge der Protestbewegungen ums Leben oder wurden hingerichtet.
Wie glaubwürdig kann also eine feministische Außenpolitik sein, für die gerade die Frauenrechtsproteste in Iran kein Problem darstellt, dem man sich stellen sollte? Gar nicht. Wie Audre Lorde schon richtig sagte: „Ich bin nicht frei, solange noch eine einzige Frau unfrei ist, auch wenn sie ganz andere Fesseln trägt als ich.” Mit diesem Zitat konfrontierte Lorde als Schwarze Feministin und Autorin die US-amerikanische Frauenbewegung der 60er und 70er Jahre, die stark von der akademischen, weißen Mittelschicht geprägt war und forderte eine Solidarität über alle Hautfarben, Klassenunterschiede und sexuelle Orientierungen hinweg.
Der Werteexport aus dem Globalen Norden
Dasselbe Problem zieht sich durch das Konzept der Feministischen Außenpolitik. Die Menschenrechtsaktivistin und Anwältin Rafia Zakaria kritisierte in ihrem Buch ‘Against White Feminism’, dass sich die Außenministerin als Weiße Frau als die Retterin nicht-weißer Menschen inszeniere und dabei in Wahrheit die realpolitischen Interessen weißer Frauen* in den Mittelpunkt stelle. Vielleicht war das Unwort „Realfeminismus” ein Freudscher Versprecher, der verriet, dass dieses Konzept hauptsächlich den realpolitischen Selbstinteressen einer privilegierten Schicht von Feminist*innen dient. Denn solange die Wirtschaftsordnung unangetastet bleibt, die von der ungleichen Arbeitsteilung und der Zerstörung der Natur profitiert und unter der vor allem Frauen* im Globalen Süden am meisten leiden, entpuppt sich die feministische Rhetorik als eine Farce.
Auf diese Art verkommen die Leitlinien der Feministischen Außenpolitik zu einem Werteexport des Globalen Nordens, das Stichwort „feministisch” zu einem leeren Schlagwort und die Gleichung geht nicht auf. Mit Feminismus hat diese Form der Außenpolitik wenig zu tun.
Illustration: Céline Bengi Bolkan