In Hamburg ist Anfang März die Ausstellung The F*Word über das Grafikdesign der Guerrilla Girls angelaufen. Das Museum für Kunst und Gewerbe zeigt in mehreren Räumen, wie sich die Plakate und Botschaften des feministischen Kampf-Kollektivs seit ihrer Gründung entwickelt haben und welche Botschaften sie damit senden wollen.

An der Außenfassade des Museums für Kunst und Gewerbe ist ein neues Banner aufgehängt: Zu sehen ist ein Franzbrötchen auf lila Grund – ein inoffizielles Wahrzeichen Hamburgs, das nun den Weg zwischen ZOB und Hauptbahnhof ziert. Viel kleiner, kaum zu sehen, ist hingegen der Krümel, der sich neben dem überdimensionalen Franzbrötchen befindet. Letzteres repräsentiert die sich im Museum befindenden 400.000 Arbeiten, die im Rahmen der neuen Ausstellung gezählt worden sind. Mit einem drastischen Ergebnis: nur 1.5% dieser Exponate, der Krümel des Franzbrötchens, sind von Frauen. 

Auf solche Missstände der Gesellschaft hinzuweisen hat sich die Gruppe Guerrilla Girls zur Aufgabe gemacht. Das feministische Kampf-Kollektiv, das 1985 von sieben Künstlerinnen gegründet wurde, wirft das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit auf die Unterrepräsentation von Frauen im Kunstbetrieb und die strukturellen Benachteiligungen, unter denen sie im kreativen Bereich arbeiten. Ihre satirischen und provozierenden Grafiken, beispielsweise zu den Vorteilen einer Frau im Kunstbetrieb – working without the pressure of success” – decken Sexismus und Rassismus gegenüber Frauen innerhalb der Gesellschaft auf. Mit dem Aufhängen von Plakaten sowie Verteilen von Flyern und Postkarten generieren sie Aufmerksamkeit für ihre Recherchearbeit. 

Guerrilla Girls, Do Women Have to Be Naked to Get Into The Met. Museum?, 1989, © Guerrilla Girls, courtesy guerrillagirls.com

Unter der Gorillamaske

MoMa loves Dada, not Mama, lautet beispielsweise der Titel eines Plakats, das die Guerrilla Girls gestaltet haben. Sie kritisieren damit die vom Kunstbetrieb und, im Falle des Slogans, vom Museum of Modern Art öffentlich zelebrierte Faszination für Künstlergruppen, die ausschließlich aus Männern bestehen und von wiederum männlichen Kuratoren und Künstlern zum Kanon der Kunst erhoben wurden. Die anonymen Aktivistinnen stellen dabei sowohl Institutionen als auch Einzelpersonen in die Kritik. So zeigen sie auf, welche New Yorker Galerien nur Künstler, aber keine Künstlerinnen ausstellen. Die Guerrilla Girls selbst bleiben während der Durchführung ihrer Aktionen, zu denen auch Theateraufführungen gehören, anonym. Sie tragen Gorillamasken und die Namen von Feministinnen, darunter Käthe Kollwitz, Gertrude Stein und Georgia O’Keeffe. Die feministische Zielsetzung unterwirft jeglichen Persönlichkeitskult. 

Guerrilla Girls, If You Keep Women Out They Get Resentful, 2018, © Guerrilla Girls, courtesy guerrillagirls.com

A message from the Guerilla Girls

Ihre wohl berühmteste Grafik, die sich die Frage Do women have to be naked to get into Met. Museum? stellt, bildet das Herzstück der Grafikausstellung The F*Word. Neongelb und nicht zu umgehen ist das Plakat im Museum für Kunst und Gewerbe aufgehängt worden. Darauf zu sehen ist eine sich räkelnde, nackte Frau, deren Kopf von einer Gorilla Maske überstülpt ist. Die Frage nach den Bedingungen, unter denen Kunst entsteht und kuratiert wird, ist eine des Geschlechts – ebenso die Frage nach der Art der Darstellung. Während Frauen als Kunstschaffende ausgeschlossen werden, sind sie umso häufiger zum Kunstobjekt auserkoren worden – nackt. Laut einer Zählung der Guerilla Girls sind 85% aller Aktgemälde Frauen. Einem ähnlichem Thema widmete die Kunsthalle Hamburg zuletzt die Ausstellung Femme Fatale. Die darin gezeigten Arbeiten werden weniger nach der Art ihrer Entstehung als nach der Darstellung hinterfragt, stellen aber auch einen wichtigen Bestandteil der Aufarbeitung und Offenlegung von Sexismus in der Kunst dar. 

Guerrilla Girls, Dearest Art Collector, 1986, © Guerrilla Girls, courtesy guerrillagirls.com
Guerrilla Girls, Dearest Art Collector, 1986, © Guerrilla Girls, courtesy guerrillagirls.com

Denn dieser Kunstbetrieb funktioniert unter dem Ausschluss von vielen Künstlerinnen, deren Biografien und Werke zu großen Teilen gar nicht erst ausgestellt oder konserviert wurden. Die Ausstellung in Hamburg bietet auch dem Haus selbst Anlass zur Reflexion über ihre Kunstsammlung. Das Ziel der Aktivistinnen, Aufmerksamkeit für geschlechterbedingte Ungleichheit zu generieren, ist auch in Hamburg geglückt. Der erste Blick aus dem Hauptbahnhof hinaus fällt auf das angeschlagene Franzbrötchen, dessen Botschaft bitterer als sein Anblick ist.


Beitragsbild: Guerrilla Girls, Dearest Art Collector, 1986, © Guerrilla Girls, courtesy guerrillagirls.com