Darüber, welchen Sinn Kunst verfolgt, kann lange diskutiert werden. Bei immersiven Ausstellungen kommt diese Frage aus einer neuen Perspektive auf. Denn anders als in Kunstmuseen werden hier keine Originalwerke vorgestellt. Stattdessen liegt hier der Fokus auf die Neuinterpretation der alten Werke und auf der Selfiekultur.

 Im Jahr 2022 kam die immersive Ausstellung Monets Garten nach Berlin. Dieses Jahr dreht sich alles um die nächste große Ausstellung Klimts Kuss. Monets Garten zeigte keine Originalwerke, sondern nur digitale Interpretationen seiner Werke, die die Tiefe von Monets Pinselstrichen nicht wiedergeben konnten. Zudem zog eine kleine, mit Kunstblumen umrahmte Brücke, zu der sich eine Schlange bildete, viel Aufmerksamkeit auf sich, weil alle ein Instagrambild davon wollten. Im letzten Raum wird ein Film zu Monets Biografie und seinen Lebenswerken abgespielt, wobei alle Wände sowie der Boden beleuchtet wurden. Anschauen konnte man den Film auf Sitzkissen. 

Alles in allem war die Ausstellung gut besucht, wobei die meisten ein Handy in der Hand hatten. Schließlich muss alles sofort auf Instagram. Werden Ausstellungen heute mit dem Fokus konzipiert, möglichst viele Social Media Beiträge zu generieren? Möglicherweise sind die Besucher*innen an den Originalwerken nicht so sehr interessiert, wenn sich auch mit digitalen Interpretationen schöne Instagramfotos erzeugen lassen. Unter dem Hashtag #monetsgarten lassen sich über 3’000 Beiträge finden. 

Alles für ein Selfie für Instagram

Ähnlich war auch die Ausstellung Klimts Kuss. Auch hier wird zuerst die Biografie anhand einer Zeitachse und Fotos gezeigt. Es gibt eine spannende Installation, wo die Besucher*in audiovisuell mithilfe von ASMR in das Werk „Wasserschlangen II“ eintauchen kann. Daraufhin folgt ein glitzernder Spiegelraum, in dem alle ein Bild von sich haben möchten und der Abschluss stellt der Film zu Klimts Leben und seinen Werken dar. Dazwischen gab es die Möglichkeit einen Klimt-bezogenen Filter nutzen zu können und kurz bevor die Ausstellung endete, bietet sich eine weitere Gelegenheit für einen Selfie in Anlehnung an Klimt.

Aus den Besuchen der beiden Ausstellungen lassen sich einige Gemeinsamkeiten finden. Zuerst wird ein starker Fokus auf die Biografie des Künstlers gelegt. Danach folgen digitale Interpretationen der Werke, ohne dass in der gesamten Ausstellung ein Originalwerk hängt. Anschließend folgt mindestens ein Instagram-Spot, die die Besucher*innen rege nutzen und zuletzt endet die Ausstellung mit einem Film – einer Art Neuinterpretation der Werke in Ergänzung zur Biografie des Künstlers, der als eigene Kunstgattung durchgehen könnte.

Selfies und Fotos durch andere werden in beiden Ausstellungen zwar in erster Linie nur an den dafür gedachten Spots gemacht, aber auch während des Films scheinen Leute im Publikum durchgehend Fotos  zu schießen oder ganze Szenen mit der Handykamera zu filmen. Ob man so die Kunst wirklich genießen kann, oder nicht nur alles auf dem kleinen Bildschirm des Handys verfolgt, ist auf jeden Fall in Frage zu stellen. Eine nicht zu vernachlässigende Möglichkeit wäre, dass solche Fotos von den Ausstellern gewünscht sind. Schließlich sind die Instagramspots genau dafür gedacht und Instagrambilder sind Gratiswerbung.

Die immersive Klimt-Ausstellung.

Ausstellungen zwecks der modernen Selbstinszenierung?

Das große Format ihrer Bilder – seien es die Seerosenbilder oder das bekannte Werk der Kuss – haben Monet und Klimt vermutlich mit anderen Absichten gewählt. Wohl kaum hatten Monet oder Klimt damals damit gerechnet, dass ihre Werke für einen kleinen elektronischen Bildschirm bestimmt sein werden. Dazu kommt, dass die vielen Handys, die ständige Fotografie und Hype um Instagramspots nicht nur die Privatsphäre von anderen Besucher*innen stört, sondern auch die Gesamtatmosphäre verändert.

Ein Selfie in der Klimt-Ausstellung.

Ein Diskurs, wie Kunstkonsum genießbar bleibt, wäre wünschenswert. Es sei denn, es soll sich bei Kunst gar nicht mehr alles um die alten Werke, sondern verstärkt um die moderne Selbstinszenierung drehen. Aber das gibt es schon, dafür sind Selfie-Museen, mit dem Hauptzweck guter Instagrambilder zu schießen, konzipiert. Eine Kunstgalerie müsste dem nicht gerecht werden und darf andere Ziele wie Bildung oder Genuss verfolgen. Eine bewusste Auseinandersetzung mit der Kunst und deren Zweck könnte ihr den Raum für mehr Tiefe und die Möglichkeit, von der Kunst in den Bann gezogen zu werden, geben.


Bilder: Merrin Chalethu