Am 7. Januar 2005 starb Oury Jalloh in einer Zelle der Dessauer Polizei. Der an den Händen und Füßen gefesselte Asylbewerber soll sich nach Polizeiangaben selbst angezündet haben. Nach über 18 Jahren sind die Todesumstände immer noch nicht vollständig aufgeklärt worden, was den Fall zu einem Politikum macht.
Oury Jalloh war ein 36 Jahre alter Mann aus Sierra Leone, der in Deutschland mit einem Duldungsstatus lebte. Bei seinem Tod fand man ihn gefesselt an einer Matratze. Zuvor soll er unter Drogen- und Alkoholeinfluss gestanden haben.
Unklar bleibt, ob er selbst die Matratze anzündete oder nicht. Mehrere Initiativen, wie beispielsweise die Initiative „Break the silence- In Gedenken an Oury Jalloh“, sprechen von Mord. Am Jahrestag seines Todes finden Demonstrationen in seinem Gedenken mit der Parole „Oury Jalloh- Das war Mord“ statt.
Die Initiative „Break the silence“ organisierte unter anderem ein Gutachten des britischen Brandsachverständigen Iain Peck. Dieser baute die Zelle originalgetreu nach und stellte fest, dass Oury Jalloh nicht den Bewegungsspielraum gehabt hätte, um sich selbst anzuzünden. Außerdem hätten die Brandspuren an Jallohs Körper nur durch den Einsatz von Brandbeschleunigern entstehen können. Seine These wird zum Teil durch die Information in den Gerichtsakten gestützt. So wurde in ihnen festgehalten, dass in der Zelle des Asylsuchenden Blausäure ermittelt wurde.
Die Polizei hat in dem Fall Oury Jalloh viel zu verheimlichen. Schon bei seiner Festnahme wurde Jalloh rechtswidrig behandelt: Nachdem am 7. Januar 2005 bei der Dessauer Polizei der Notruf einging, dass ein „Ausländer“ vier Frauen belästigt haben soll, nahmen die Beamten Jalloh am vermeintlichen Ort des Geschehens ohne weitere Begründung zur „Identitätsfeststellung“ mit. Angekommen im Revier entnahmen sie ihm Blut und fixierten ihn fast durchgängig unbeaufsichtigt auf einer Liege. Damit steht der Fall Oury Jalloh für den institutionellen Rassismus in der Polizei, der sich weniger durch das Fehlverhalten einzelner Polizist*innen, sondern vielmehr durch das Zusammenwirken verschiedener gesellschaftlicher Ebenen kennzeichnet, die in ihren Normen und Praktiken Rassismus (re-)produzieren.
So fällt die Polizei in der Gegenwart weiterhin durch rassistische Praktiken, wie Racial Profiling, auf. Der Begriff kommt aus den USA und beschreibt ein Vorgehen, bei der die Polizei auf Grundlage von rassistischen Merkmalen ein Täterprofil ermittelt. Spätestens seit der Black Lives Matter Bewegung, die durch die Tötung von Georg Floyd durch einen US-Polizisten zu einer weltweiten Bewegung wurde, wird die Polizei als staatliche Institution kritischer ins Visier genommen. Doch diese Kritik wird nicht von allen gesellschaftlichen Ebenen getragen. Allen voran Horst Seehofer, der ehemalige bayerische Ministerpräsident und Vorsitzender der CSU.
Seehofer hatte sich mehrmals gegen eine kritische Untersuchung der Polizei gestellt und blockierte unter anderem 2020 ein entsprechendes Studienvorhaben des Bundesinnenministeriums. Trotz der Aufdeckung von rechtsextremen Chat-Gruppen von Polizisten aus Nordrhein-Westfalen, trotz „Einzelfällen“, die keine Einzelfälle sind, mit der Begründung, dass die Polizei nicht unter „Generalverdacht“ gestellt werden darf.
In einer Gesellschaft, in der das staatliche Gewaltmonopol bei der Polizei liegt, hat die Bevölkerung ein Anrecht darauf, zu erfahren, wie diese Institution mit der Macht und den Waffen, die ihr anvertraut werden, umgeht. Dass Rassismus bei der Polizei tödlich sein kann, hat zwar der Fall von Georg Floyd gezeigt, doch der Fall Oury Jalloh zeigt ebenfalls, welche gefährlichen Ausmaße es haben kann, wenn ohnehin marginalisierte Personen im öffentlichen Raum von der Polizei stigmatisiert und als Kriminelle gebrandmarkt werden. Weder Georg Floyd noch Oury Jalloh war ein Einzelfall. Inzwischen sind es zu viele.
Illustration: Franziska Auffenberg