In der letzten Sitzung des Studierendenparlaments der HU Berlin, des StuPa, ging es zum Thema Antisemitismus hoch her. Ein Antrag der Juso-Liste wurde schließlich angenommen. Die Debatte steht jedoch nicht ohne Kontext da.

Zunächst: „Klasse gegen Klasse“ (kurz KgK) ist eigentlich nur eine Nachrichtenseite. Als solche steht sie der RIO nahe, der „Revolutionären Internationalistischen Organisation“, die sich selbst als trotzkistisch und antikapitalistisch bezeichnet. KgK vertritt eine radikal linke politische Ausrichtung – was an sich kein großes Problem ist.

Zugleich: KgK hat äußerst problematische Ansichten zum Staat Israel. Dieser wird dort gern als „Apartheid-Staat“ bezeichnet. Überdies wirft man Israel „ethnische Säuberungen“ vor. Besonders holprig nimmt sich in einem Artikel die Beschreibung Israels als „zionistischem Staat“ aus. Im selben Stück konstatiert KgK, dass sie sich mit dem „Recht des palästinensischen Volkes auf nationale Selbstbestimmung“ solidarisiere, und bezeichnet die Gründung des Staates Israel als seit 1948 andauernde „Besatzung“. Von dem Selbstbestimmungsrecht des israelischen Volkes ist dort keine Rede.

Zugegeben: Der Antisemitismus bei KgK versteckt sich gut. Hinweise darauf, dass KgK sich nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen Juden und Jüdinnen im Allgemeinen stellt, lassen sich nicht finden. Aber ein „Sieg“ der Palästinenser*innen und die „Niederlage“ Israels zu fordern – das impliziert immerhin die Auslöschung eines der wenigen Länder auf der Welt, in dem sich Juden und Jüdinnen noch sicher fühlen. Nach einer Definition der Amadeu Antonio Stiftung, könne Antisemitismus auch in „Aussagen über den Nahostkonflikt“, die „Israel das Existenzrecht“ absprächen, zu finden sein. 

Links ein blinder Fleck

Es sollte unter diesen Vorzeichen für die Hochschulpolitik der HU Berlin ein Leichtes sein, sich gegen KgK zu stellen. Und wenn schon nicht gegen KgK an sich, so doch zumindest dagegen, dass Personen, die im RefRat arbeiten, nicht zugleich für KgK tätig sind. Genau das fordert ein Antrag der Juso-Hochschulgruppe seit Juli im StuPa. Seit dem ersten Mal, dass die Hochschulgruppe ihren Antrag stellte, sind bereits vier Sitzungen des StuPa vergangen. Auf der letzten Sitzung wurde der Antrag endlich beschlossen.

Doch das ging nicht ohne eine längere Diskussion vonstatten. Kritik äußerte unter anderem die  – selbst trotzkistische – IYSSE. So seien laut IYSSE-Abgeordnetem Gregor Kahl „aktuelle Luftangriffe des israelischen Militärs“ Beleg dafür, dass man sich mit dem Kampf von „Arbeiter*innen gegen die israelische Militärmacht“ solidarisieren müsse.  Kein Wort über die ständigen Raketenangriffe der terroristischen Hamas. Warum?

Ganz einfach: Manchmal wird Antisemitismus als übertriebene Israelkritik verkleidet.

Und dabei ist KgK nicht das einzige Problem – auch, was deutsche Hochschulen angeht. In ihrem letzten Bericht vor dem StuPa kritisierte die damalige Referentin für Antifaschismus, dass es enge Verbindungen zwischen dem AKJ (Arbeitskreis kritischer Jurist*innen) und der BDS-Bewegung (Boycott, Divestment, Sanctions) gebe. Die BDS-Bewegung ist bekannt für ihre antiisraelische Haltung, auch dort wird das Ende des Staates Israel gefordert. Konkret, so erklärte die Referentin für Antifaschismus, habe der AKJ 2016 Vorträge organisiert, auf denen BDS-freundliche Personen sprachen. Das bestätigte der AKJ gegenüber der UnAuf – damals habe es „eine punktuelle Kooperation“ gegeben. Allerdings, so fügte der AKJ an, sei schnell dagegen durchgegriffen worden. Es sei mittlerweile zu einem „vollständigen Wechsel“ gekommen.

Vorspiel und Nachspiel

Ist damit das Problem aus der Welt? Sicher nicht. Israelkritik zieht oft einen antisemitischen Rattenschwanz hinter sich her. Können sich jüdische Student*innen an der HU wirklich willkommen fühlen, wenn in der Hochschulpolitik der HU offenbar Sympathien mit KgK herrschen? Das Abstimmungsergebnis, um dem Anti-KgK-Antrag zuzustimmen, war übrigens ziemlich knapp (vor allem wegen zahlreicher Enthaltungen). Das allein zeigt die Sympathie für KgK. Überdies organisierte die gegenwärtige Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des RefRats eine Demonstration mit, auf der KgK stark mit vertreten war. Auf ihrer Social Media-Präsenz bewarb KgK sogar die Demonstration am 12.November 2022 prominent. Gegenüber der UnAuf gab die Referentin allerdings an, nicht bei KgK „organisiert“ zu sein. 

Und noch mehr: Nach der Debatte wurde der Antrag der Jusos leicht abgeändert. Unter anderem heißt es nun – begrüßenswert – dass das StuPa „jüdische Studierende an der HU“ ermutige, „sich selbst zu organisieren“. Der RefRat werde demnach vom StuPa beauftragt, für den Fall einer solchen Selbstorganisation „ausdrücklich…bei der Finanzierung zu unterstützen“. Statt dem so noch ergänzten Antrag unisono zuzustimmen, fanden sich immer noch drei Nein-Stimmen. Julia Bersch, eine Abgeordnete der OLKS-Liste, Felix Bayer von den „autonomen Alkis“ und Gregor Kahl von der IYSSE bestätigten ein Bild: Das Bild linker Politik, die nicht fähig ist, sich von BDS abzugrenzen. Trotz deren unsäglicher Forderungen und Aussagen. Erstere wurde übrigens am 10. Januar 2023 als Mitglied in das Konzil der Universität gewählt. Zusätzlich kandidiert Julia Bersch für das Referat für Hochschulpolitik im RefRat. 

An der größten Berliner Universität, dem Herzen der Bundesrepublik, müsste es selbstverständlich sein, dass Antisemitismus keinen Platz hat. Ja, der Antrag wurde letztlich angenommen. Aber das Vorspiel dazu zeigt, dass sich das StuPa über diese Selbstverständlichkeit uneins ist. Dieser Zustand ist kaum hinnehmbar. Besonders in Zeiten, in denen der Name der Stadt Halle düstere Erinnerungen zutage fördert, muss auf diese Dinge geachtet werden. Gerade jetzt müssen jüdische Student*innen sich vor allem in Berlin zuhause fühlen können. Gerade jetzt muss vor allem linke Politik das sicherstellen – sonst verfehlt sie ihr Solidaritätsversprechen, sonst verfehlt sie „Nie wieder“. Schön also, dass die Jusos den Antrag stellten, sich von KgK zu distanzieren. Schlecht, dass das StuPa sich kaum zu einer klaren Position durchringen konnte. Ein trauriges Nachspiel dazu ist nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher.  


Kommentare geben stets die Meinung der jeweiligen Autor*innen wieder, nicht die der gesamten Redaktion. (Anm. d. Red.)

In einer früheren Version des Textes hieß es, Julia Bersch sei in den Akademischen Senat gewählt worden. Die entsprechende Stelle wurde korrigiert. (Anm. d. Red.)

Foto: Rubén Vique/flickr

1 KOMMENTAR

  1. ” Hinweise darauf, dass KgK sich nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen Juden und Jüdinnen im Allgemeinen stellt, lassen sich nicht finden. ”
    mit dem abschnitt zeigst du ja dass du absolut keine argumente hast und dieser vorwurf sowie abstimmung völlig schwachsinnig ist

    nebenbei leugnest du apartheid, wirklich ein ekliger artikel den du da geschrieben hast

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