An dieser Stelle berichten wir von studentischen Initiativen und Gruppen, die vielleicht in Vergessenheit geraten. In dieser Ausgabe geht es um die Hochschulgruppe Black Student Union, welche sich im vergangenen Wintersemester unabhängig von der Humboldt-Universität gegründet hat. Ihre Mitglieder wollen auf diskriminierende Situationen am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften aufmerksam machen. 

Ade Ayaji ist 22 Jahre alt und studiert an der Humboldt-Universität Sozialwissenschaften im fünften Semester. Salina Momade, 26 Jahre alt, studiert Amerikanistik und Afrikawissenschaften ebenfalls im fünften Semester. Beide teilen sie eine gemeinsame Erfahrung: Sie erlebten bereits mehrfach diskriminierende Momente am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften. Seien diese zwar nicht bewusst gegen sie oder andere Schwarze Studierende gerichtet, zeige sich in ihnen jedoch ein unzureichendes Verständnis kolonialer Reproduktionsmechanismen.

Alle Hände voll zu tun 

Unter anderem deshalb hat sich im Wintersemester 2020/ 2021 die Black Student Union gegründet, wie Ade und Salina erzählen. Am Institut sei es demnach ein offenes Geheimnis, dass teils Lehrinhalte ohne allzu langes Nachdenken vermittelt würden, die kolonialistische Stereotype reproduzieren.

„Daraufhin haben sich einige Leute in einer dezidiert Schwarzen Hochschulgruppe organisiert und wir versuchen einen Raum zu schaffen, in dem Intersektionalität im Zentrum steht.“, erklärt Ade. Die Black Student Union will die Möglichkeit schaffen, die unterschwelligen Diskriminierungsformen und Marginalisierungen nicht weiter zu reproduzieren. Davon Betroffene sollen eine Stimme erhalten.

Ade und Salina haben dabei immer viel zu tun. „Da wir das alles nebenbei machen, ist es natürlich ein immenser Arbeitsaufwand eine Verbindlichkeit zu schaffen, gerade mit dem Blick auf die Pandemie.“, sagt Ade im Zoom-Gespräch. Neben den regelmäßig stattfindenden Treffen betreut die Hochschulgruppe auch eine Website mit dem Offenen Beschwerdebrief an die Hochschulleitung der Humboldt-Universität, der Forderungen und Erfahrungsberichte über diskriminierende Situationen sammelt. Über den Instagram-Account bsu_hu weisen die Mitglieder weiterhin auf die Bücher Schwarzer Autor*innen hin, die nicht im Kanon der Afrikawissenschaften vertreten sind.

„Wir handeln immer wieder neu aus, welchen Referenzrahmen wir eigentlich haben wollen.“, erklärt Ade. Die Hochschulgruppe entscheide demnach immer demokratisch und positionsunabhängig von der Universität.

Und das Engagement der Gruppe ist nicht auf den Campus oder das Institut beschränkt. Ade erklärt, dass derzeit auch eine Kooperation mit dem Institut für Sozialwissenschaften besteht. So veranstalten die Mitglieder den Workshop Dekolonialisierungswerkstatt, der über die Dekolonialisierung im Kontext der Universität aufklärt.

Für das aktuelle Wintersemester startet die Hochschulgruppe ein Mentor*innen-Programm. „Schwarze Erstsemestler*innen können uns schreiben, in welchen Instituten sie ihr Studium beginnen werden, Master wie Bachelor. Wir suchen dann eine Person aus unserem Kreis aus, die diesem Erstsemester hilft die Stundenpläne zu erstellen, sich in der Uni zurechtzufinden, wo spezielle Räume und die Bibliotheken sind.“, sagt Salina.

Auch außerhalb der Universität setzt sich die Black Student Union für einen Bewusstwerdungsprozess zur kolonialen Geschichte Deutschlands auseinander. „Einige unserer Mitglieder sind Teile dekolonialer Bündnisse wie BARAZANI.berlin, das sich in Opposition zur Eröffnung des Humboldt-Forums formiert hat, weil dort natürlich auch zum Teil gestohlene Kunst ausgestellt wird, vor allem die wenigen Bronzen.“, erklärt Ade.

„Es soll keine Cancel-Culture in Retrospektive sein.“ 

Wie notwendig all das ist, belegen beide Mitglieder mit ihren ganz eigenen Erfahrungen. Bereits strukturell weise das Institut für Asien- und Afrikawissenschaften Diskriminierung auf, etwa wenn Schwarze Dozierenden nur befristete Verträge erhielten oder im Swahili-Sprachkurs nur Dialoge mit den Studierenden üben, während weiße Lehrende die Sprache erklären.

Die Hochschulgruppe setzt sich dafür ein, geschichtsrevisionistische und eurozentristische Perspektiven am Institut zu hinterfragen. Selbst wenn solche Fälle eher selten in den Seminaren vorkämen, so seien manche Veranstaltungen noch immer sehr weiß und cisnormativ. Ein Beispiel hierfür sei die teils sehr einfach gehaltene historische Darstellung Afrikas.

„Wenn du etwa das Seminar über die Geschichte Afrikas belegst, wird Afrika als „Land“ vermittelt, wo man sich als Schwarze Person selbst bewusst ist, dass es keine komplette Geschichte über Afrika gibt. Es gibt verschiedene Geschichten, es gibt Überschneidungen von Kolonialgeschichten, aber trotzdem waren diese Geschichten in den unterschiedlichen Ländern auch verschieden.“, sagt Salina.

Eine Ausdifferenzierung über Afrikas Regionen fände ebenso wenig statt. So wird der sprachliche Raum lediglich in Swahili (ostafrikanisch) und Hausa (westafrikanisch) unterteilt. Zudem würden laut der Black Student Union viele kanonische Texte nicht ausreichend reflektiert. Wenn zum Beispiel Immanuel Kant die Völker Afrikas als in den Kinderschuhen steckend bezeichnet, wird das nicht weiter hinterfragt. „Dieses Argument, dass diese Menschen Produkt ihrer Zeit waren, ist eine ziemlich oberflächliche Strategie, um das so zu reflektieren. Klar heißt das jetzt nicht, dass man deren Theorien verwerfen soll. Es soll keine Cancel-Culture in Retrospektive sein. Es geht einfach darum die Menschen multidimensional zu verstehen und so auch ihre Theorien.“, sagt Ade.

Ein Raum für Pausen 

Wie beide erklären, wolle man zwar einerseits mit der Universität über genau diese Missstände in einen konstruktiven Dialog treten, aber andererseits nicht die kritische Perspektive über die derzeitige Situation verlieren.

Die Black Student Union will nicht nur Missstände aufzeigen, sondern auch einen Raum schaffen, wie Salina erklärt: „Ich habe auch mit Blick auf das kommende Semester gemerkt, dass Schwarze Studierende diese Gruppe hier benötigen. Wir bekommen sehr positive Nachrichten, dass sich die Studierenden darüber freuen, dass es diese Gruppe gibt. Viele haben gar nicht gewusst, dass es eine solche Gruppe gibt.“

Die Black Student Union möchte ihren geschaffenen Raum dafür nutzen, damit Betroffene von ihren eigenen Erfahrungen berichten können. „Und es macht Spaß.“, meint Ade mit Blick auf die alle zwei Wochen stattfindenden Safer Space-Treffen. Die Black Student Union bietet einen Ort zum Netzwerken. An gemeinsamen Grillabenden, etwa im Kreuzberger Community Garden, werden Rezepte ausgetauscht und zusammen gekocht.

Wie Salina erklärt, bieten die Safer Space-Meetings auch eine Pause, sich von dem Druck zu befreien, als Schwarze Studierende politisch aktiv zu sein. Zwar seien auch diese Treffen „mikropolitisch“, jedoch setze man sich den Themen nicht so stark aus wie im universitären Alltag.

Die HU folgt auf Insta 

Von der Universitätsleitung gab es bisher wenig Reaktion, meinen Ade und Salina. Kurz vor Veröffentlichung des Beschwerdebriefes hat es ein Treffen zwischen den Mitgliedern der Black Student Union, Studierenden der Fachschaft und Dozierenden gegeben. Bereits bei diesem Treffen habe man sich einstimmig für einen Wandel und einen konstruktiven Diskurs ausgesprochen.

Ade sagt, die HU sei über ihre Existenz informiert und ein Austausch fände statt. Zu einem Treffen sei es aber noch nicht gekommen. Derzeit arbeitet die Hochschulgruppe noch an einem Konzept, wie ein solches Gespräch aussehen könnte.

„Zu unserem Instagram-Account gab es bisher keine Reaktion seitens der HU.“, sagt Salina dazu. Trotzdem wissen die Mitglieder der Black Student Union, dass das Thema auch außerhalb des eigenen Instituts wahrgenommen wird. Zumindest auf Instagram folgt der offizielle HU-Account ihrem Kanal.


Dieser Text ist in der UnAufgefordert #258 zum Thema „Back to old school“ erschienen. 

Foto: Black Student Union
Zu sehen: Oben (v.l.n.r): Turending, Fenja, Azakhiwe, Mitte (v.l.n.r): Alina, Salina, AdeGanz, Unten: hn.lyonga