Bei der Anhörung des Konzils der Humboldt-Universität stand die Präsidentschaftskandidatin Prof. Dr. Julia von Blumenthal dem Wahlgremium Rede und Antwort. Das novellierte Berliner Hochschulgesetz kam dabei ebenso zur Sprache, wie die überfällige Einrichtung von All-Gender-Toiletten. Dabei blieben jedoch einige Fragen offen, wurden sie doch zum Teil recht vage beantwortet.

Am Dienstag dem 08. Februar traf sich das Konzil der Humboldt-Universität, um die Präsidentschaftskandidatin Prof. Dr. Julian von Blumenthal zu befragen. Von 2014 bis 2018 war Frau von Blumenthal Dekanin der Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät der HU. Somit bewirbt sich eine Humboldtianerin für das höchste Amt der Universität.

Die Crux dabei, wie der studentische Vertreter des Konzils Bengt Rüstemeier anmerkte, ist, dass Frau von Blumenthal die einzige Kandidatin ist. Denn wie die Pressestelle der HU mitteilt, hat Prof. Dr. Joybrato Mukherjee seine Kandidatur kurzfristig zurückgezogen. Seine Entscheidung begründete der Präsident der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) damit, dass im Falle seiner Wahl nur männliche Vertreter Teil des Präsidiums wären.

Somit ist die Wahl eigentlich keine Wahl, wie von Rüstemeier erkannt. Frau von Blumenthal betonte vor dem studentischen Vertreter jedoch, dass es noch immer Aufgabe des Konzils sei, den*die Präsident*in zu ernennen. Es scheint schwierig in diesen Tagen Kandidat*innen für die Präsidentschaft der Humboldt-Universität zu finden. Die Zeiten stehen eher auf Sturm, schließlich muss die HU dringende Fragen beantworten, etwa, wie der akademische Mittelbau langfristig finanzierbar bleibt.

Klare Visionen für die mittelbare Zukunft 

In ihrer zwanzigminütigen Präsentation erklärte die Präsidentschaftskandidatin, warum sie das Amt an der HU bekleiden wolle. Besonderes Interesse erregte hierbei ihre Vision der Humboldt-Universität für 2027. So solle die Universität auch in fünf Jahren noch führend unter den Forschungseinrichtungen der Welt sein. Nicht zuletzt die Exzellenzcluster verdienten, ihrer Meinung nach, besondere Aufmerksamkeit. „Kernelement jeglicher Forschungsstrategie ist das Bewusstsein, dass es auch um die Förderung von Offenheit und Kreativität für die Fragen von morgen geht. Ein bisschen Elfenbeinturm ist notwendig“, sagte Frau von Blumenthal vor dem Konzil.

Mittelfristig befände sich die Universität also in einer guten Position die dringenden Fragen der Gegenwart und Zukunft zu beantworten. Bei diesen Ausführungen fielen manche Themen etwas zu knapp aus. Da gebe es zum Beispiel Fragen der Personalstruktur, wofür jedoch, so die Präsidentschaftskandidatin „nicht Ort und Zeit“ sei, um diese Fragen „tiefgreifend zu besprechen.“

Und doch fragte das Konzilsmitglied Dr. Constanze Baum hier ganz genau nach. So sei es schön eine Vision für die mittelfristige Zukunft zu erarbeiten, so die Doktorandin aus dem Institut für deutsche Literatur, dennoch stelle sich für sie die Frage, was die Vision für 2022 sei.

Es zeigte sich bereits früh in der Anhörung, dass der Paragraf 110, Absatz 6 des novellierten Berliner Hochschulgesetzes nicht ausgespart werden kann. Nach dem erneuerten Gesetz stünden Post-Doktoranden unbefristete Arbeitsverträge zu. Für viele, so Frau Dr. Baum, sei 2022 bereits ein existentieller Zeitpunkt für die weitere Lebens- und Karriereplanung.

Prof. Dr. Julia von Blumenthal scheint hier klare Vorstellungen zu haben: „Befristete Stellen sind notwendig, da die Universität nicht nur interne Laufbahnen anbieten soll, sondern hochqualifizierte, akademische Fachkräfte jenseits ihres eigenen Bedarfs heranbilden muss“, sagte sie.  Nach Wahrnehmung von Frau von Blumenthal herrsche für die Promotionsphase diesbezüglich Konsens. Der Streitpunkt läge jedoch darin, wie weit diese Aufgabe der Universität in die Post-Doc-Phase hineinreicht. „Verstätigungszusagen setzen eine Zielvereinbarung voraus, die unter Mitwirkung Instituts- und Fakultätsexterner Akteure überprüft wird. Sollte dauerhafte Beschäftigung an das Erreichen eines bestimmten Qualitätsniveaus gebunden sein, sei das für alle Beteiligten eine schwierige Aufgabe.“

Eine „Kultur von Zielvereinbarungen, die auch das Nicht-Erreichen der Ziele als Möglichkeit in Betracht zieht“, habe sich, so Frau von Blumenthal, jedoch noch nicht entwickelt. Die Aussagen der Präsidentschaftskandidatin lassen viel Spielraum für Interpretationen und es zeigte sich im Zuge der Anhörung, dass diese Frage für die vorläufige Vision für 2027 noch keine gewichtige Rolle spielt.

Und die Studierenden? 

Prof. Dr. Julia von Blumenthal drängt auf einen kontinuierlichen Dialog. Das soll auch für die Studierenden gelten. „Studierende der Humboldt-Universität sind Teil eines Prozesses der Selbstbildung durch Wissenschaft. Das Studium soll in die Wissenschaft einführen. Zentral dafür ist die frühe Einbindung in Forschungsprojekte, (…)“, so die Kandidatin. Da viele Studierende vermutlich nie in die Forschung gehen werden, stellt sich die Frage, wie nah diese Aussage an der Lebensrealität vieler von ihnen ist. Dass die Universität, so Frau von Blumenthal, das lebenslange Lernen durch eine „Selbstbildung durch Wissenschaft“ ermöglichen solle, wissen die meisten aus ihren Seminaren. Und dass die Digitalisierung auch für die HU eher Neuland ist, konnten Studierende aller Fachrichtung in den letzten drei bis vier Semestern zur Genüge erfahren.

Konkretere Fragen kamen hier von den studentischen Vertreter*innen des Konzils. So stellte Bengt Rüstemeier etwa die Frage nach den Anmeldungsformalitäten durch den Verein Uni Assist. Es ist kein  Geheimnis, dass für ausländische Studierende höhere Bearbeitungsgebühren anfallen, weil die ausländischen Bewerbungen durch den Verein getätigt werden.  Frau von Blumenthal sprach sich diesbezüglich für Mitgliedsbeiträge bei Uni Assist aus, um höhere Kosten für das Bewerbungsverfahren für ausländische Studierende zu vermeiden.

Student*innen und Präsidium auf Augenhöhe? 

Die studentische Vertreterin Hanna Koch fragte nach, wie die Kandidatin auf die Besetzung eines Institutsgebäudes reagieren würde. Frau Prof. Dr. Julia von Blumenthal wird sich noch lebhaft an die Besetzung des Instituts für Sozialwissenschaften 2016 erinnern. Damals war sie Dekanin der Fakultät.

Auch hier parierte Frau von Blumenthal und versprach ein besseres Verhältnis zwischen den Studierenden und dem Präsidium. Demnach wolle sie die verfasste Studierendenschaft, den RefRat und die Fachschaften ansprechen. Bengt Rüstemeier äußerte seine Skepsis dahingehend, ob eine solche angestrebte Verbindung nicht wieder über die Rechtsabteilung der HU laufen würde. Hier wurde die Kandidatin spezifischer und erklärte, dass sie nach Möglichkeit monatliche Gespräche mit dem RefRat einführen wolle. Außerdem wolle sie dem Studierendenparlament anbieten, einmal im Semester anwesend zu sein.

Das funktioniere jedoch nur, wenn beide Seiten dafür bereit seien, und so verlangte Frau von Blumenthal auch „gleichzeitig den Willen, ein solches Verhältnis zu erarbeiten“. Näher auf jene Besetzung von 2016 ging sie jedoch nicht ein.

Trotz vieler eher allgemeiner Formulierungen und Lösungskonzepte wurde Frau von Blumenthal nach eineinhalb Stunden dann doch noch sehr genau. Auf Nachfrage des studentisches Vertreters Lennart Armbrust bezüglich Namensänderungen und All-Gender-Toiletten nannte sie konkrete Lösungsvorschläge. Sicherlich helfen ihr hierbei die eigenen Erfahrungen als Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt Oder.

Dort nämlich würden beide Themen „mit größter Gelassenheit“ umgesetzt werden. „Flächendeckende All-Gender-Toiletten heißt für mich flächendeckend in der Umsetzbarkeit“, sagte sie vor dem Konzil. So müssten die All Gender-Toiletten an ausgewählten Stellen mit Blick auf deren Umsetzbarkeit hin geprüft werden. Diese seien zwar als Zusatzangebot zu betrachten, es bliebe jedoch kein Zweifel daran, dass von Blumenthal dazu bereit sei, dieses Anliegen ernst zu nehmen.

Auch bezüglich der Namensänderung für Dokumente der HU soll es eine Lösung geben. Studierende können bisher innerhalb universitärer Verwaltungsanliegen nur ihren amtlichen Namen angeben. Auch hier könnte es Lösungen geben. Beides, All-Gender-Toiletten und die Frage nach der Namensänderung, würden jedoch „leider nicht mit der gebotenen Geschwindigkeit“ verhandelt werden, so die Präsidentschaftskandidatin. Am Ende stellt sich die Frage, ob die Studierenden solche Fragen mit einer ebenso großen Gelassenheit sehen wie Prof. Dr. Julia von Blumenthal.


Foto: Tyler Callahan / Unsplash

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