Illustration: Milena Bassen

 

 

Nichts. Außer dem durch das Licht der tiefstehenden Sonne blutrot getränktem Brachland, nichts. Rote Erde, ein rot gefärbter Himmel und selbst die Pinien, Zypressen und das viele Gestrüpp leuchten rötlich. Auf einer Anhöhe bleibe ich hastig atmend stehen und blicke auf das leicht vernebelte Tal. Es raschelt. Sonst, Silenzio.

Ich laufe weiter. Vorbei an zerstörten Säulen, einer schäbigen Villa, Hühnern, Schafen und einem trägen, lustlosen Schäferhund. Beim Jupiter! Hier war ich doch schon! Oder? Ich weiß es nicht. Meine Laufschuhe sind nass, mein Shirt verschwitzt, meine Kondition aufgrund von erhöhtem Pizza- und Pastakonsum schlecht und ich habe keinen Plan, keine elektronischen Geräte und keine Leuchtraketen dabei. Natürlich folgt dem großen Vierbeiner mit deutschem Migrationshintergrund kein Besitzer, den ich nach dem Weg fragen könnte. Hier ist niemand. Wäre ja auch zu einfach. Gewiss doch, alle Wege führen nach Rom, aber in Rom, tja, da muss man schon selber klar kommen.

Einem Bächlein folgend, laufe ich auf eine Lichtung zu. Nichts. An der Schläfe höre ich meinen Herzschlag rhythmisch pulsieren. Bald wird es Nacht sein. Spaghettiwesternatmosphäre.

Ein Strohballen, der von rechts nach links über das Feld wirbelt, zirpende Grillen, Musik von Ennio Morricone und ein vagabundierender Antiheld. Es ist exakt die selbe Atmosphäre ohne Strohballen, Grillen und Musik. Der Antiheld aber, der streunt weit weg von seiner Heimat ziellos umher, denn das ist es, was er wirklich will, der Antiheld.

Ziemlich coole Typen, diese Antihelden, die können sich eigentlich gar nicht verlaufen, sind unabhängig und frei, dachte ich kurz in meiner Not. Aber nur kurz. Denn dann wurde es wirklich dunkel und die formlose Landschaft nahm Gestalt an. Sie wurde furchteinflößend. Und der Antiheld, wollte kein Antiheld mehr sein, er wollte nur noch nach Hause, er hatte nämlich in Wirklichkeit eins. Nur wusste er nicht mehr wo.

In der Hoffnung, dass ich mich wieder an den Heimweg erinnere, bin ich also kein Held mehr, sondern erschöpft und setze mich auf einen kräftigen und kalten römischen Stein. Ein richtig römischer Stein, denke ich, der hat seine beste Zeit hinter sich. Die Sitzfläche ist uneben und kühl und bietet doch eine schöne Aussicht auf die Silhouette eines Berges in der Ferne.

Mist!, denke ich erst. Potzblitz!, denke ich dann, denn ein mir nicht bekanntes Tier, erneut auf vier Beinen, springt aus einem Busch. Ich wollte sowieso aufstehen, weil ich mich gerade selber völlig verzweifelt in Laufsachen und mit baumelnden Füßen auf diesem Stein sitzen sehe und dehne nun die Adduktoren im Oberschenkel. Nicht, dass ich mir was zerren würde, aber das sieht immer ganz lässig aus.

Lässig aussehen bringt mich hier aber nicht weiter, und bevor mich wirklich das tragische Schicksal eines Antihelden ereilt, eile ich wieder los. Und siehe da: endlich! Ein Schild! Ich versuche in der absoluten Dunkelheit zu entziffern: Quo..,Quova..,Quo Vadis, da steht es, in den Stein gemeißelt: Quo Vadis?

Aha! Ich laufe, wie ich durch mein Weltwissen schlussfolgere, auf der Via Appia, einer der ältesten Straßen der Welt. Lang ist sie auch, ungefähr 540 km. Auf welcher Höhe ich mich befinde, sagt mir mein Weltwissen leider nicht. Hier begegnete Petrus auf seiner Flucht aus Rom Christus und stellte ihm die berühmte Frage.

Ich begegne niemandem.

Als wäre es nicht genug, dass ich nachts zwischen Grabmälern, Ruinen und Katakomben auf Vulkansteinen durch das längste Museum der Welt irre, werde ich zu allem Übel von einem Schild, von dem ich eigentlich Hilfe ersehnte, gefragt, wo ich denn bitte hingehe. Und das um diese Zeit? Ich würde dem Schild gerne antworten, bin aber mit meinem Latein am Ende.

Eine halbe Ewigkeit später stehe ich dann doch in meiner Küche. Ich bin wieder ein Held. Spaghettiatmosphäre.