Ehrlich! Wer hat am 12. Juli das StuPa gewählt? Über diese Frage werden sich viele Studierende der HU wundern. Das ist nur zum Teil Schuld des Studierendenparlaments der HU. Manchmal müssen Student*innen sich auch an die eigene Nase fassen.

Wählen zu gehen, ist ein Grundrecht – nur wird es recht oft aus verschiedenen Gründen nicht wahrgenommen. Niedrige Wahlbeteiligung ist auch in Deutschland nichts Neues – die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wartete mit einer historisch niedrigen Beteiligung von gerade einmal 55,5 Prozent der Berechtigten auf. Da überrascht es kaum, dass gerade bei Student*innen die Wahlbeteiligung nicht wirklich hoch ist, denn: Studieren ist hart, Studieren ist mühsam, Studieren ist wie ein Job. Laut „WirtschaftsWoche“ müssen fast 75% der Studierenden in Deutschland zusätzlich auf einen Nebenjob zurückgreifen, um sich durch den Monat zu bringen. Auch die UnAuf befasste sich bereits mit dem Thema. Studieren ist zeitaufwendig, kostet einige Anstrengung und ist manchmal sogar erfolglos. Das sind keine Plattitüden, sondern die Lebensrealitäten vieler Student*innen in Deutschland. Und dabei ist das Studieren hierzulande noch vergleichsweise billig, überall flüstert man von den berüchtigten Studiengebühren in anderen Ländern. Daraus folgt, dass das Studium im Normalfall volle Tage bedeutet, wenig Freizeit und wenige freie Wochenenden. Bei manchen mehr, bei anderen weniger. Aber ist das eine Entschuldigung, nicht zu wählen?

An der Humboldt Universität zu Berlin gibt es, wie gesetzlich vorgeschrieben, eine studentische Repräsentation, die über einige Rechte verfügt. Frei, geheim und gleich gewählt, besitzt sie sogar einen Namen: StuPa. Das Studierendenparlament der HU vertritt alle ca. 40.000 Student*innen der HU. Es entscheidet über ein gewisses Budget, das sich aus den Studiengebühren speist. Es kann bei Personalentscheidungen mitreden und hilft den Student*innen aktiv. Aus den Reihen des StuPa rekrutiert sich der RefRat, ein etwas sperriges Akronym für eine Ansammlung von überaus nützlichen Fachreferaten. Sie beschäftigen sich mit sozialen Belangen, sie stellen einige Auskunft über die Zustände bezüglich Antisemitismus und Rassismus an der HU. Und sie unterstützen Initiativen, um das Studieren mit Kindern zu erleichtern – allein dafür wurden 2018 über 130.000 Euro ausgegeben (neuere Daten sind leider nicht zugänglich). Betreuer*innen wurden zum Beispiel bezahlt. Darüber hinaus wird der Kinderladen „Die Humbolde“  betrieben. Es könnte also als Binsenweisheit gelten, dass das StuPa wichtig ist und wichtige Arbeit leistet.

Vielleicht ist es auch eine Binse, aber wenn, dann ist sie unbekannt. Kaum jemand weiß an der HU um das StuPa und seine Arbeit – nur so lassen sich die notorisch niedrigen Wahlbeteiligungen erklären. Nicht ganz richtig, eine andere Erklärung ist ebenfalls möglich: Völliges Desinteresse.

Hochschulpolitik ist langweilig

Desinteresse an Hochschulpolitik – und das am politischsten Ort, den es gibt! Universitäten waren einer der Geburtsorte der Demokratie, zumindest in Deutschland. Studenten (damals waren keine Frauen an den Universitäten erlaubt) trugen die demokratische – wenngleich erfolglose – Revolution von 1848. Sie wollten mitbestimmen, weil sie einen besseren Einblick in die Arbeit des Staates hatten. Heute ist das nicht mehr so, durch Massenmedien und breite Bildung haben die meisten Deutschen die Kompetenz, Politik zu verstehen. In dieser Hinsicht haben die Hochschulen also ihre Position als zentraler Ort der Demokratie verloren. Unwichtig ist die Demokratie dort deswegen nicht.

Woher das Desinteresse kommt, ist eine Debatte für einen anderen Ort. Da geht es um Gesellschaftskritik und Politikverdrossenheit. Aber Fakt ist: Fehlende Information ist nur zum Teil das Problem. Wer sich fleißig in den Verteiler des Referats für Öffentlichkeitsarbeit einträgt, erhält die Informationen zur Wahl knapp, aber rechtzeitig. Wer sich fragt, welche Rechte ein*e Student*in eigentlich hat (nicht nur Pflichten), braucht nur eine kurze Recherche, um das StuPa zu finden. Es stimmt, das StuPa geht nicht gerade auf die Studierenden zu, um sie für Hochschulpolitik zu interessieren, aber es versteckt sich auch nicht.

Das Problem – denn Wahlbeteiligungen von durchschnittlich zwei (in Worten: Zwei) Prozent sind ein Problem – liegt nur zum Teil bei der Politik selbst. Die Student*innen der HU, übrigens auch der FU, scheinen der Hochschulpolitik nichts abgewinnen zu können. Und auch das liegt nur zum Teil daran, dass oft Sand im Getriebe des StuPa knirscht. Die Student*innen interessieren sich schlicht nicht für Hochschulpolitik.

Zeit ist Geld, Wählen ist wichtig

Geschenkt – Zeit ist rar im Studium, von Geld ganz zu schweigen. Soviel ist klar. Dasselbe Argument könnte benutzt werden, um Hochschulpolitik völlig abzuschaffen – hat doch sowieso niemand Zeit dafür, kostet nur Geld. Und wie viel Geld eigentlich? Einer der hauptsächlichen Grundsätze, warum Wählen zu einem Recht wurde, ist die allseits bekannte Phrase „No taxation without representation“. Denn Geld überweisen die Student*innen an das StuPa: genau 8,50 Euro im Semester. Wer Geld überweist, überweist auch Verantwortung. Es läge im Interesse der Student*innen, die Verwalter*innen dieses Beitrages zu kontrollieren. Und Kontrolle wird mit Wahlen ausgeübt. Ganz abgesehen davon gibt es noch andere Möglichkeiten: Die Sitzungen des StuPa sind, in der Tat, für Student*innen öffentlich, jede*r darf das Wort ergreifen. Es gibt ja auch Einiges zu verantworten – wenn ca. 40.000 Studierende ihre Semesterbeiträge überweisen, kommen mit einigem Anderen fast 800.000 Euro zusammen. Was sich mit diesem Geld doch alles anstellen ließe! Wer meint, am StuPa gäbe es keine Gestaltungsmöglichkeiten, lügt sich in die eigene Tasche.

Es gibt unzählige Pflichten, die ein*e Student*in zu erfüllen hat. Beiträge entrichten, Bewerbungen abschicken, Vorlesungen besuchen, Modulbögen hervorkramen, Agnes verstehen, um Seminarplätze kämpfen. Das Recht zu wählen sollte dabei nicht ignoriert werden.


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