Fast zwei Drittel aller Studierenden arbeiten neben dem Studium, die Hälfte davon für ihren Lebensunterhalt. Doch oft sind Studium und Nebenjob kaum miteinander zu vereinen. Drei Studierende berichten, ob und warum sie arbeiten und wie sie sich finanzieren.

Die Ansprüche, die an Studierende gestellt werden, sind hoch. Wer es schaffen möchte, in Regelstudienzeit zu studieren, muss viel Zeit und Kraft investieren. Das können auch mal mehr als 40 Stunden die Woche sein. Am Wochenende in die Bib, bis spät in die Nacht lernen und Hausarbeiten schreiben. Sogenannte Semesterferien, haben den Namen nicht wirklich verdient. Was ist aber, wenn die Eltern die Studiengebühren, die Wohnung und das Leben nicht finanzieren können? Eine Option ist Bafög. Das funktioniert aber nur so lange, wie die Studierenden die Regelstudienzeit einhalten. Kann der*die Studierende (im Bachelor) aus irgendeinem Grund nach dem vierten Semester nicht die geforderten 120 Leistungspunkte nachweisen, fällt die staatliche Studienunterstützung weg. Ein Grund, weniger als die geforderten Punkte zu leisten, kann auch sein, dass das Bafög nicht gereicht hat und es nötig war, neben dem Studium zu arbeiten. Der monatliche Höchstsatz liegt für Studierende unter 25 bei 752 Euro und für Studierende ab 25 bei 861 Euro. In Städten, wie Berlin, in denen ein kleines WG-Zimmer mitunter auch mal 500 Euro kosten kann, ist das nicht viel. Den Höchstsatz bekommen auch nicht alle, denn Bafög ist meistens elternabhängig.

Nur 4 Semester Bafög – und dann?

Laut dem Deutschen Studentenwerk arbeiten fast zwei Drittel aller Studierenden in Deutschland und für die Hälfte von ihnen ist das verdiente Geld notwendig für den Lebensunterhalt. Wenn aber zwei bis drei Tage die Woche, je nach Job, zum Lernen und Seminare Besuchen wegfallen, ist es kaum noch möglich, in Regelstudienzeit zu studieren. Der 450-Euro-Job reicht aber auch nicht mehr, wenn nach dem 4. Semester das Bafög wegfällt. Dann wird es nötig, mehr Tage die Woche zu arbeiten und darunter leidet dann wiederum das Studium. Ist es überhaupt möglich die Studienzeit mit Freizeit zu füllen? Oder sich Projekten oder Praktika zu widmen, die es mittlerweile zwingend braucht, um nach dem Studium auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen?

Drei Studierende erzählen von ihren Erfahrungen mit Studieren und Arbeiten, wie ihr Zeitmanagement funktioniert und was sie an dem aktuellen Finanzierungssystem fürs Studium ändern würden.

 

Keine Zeit zum Arbeiten

Kira ist 27 und studiert BWL im Bachelor an der FU Berlin im Zweitstudium. Im Wintersemester beginnt ihr 5. Fachsemester.

UnAuf: Willst du in Studienregelzeit studieren?

Kira: Ja, genau. Ich habe schon einen Bachelor und möchte deswegen möglichst schnell mit meinem zweiten Bachelor jetzt fertig werden.

UnAuf: Arbeitest du neben dem Studium?

Kira: Nein. Ich würde eigentlich gerne arbeiten, aber ich schaffe das zeitlich nicht, eben weil ich in Regelstudienzeit studieren möchte. Aufgrund der Zeit, die ich fürs Studieren brauche, funktioniert das leider nicht.

UnAuf: Wie finanzierst du dein Studium?

Kira: Ich habe das große Glück, dass meine Eltern mich finanziell unterstützen können.

UnAuf: Was müsste sich verändern, damit sich Arbeit und Studium besser vereinen lassen?

Kira: In meinem Studium ist zum Beispiel ein Praktikum vorgesehen, allerdings im Verlaufsplan erst im letzten Semester. Ich halte mich momentan strikt an den Verlaufsplan, weil ich glaube, dass ich damit am besten fahre. Ich fände es aber besser, wenn das Praktikum schon früher angesetzt wäre. Dann könnte man das Praktikum auch als Werkstudierenden-Tätigkeit nutzen. Sodass man neben den theoretischen Modulen auch praktische Erfahrungen sammelt.

 

Der HiWi-Job am Institut macht flexibel

Florian ist 26 Jahre alt und gerade fertig geworden mit seinem Master in Mathematik, den er an den Bachelor im gleichen Fach angeschlossen hat. Er hat an der TU in Berlin studiert – nicht in Studienregelzeit: Für den Bachelor hat er sieben und für den Master sechs Semester gebraucht.

UnAuf: Hast du neben dem Studium gearbeitet?

Florian: Ja, ich habe im Master im zweiten Semester angefangen zu arbeiten. Ich war studentische Hilfskraft in der Forschung in der Mathefakultät hier.

UnAuf: Warum hast du gearbeitet neben dem Studium?

Florian: Ich hatte den Plan, nach meinem Master direkt einen Doktor zu machen. Deswegen wollte ich mehr in die Forschung reinkommen. Das heißt ich habe mich hier an der Fakultät nach Forschungsstellen umgesehen, weil ich dachte, die zehn Wochenstunden kann ich gut erübrigen und eventuell bekomme ich durch den Job ein paar Kontakte. Außerdem wollte ich herausfinden, ob ich wirklich in die Forschung gehen möchte. Die Hilfskraft-Stelle war also gut, um ein bisschen mehr in den Bereich reinzuschnuppern.

UnAuf: Der Grund warum du arbeiten wolltest, war also kein finanzieller, sondern eher auf deine spätere Karriere bezogen?

Florian: Als ich angefangen habe, gab es noch keinen finanziellen Drang, zu arbeiten, da ich zu dem Zeitpunkt noch Bafög bekommen habe. Irgendwann habe ich das nicht mehr bekommen und da konnte ich die 450 Euro extra schon sehr gut gebrauchen. Spätestens nach dem vierten Semester im Master hätte ich mich dann also so oder so nach Jobs umgesehen aus finanziellen Gründen. Das Geld brauchte ich dann, um mein Studium zu finanzieren.

UnAuf: Lassen sich für dich Studium und Arbeit gut miteinander vereinen?

Florian: Ich habe da wahrscheinlich Glück gehabt, dass ich einen Job direkt an der Uni bekommen habe. Das heißt, es gab zum Beispiel keine Fahrtzeiten zur Arbeit. Gleichzeitig hatte ich hier an der Uni ein Büro, also einen Ort, an dem ich meine Sachen lagern konnte oder lernen, wenn die Bib mal voll war. Dadurch, dass es außerdem thematisch noch sehr zu dem gepasst hat, was ich studiert habe, ließen sich bei mir Arbeit und Studium gut vereinen. Mein Zeitmanagement hat auch gut funktioniert, da ich meine Arbeitszeiten flexibel einteilen konnte. Ich glaube, wenn es diese Flexibilität nicht gibt, ist es weitaus schwieriger, Studium und Arbeit zeitmäßig gut zu organisieren.

UnAuf: Hat dein Studium länger als die Regelstudienzeit gedauert, weil du gearbeitet hast, nebenher?

Florian: Das hat mit reingespielt, war aber definitiv nicht der Hauptgrund.

 

Nachtdienste, um das unbezahlte Jahrespraktikum in der Klinik zu finanzieren

Die 27-jährige Josi studiert Humanmedizin. Momentan absolviert sie ihr praktisches Jahr in Berlin. Regelstudienzeit wären 13 Semester, sie macht ein Jahr länger.

UnAuf: Arbeitest du neben dem Studium und wenn ja warum?

Josi: Ja, weil mein Bafög nicht reicht, um mich zu finanzieren.

UnAuf: Findest du, dass sich Arbeit und Studium gut miteinander vereinen lassen?

Josi: Ich glaube, das ist phasenweise unterschiedlich. Manchmal lässt es sich gut vereinbaren und manchmal wiederum nicht. Das korreliert zum Beispiel mit Prüfungszeiten oder praktischen Phasen, die mehr Arbeitszeit im Studium erfordern.

UnAuf: Was für Jobs hattest du schon neben dem Studium?

Josi: In den ersten drei Studienjahren bis zum ersten Examen nicht möglich gewesen, zu arbeiten. Danach habe ich dann angefangen als wissenschaftliche Hilfskraft zu arbeiten in der Radiologie. Ich habe immer auf 450 Euro-Basis also etwa 9 Wochenstunden gearbeitet. In dem Jahr, das ich länger studiert habe, aufgrund meiner Doktorarbeit, was übrigens vom Studierendenwerk als Hobby bezeichnet wird, habe ich glücklicherweise ein Stipendium erhalten für meine Auslandspromotion. Dann habe ich viele Stunden in der Gastro gearbeitet, also Saisonkraft. Aktuell mache ich Bereitschaftsdienste nachts und am Wochenende.

UnAuf: Woran liegt es, dass sich Arbeit und Studium phasenweise gut und wiederum phasenweise schlecht kombinieren lassen?

Josi: Das ist zum einen abhängig davon, wie flexibel sich dein Studium deinen anderen Plänen anpassen lässt. Bei mir war es viele Jahre so, dass ich Pflichtveranstaltungen hatte und dadurch für den Job zum Geld verdienen sehr flexibel sein musste. Da war der HiWi-Job perfekt, denn ich konnte arbeiten, wann ich wollte. Allerdings war es auch nicht immer so flexibel, wie ich mir das gewünscht hätte. In meinem Freisemester, indem ich meine Doktorarbeit vorbereiten wollte und gleichzeitig ein unbezahltes Pflichtpraktikum hatte, musste ich, nachdem ich um 18 Uhr vom Praktikum kam, oft noch abends arbeiten. Da dachte ich mir, das kann ja auch nicht der Sinn eines Freisemesters sein, indem ich eigentlich die Doktorarbeit habe schreiben wollen. Aktuell lassen sich die Nachtdienste auch gut kombinieren, aber zum Beispiel der Gastrojob, den ich zwischenzeitig hatte, ließ sich schwer mit dem Studium vereinbaren.

UnAuf: Jetzt gerade bist du im letzten Teil deines Studiums, also im sogenannten Praktischen Jahr und arbeitest in der Klinik. Dafür bekommst du kein Geld, richtig?

Josi: Nee, ich bekomme lediglich Essensmarken für die Cafeteria in der Mensa. Deswegen muss ich nebenher noch Arbeiten.

UnAuf: Was würdest du ändern wollen bezüglich der Finanzierung für das Studium?

Josi: Also ich würde mir mehr Flexibilität der Studierendenwerke wünschen. Beziehungsweise eine grundlegende substantielle Versorgung für Studierende. Ich finde, man ist immer sehr in der Bringschuld, muss viel darlegen und beweisen. Ich finde es auch schwierig, dass Bafög elternabhängig ist, das hat nämlich zu viele intime Dynamiken inne, die das Studierendenwerk nicht erfassen kann. Ich bin der Meinung, dass wer dieses Geld einfordert und sich damit auch bereit erklärt, einen Teil davon wieder zurückzuzahlen, der hat es irgendwo auch nötig. Es gibt einfach Phasen im Studium, die mal in Vollzeit erledigt werden müssen. Wichtig ist auch, dass wir ein bisschen von der Mandatsregel Regelstudienzeit abkommen, was Bafög-Verpflichtungen angeht. Mir wurde beispielsweise aufgrund der Promotion kurzerhand das Bafög gestrichen. Glücklicherweise bekomme ich durch Corona für das praktische Jahr nun doch Bafög, aber ohne dem, wäre es für mich deutlich schwieriger diese Zeit finanziell zu bewerkstelligen, denn ich verdiene ja nichts für meine Arbeit in der Klinik. Letztendlich finde ich schwierig, wie unterschiedlich Praktika anerkannt werden, je nach Branche. Wenn ich von manchen, die in der freien Wirtschaft mit einem nicht abgeschlossenen Bachelorstudium Praktika machen, höre, was sie verdienen, wird mir schlecht, wenn ich daran denke, dass ich zwei Examen abgelegt habe und sechs Jahre studiert habe und noch keinen Cent dafür sehe, dass ich morgens um sieben Uhr am Patient*innen-Bett stehe.

UnAuf: Du hast länger studiert als im Verlaufsplan vorgesehen. Hat das damit zu tun, dass du arbeiten musstest neben dem Studium?

Josi: Vor allem hat das mit der Promotion zu tun, aber auch mit meinem persönlichen Wunsch danach, nochmal zur Seite zu steppen und mir auch die Zeit und die Muße für diese Promotion zu nehmen, weil das Medizinstudium extrem verschult ist, an den verschiedensten und meisten Standorten in Deutschland. Es wird einem ein halbes Jahr für eine Promotion eingeräumt, was utopisch bis dystopisch ist.


Foto: Jessie McCall/unsplash.com (l.), Tim Reckmann/flickr.com (r.)

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