Vielen Studierenden liegen Nachhaltigkeit und Klimaschutz sehr am Herzen. Gleichzeitig haben sie in der Regel nur ein begrenztes Budget zur Verfügung, und sehen sich gezwungen, irgendwo Abstriche zu machen.

Würde jedes Mal, wenn ich rätselnd im Supermarkt stehe, weil ich nicht weiß, ob die eingeschweißte Bio-Gurke nachhaltiger ist als die konventionelle, unverpackte Gurke, ein Baum gepflanzt, stünde es um unsere Wälder wahrscheinlich um einiges besser. In konventionellen Supermärkten nachhaltig einkaufen ist zeitaufwendig, frustrierend und oft auch schlicht unmöglich. Doch meinen Wocheneinkauf im Biomarkt zu erledigen, würde mein monatliches Budget bei weitem übersteigen. So gerne ich den fair gehandelten, bio-zertifizierten Kakao kaufen würde, durch dessen Erlös Förderprojekte in fernen Ländern unterstützt werden, muss ich doch irgendwo Grenzen ziehen und versuchen, eine Balance zwischen Nachhaltigkeit und Erschwinglichkeit zu finden.

Wann immer ich mich für ein teureres, weil nachhaltiges Produkt entscheide, grenze ich mein Budget ein und entscheide mich damit automatisch gegen grüne Alternativen für andere Produkte, die ich benötige, sowie andere Dinge, die ich gerne tun würde. Entscheide ich mich beispielsweise dafür, mit meinem Ersparten eine fair und klimaneutral hergestellte Jeans zu kaufen, weil ich die gebraucht einfach nie in meiner Größe finden kann, bedeutet das gleichzeitig, dass kein Geld übrig ist für die Sonnencreme ohne Nanopartikel oder ein Konzertticket. Es ist ein ständiges Abwägen und Entscheiden mit dem Wissen, dass es nur selten die optimale Lösung gibt.

Davon abgesehen, dass dieser Prozess oft gar nicht so einfach ist, weil Greenwashing inzwischen bei fast jedem Produkt inklusive ist, ist er auch sehr zeitaufwendig und zermürbend. So ein Einkauf dauert bei mir schnell mal doppelt so lange, weil ich ständig abwägen, googeln und Etiketten lesen muss. Nachhaltiges Leben ist und bleibt in Deutschland also ein Privileg, ganz besonders in Bezug zum Finanziellen. Selbstverständlich sind Studierende bei weitem nicht die einzigen, die es sich nicht leisten können, konsequent nachhaltig zu konsumieren. Doch gerade die Studienphase ist oft geprägt von einem nach Konsequenz verlangenden Idealismus, der jedes Nachgeben bei Themen, die einem am Herzen liegen, besonders schlimm erscheinen lässt. Nicht nach den eigenen Prinzipien handeln zu können, schmerzt, besonders bei einem so dringlichen Thema wie dem Klimaschutz.

Natürlich kenne ich inzwischen sämtliche Tipps und Tricks, die einen zumindest etwas nachhaltigeren und trotzdem budgetfreundlichen Einkauf ermöglichen. Plastikfreie Lebensmittel gibt es kiloweise auf jedem Wochenmarkt, saisonale Erzeugnisse sind dort zudem meist erschwinglich. Klamotten lassen sich günstig und klimaschonend am besten gebraucht kaufen und die zahlreichen darauf spezialisierten Apps machen diese Option auch immer zugänglicher für Menschen außerhalb der Großstädte. Auch gibt es Tauschbörsen und Nachbarschaftsgruppen, die miteinander teilen und so unnötige Käufe und Kosten ersparen.

Nachhaltig zu leben ist zeitaufwendig

Und doch bleibt es ein Privileg, da es bei mir im Kiez keinen Wochenmarkt gibt und es demnach ein deutlicher Mehraufwand für mich ist, für den Einkauf extra in den nächsten Bezirk zu fahren. Mich stundenlang durch Second-Hand-Läden zu kämpfen auf der Suche nach einer neuen Jacke macht manchmal Spaß, ist aber bei dringenden Käufen selten von Erfolg gekrönt und sehr viel zeitintensiver, als online bei einem Fast-Fashion-Anbieter ein billiges Modell zu bestellen. Gleiches gilt für Tauschbörsen, denn in Situationen, die kein langes Warten oder Flexibilität erlauben, ist es viel leichter, einfach schnell etwas zu kaufen, das weder klimagerecht hergestellt noch jemals wieder von mir benutzt werden wird.

Solange dem so ist und nachhaltiges Konsumieren immer bedeutet, mehr Geld, Zeit oder Aufwand zu investieren als die herkömmliche Alternative, wird die Mehrheit stets zu Letzterem greifen. Vorwerfen kann man es ihr nicht. Ich selbst gehöre ja oft dazu, wenn auch stets begleitet von Gewissensbissen und mächtig Wut über die Gesamtsituation.
In einer Welt, in der junge Menschen zu Tausenden auf die Straße gehen, um für mehr Klimaschutz und Klimagerechtigkeit zu demonstrieren, und in der eben jene Generation von den Politiker*innen geflissentlich ignoriert wird, ist diese Situation besonders unbefriedigend. Es mangelt an konkreten Maßnahmen, die die Verantwortung ein Stück weit von den Konsument*innen hin zu den Unternehmen und Herstellern verschiebt. Schließlich sind sie es, die durch ambitioniertes Handeln sehr viel mehr in kürzerer Zeit erreichen können, als ich mit meiner Entscheidung für dieses oder jenes nachhaltige Produkt.

Ein erster Schritt wäre beispielsweise, für mehr Klarheit zu sorgen, welche Produkte denn nun wirklich den Titel nachhaltig verdient haben und bei welchen es sich schlicht um Greenwashing handelt. Unabhängig anerkannte Zertifikate, prominent auf dem Produkt platziert und leicht erkennbar, würden es Konsument*innen erlauben, bewusste Kaufentscheidungen zu treffen, die auch tatsächlich ihren Werten entsprechen und gegebenenfalls einen höheren Preis rechtfertigen. Doch es braucht auch ein größeres Angebot an klimafreundlichen Waren, damit der Wettbewerb mit der Zeit die Preise senkt und jene Produkte für alle erschwinglich macht. Dafür muss die Politik Anreize setzen, da wir nicht die Zeit haben, auf Eigeninitiative der Unternehmen zu warten. Dies kann in der Form einer Steuer auf klimaschädliche Rohstoffe geschehen oder durch die Förderung besonders nachhaltiger Produktionsverfahren und Inhaltsstoffe. Fest steht, dass nachhaltiges Leben keine Luxusentscheidung sein darf, sondern zum Alltag werden muss. Bislang ist es ist ein hoher Preis, als Studierende zu versuchen, nachhaltig zu leben. Doch die Alternative ist der ökonomische Bankrott.


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