Ständig reden wir von Dingen, die wir ausprobieren wollen und viel zu oft bleibt es bei dem Gedanken. In unserer Rubrik „Einmal im Leben“ ändern wir das. Diesmal: ein falsch positiver Schwangerschaftstest! Denn manches wollen wir nicht unbedingt ausprobieren, aber es passiert einfach.

„Ihr Test ist schwach positiv.“ Wie bitte?! Ich muss mich wohl verhört haben. Und was soll das überhaupt bedeuten, schwach positiv? Die Gynäkologin fragt mich irgendetwas, aber ihre Worte dringen kaum zu mir durch, so laut rattern meine Gedanken. Ich hatte die Pille doch nur einmal vergessen, sogar laut Packungsbeilage zu dem Zeitpunkt nicht allzu problematisch…oder? Eigentlich bin ich wegen einer Blasenentzündung in die Praxis gekommen. Meine Nachfrage, ob ich theoretisch schwanger sein könnte – reine Sicherheitsmaßnahme. „Ihre Blutgruppe?“, wiederholt die Ärztin und mein Gedankenkarussell ändert abrupt seine Richtung. Kleine Schweißperlen beginnen, sich auf meiner Stirn zu sammeln. Ich kenne meine Blutgruppe nicht – und das als Medizinstudentin. Sie schaut mich erwartungsvoll an. „A negativ?“, frage ich also leise in den Raum hinein und bereue es im selben Moment. Könnte es sein, dass die Ärztin sich allein auf meine Antwort verlässt? Was, wenn eine falsche Angabe meinem Baby schadet? MEINEM BABY?!?

Oh Gott. „Wir machen jetzt einen Ultraschall.“ Die Stimme der Ärztin holt mich in das Untersuchungszimmer zurück und bringt direkt die nächste Panikwelle ins Rollen. Was, wenn ich schon etwas sehen würde? Vielleicht gar den Herzschlag wie meine Freundin im ersten Ultraschall ihrer ungeplanten Schwangerschaft. Der Lautstärke zufolge schlägt mein Herz jedenfalls schon für zwei. Mit bleischweren Beinen schleppe ich mich in die Kabine, um mich „untenrum frei“ zu machen. Im Versuch, mich zurück auf den Boden der Tatsachen zu holen, überschlage ich im Kopf die Wahrscheinlichkeit, einen Herzschlag zu sehen. Ab welcher Woche war nochmal der Embryonalkreislauf…? Ich komme zu dem Schluss, dass ich im nächsten Semester besser aufpassen sollte.

So verlasse ich also die Umkleide und mache mich auf alles gefasst. „Gut, dass ich das mit der vergessenen Pille doch noch erzählt habe“, höre ich mich witzeln, als ich auf den Stuhl klettere. Kurz darauf erscheint auf dem kleinen Bildschirm links von mir mein schwarz-weißer Uterus und ich bin vorerst erleichtert: kein kleiner Körper in mir erkennbar. Ich erschrecke über meine eigenen Gedanken. Wann bin ich Opfer fundamental christlicher Propaganda geworden?

Die Ärztin erklärt mir, dass wir mittels des Schwangerschaftshormons β-HCG im Blut mehr erfahren würden. Es könnte ja auch sein, dass der Test falsch positiv ist. „Erstmal noch keine Panik“, meint sie. In zwei Tagen werde sie mir das Ergebnis telefonisch mitteilen. Keine Panik. Haha. Zwei Tage werde ich mit dem Gedanken verbringen müssen, dass vielleicht gerade etwas in mir heranwächst – aber keine Panik, easy.

My body, my choice

Ich entscheide mich in dieser Zeit für einen Mittelweg aus Heulkrämpfen, Witzen über meinen dicken Bauch und ernsthaften Überlegungen darüber, was ich im Zweifelsfall tun werde. Dabei ist es nicht das erste Mal, dass ich mit der Sorge, schwanger zu sein, konfrontiert werde. Wie für die meisten Menschen mit Uterus steht dieses Szenario für mich schon sehr lange im Raum. Mit vierzehn musste ich das erste Mal wegen eines gerissenen Kondoms in Begleitung meiner Mutter ins Provinz-Krankenhaus fahren. Dort durfte ich mir dann Vorwürfe à la, wie ich denn auf die Idee käme, schon durch die Gegend zu vögeln und dabei noch nicht einmal die Pille zu nehmen, von der diensthabenden Ärztin anhören. Damals, als die „Pille danach“ noch nicht rezeptfrei in der Apotheke erhältlich war.

Es folgte der erste Schwangerschaftstest mit kichernden Freundinnen auf der Starbucks-Toilette, nachdem meine Menstruation nicht pünktlich eingesetzt hatte. Das erste von vielen weiteren Malen auf einen kleinen weißen Streifen starren und hoffen, dass es – bitte bitte – nur bei einer Linie bleibt. Meine Angst, schwanger zu werden, war daraufhin so groß, dass ich lange sowohl mit Pille als auch mit Kondom verhütete. Sogar für den, angesichts dieser Verhütungsmethode sehr unwahrscheinlichen, Fall der Fälle hatte ich schon bald einen Plan. Sollte ich einmal ungewollt schwanger werden, würde ich abtreiben.

Und doch merke ich in diesen zwei Tagen, dass es in der Realität dann leider nicht ganz so einfach ist. Ich beginne damit, meinen Körper genau zu beobachten, und bin zeitweilig hundertprozentig sicher, schwanger zu sein. Ich spüre ‚etwas in meinem Uterus‛, merke, dass ‚mein Körper sich verändert hat‛ und frage mich an einem Punkt sogar, ob ich schon Muttergefühle für das Ding in mir entwickle. Irgendwann werde ich wütend. Wütend auf eine Welt, in der nur Menschen mit Uterus solche Sorgen haben. Wütend auf Männer, die sich durch die Welt bumsen können, ohne die Konsequenzen tragen zu müssen. Wütend, weil am Ende ich es bin, die die Entscheidung fällen muss. In diesen Tagen wird mir allerdings auch zum ersten Mal das damit einhergehende Privileg bewusst. Ich muss nicht nur, ich darf die Entscheidung treffen. Ich kann selbstbestimmt entscheiden, ob ich ein Kind bekommen möchte. Die andere Person muss sich, wenn es hart auf hart kommt, beugen.
My body, my choice.

Keine (leichte) Entscheidung

Dennoch lastet das Gewicht dieser Entscheidung schwer auf meinen Schultern. Mein Leben wird nicht mehr das gleiche sein, denke ich mir, egal wie ich mich entscheide. Was, wenn ich die Entscheidung bereue, wenn ich eine Abtreibung bereue? Ich streite mich mit meinem Freund, weil er der Meinung ist, so eine Aussage würden nur Abtreibungsgegner*innen tätigen. Außerdem sei eine Abtreibung ja quasi wie Verhütung. Ich protestiere vehement und erkenne mich selbst nicht wieder, als ich auf einmal vom „potentiellen Leben“ spreche. Obwohl mein Freund seine Behauptung später teilweise revidiert, wird mir die Diskussion nicht mehr aus dem Kopf gehen. Kann man diese Situation, dieses Gefühl als Person, die nicht schwanger werden kann, überhaupt nachvollziehen?

Dabei weiß ich nicht einmal, ob ich überhaupt Kinder bekommen möchte. Geschweige denn, ob ich mit meinem jetzigen Freund für immer durch ein Kind verbunden sein will. Ich habe gerade ein zweites Studium begonnen, suche seit Ewigkeiten eine Wohnung. Kurzum: Ich bin dabei, mein eigenes Leben zu ordnen, und will nicht auch noch die Verantwortung für ein weiteres tragen müssen. Vor allem aber möchte ich diese Entscheidung nicht treffen müssen.

Das Gedankenknäuel habe ich noch nicht entknotet, als ich zwei Tage nach dem Gynäkologiebesuch zitternd auf den Anruf der Praxis warte. „Ich fühle mich leer, da ist nichts, nur diese Angst. Die Angst, vor der ich mich mein Leben lang gefürchtet habe“, notiere ich in meinem Tagebuch. Natürlich meldet sich die Praxis dann nicht, wie besprochen, um 11 Uhr. Die Ärztin habe noch Sprechstunde und rufe gleich zurück. Aus „gleich“ werden vier Stunden. Irgendwann am Nachmittag, als die Stresshormone langsam aufgebraucht sind und die Aufregung meinem Körper die restliche Grübelenergie ausgesaugt hat, dann der ersehnte Anruf. „Der Test war negativ, sie müssen nicht noch einmal wiederkommen“, flötet die Praxishelferin aus dem Hörer. Und ich? Die Anspannung fällt nicht wie erwartet von mir ab. Ich kann dem Ganzen nicht trauen. Sollte es das gewesen sein? Gehöre ich wirklich zu dem einen Prozent mit falsch positivem Schwangerschaftstest? Ich lasse mir die Befunde schicken, vergleiche meine mit den normalen β-HCG-Werte, mache noch einen Schwangerschaftstest zu Hause – jedes Mal das gleiche Ergebnis: nicht schwanger. Wie konnte das sein? Hatte ich mir das wirklich alles nur eingebildet?

Ein Gedanke jedenfalls bleibt: Es ist gut möglich, dass ich in meinem Leben tatsächlich einmal ungeplant schwanger sein werde; eine komplett sichere Verhütungsmethode existiert bislang nicht. Umso wichtiger, dass jede Entscheidung gesellschaftlich akzeptiert und vor allem legal ist. Denn schwer genug kann sie, und das habe ich nun erfahren, sowieso schon sein.


Dieser Text ist in der UnAufgefordert #260 zum Thema „Aktenzeichen HU“ im Juni 2022 erschienen.

Foto: Laura Ohlma/ unsplash