Irgendwann habe ich mal 50 Gründe fürs Laufen aufgeschrieben. Jetzt will ich einen Marathon laufen und keiner scheint mir Grund genug dafür zu sein mich dieser Quälerei hinzugeben. Ich hoffe einfach auf meinem Leidensweg zur erfolgreichen Marathoni 50 Weitere zu entdecken.

Laufen ist in seinen Anfangszügen keine spaßige Angelegenheit. Das gilt für Anfänger*innen, die noch nie gejoggt sind, aber auch genauso für Läufer*innen, die lange Pausen von ihrem Training genommen haben. Zwar setzt die Frustration bei Letzteren nicht direkt beim ersten Trainingslauf ein, doch dass sie spätestens der zweiten Lauf an die eigenen Frustrationsgrenzen treibt ist gewiss. Denn der zweite Lauf nach einer langen Pause ist die Hölle und meist ein Beinchenstellen des Universums gegen das eigenen Ego, das nach dem ersten großartigen Lauf nicht aufgeplusterte hätte sein können.

Beim ersten Lauf nach einer langen Trainingspause nimmt man sich erstmal eine kurze Strecke vor. Wer zuvor regelmäßig trainiert hat steigt mit lockeren 4-5 Kilometern wieder ein. Eine gute halbe Stunde ist man unterwegs, die perfekte Zeit: 30 Minuten, eine halbe Stunde. Es ist die unterste Grenze von dem, was Läufer, die nicht mehr in den Kinderschuhen stecken, absolvieren sollten. Lang genug, damit man länger unterwegs ist als bei einem Einkauf fürs Abendessen, aber auch nicht zu lang als dass man damit den perfekten Wiedereinstieg in das Lauftraining riskieren könnte. Und sind wir mal ganz ehrlich, „Ich war heute 20 Minuten joggen“ klingt nun wirklich nach nichts.

In dieser ersten halben Stunde beim Wiedereinstieg ins Training schwebt man förmlich. Jeder Muskel und jede Sehne im Körper fühlt sich stark an und bereit allen Strapazen Widerstand zu leisten. Lange, starke Schritte tragen einen durch die Stadt. Ihr Aufprall auf den Asphalt ist kaum zu spüren, denn der Fuß verweilt nur für den Bruchteil einer Sekunde auf dem Boden. Dann hebt er und der gesamte Körper wieder ab und man bewegt sich mit einer Geschwindigkeit weiter, von der man ausgeht, dass sie auf diesem unebenen Gehweg selten erreicht worden sein kann.

Übermorgen will ich direkt wieder, denkt man sich, aufgeladen vor Euphorie. All diese positiven und starken Emotionen, die dieser großartige erste Lauf hervorgerufen hat verpuffen mit dem zweiten Lauf direkt im Nichts. Denn alles tut weh und mit jeder Bewegung quält man sich ein paar Zentimeter weiter. Ein Blick auf die Uhr: 12 Minuten unterwegs, nicht mal die Hälfte geschafft. Bei 20 Minuten beginnt die erbärmliche Schnappatmung und man scheint endgültig an den letzten Reserven zu kratzen. Sich aufrecht zu halten ist kaum noch möglich. Man will den Kopf in den Nacken fallen lassen, vor Verzweiflung über das körperliche Versagen und vor Wut darüber, mal wieder auf die Euphorie des ersten Laufes hereingefallen zu sein – doch dafür ist keine Energie mehr übrig.

Die beiden Lauferfahrung sind schlussendlich das, was mich überhaupt beim Training hält. Die erste, die energetische und überaus positive Erfahrung, die mir zeigt, was sein kann, wozu mein Körper und ich im Stande sind. Die zweite zeigt mir dann, dass ich noch lange nicht soweit bin aus dem Stand jedes Mal einen Lauf wie den ersten zu laufen und zwingt mich dann einen Gang runterzuschalten.

Ich zwinge mich langsam zu laufen, nicht los zu preschen, sondern die Geschwindigkeit langsam zu steigern. Ich erinnere mich daran, vor dem Lauf genügend zu trinken und mir vielleicht eine Flasche Wasser mit auf die Strecke zu nehmen. Denn am Ende läuft es für diese Situation auf dieselben Regeln hinaus wie für Laufanfänger*innen. Der einzige Unterschied zwischen den beiden ist die Tatsache, dass Läufer*innen, die „nur“ pausiert haben, ihre Strecke am Stück durchlaufen können sollten – theoretisch.