„Man will doch nur, dass der andere einen will. Aber das soll der von selbst wollen. Warum will der das nicht?“, ruft Irené trotzig ins Publikum der Box des Deutschen Theaters. Die Bühne ist in grünliches Licht getaucht, in ihrer Hand hält sie einen glänzend pinken Herzluftballon, der mit Helium gefüllt gen Himmel drängt, und wirkt so verloren wie man auf der kleinen Bühne nur wirken kann und dabei doch stolz und ungebrochen. Es ist der Auftakt von Ferdinand Schmalz’ Stück „der herzerlfresser“, das an diesem Abend unter der Regie von Ronny Jakubaschk aufgeführt wird.

Ein paar Tage vor der Eröffnung eines Einkaufszentrums in der österreichischen Provinz werden in dem umgebenden Sumpf zwei Frauenleichen ohne Herz gefunden. Rudi (Harald Baumgartner), der Bürgermeister, besorgt um sein Prestigeprojekt, beauftragt den Nachtwächter Andi (Thorsten Hierse) mit der Suche nach dem Täter, dem sogenannten Herzerlfresser. Unterstützung bekommt er dabei von Florentina (Lorna Ishema), die in dem Sumpf lebt, und Irené (Isabel Schosnig), die mit ihrem Fußpflegestudio ins Einkaufszentrum zieht und heimlich für den Bürgermeister schwärmt. Doch die Protagonisten sind nicht nur auf der Suche nach dem Frauenmörder, sondern auch auf der Suche nach der Liebe. Die Bühne wird zum Irrgarten, geschaffen aus ein paar Spiegeln und der passenden Beleuchtung, durch den die Protagonisten auf ihrer Suche munter stolpern, humpeln, tanzen, abwechselnd untermalt von Akkordeon- und Gitarrenklängen.

Es entspinnt sich eine Groteske, die halb Provinzposse ist, halb Abhandlung über die Liebe. Es geht um die tiefe Einsamkeit und den Wunsch, eins zu werden mit einem anderen, um Konsumkritik, Geltungssucht und Globalisierung. Alles vorgetragen mit bitterbösem Humor und geistreichem Wortwitz. Ferdinand Schmalz ist einer, der der Sprache auf den Grund geht, sie seziert und gleichzeitig rauschhaft mit ihr spielt. Ein Akrobat, der mit Worten jongliert, dass dem Zuschauer ganz schwindelig wird. Jeder Satz hat einen doppelten Boden, hinter der vordergründigen liegt eine weitere Bedeutung. Redewendungen wie „jemanden zum Fressen gern haben“ oder „das Herz einer Frau erobern“ verselbständigen sich, werden wörtlich genommen und treiben so die Handlung voran.

Diese unglaubliche sprachliche Dichte und Vieldeutigkeit sind eine große Stärke. Doch manchmal überfordern sie den Zuschauer auch. Ab und an möchte man beinahe „Stopp“ rufen, um den letzten Satz in Ruhe wirken zu lassen oder noch einmal hören zu können, ihn zu ergründen, überhaupt gänzlich zu erfassen. Dass man als Zuschauer bei diesem Sprachzirkus nicht ganz den Kopf verliert, liegt vor allem an Ronny Jakubaschks Inszenierung und der überzeugenden Leistung seiner Darsteller: Jakubaschk setzt Schmalz’ verschachteltem Text große Gesten, grelle Kostüme und bunte Perücken entgegen. Dabei wirkt diese Überzeichnung der Figuren nie unpassend, sondern trägt zu einer erstaunlichen Leichtigkeit und Komik der Inszenierung bei. Insbesondere Harald Baumgartner sorgt mit seiner Darstellung des biederen Provinzpolitikers, der nach Höherem strebt, für viele komische Momente. Wie ein großer Reigen dreht sich die Inszenierung immer schneller, bis sie den Zuschauer am Ende etwas atemlos, aber äußerst vergnügt zurücklässt.

 

 

„der herzerlfresser“

Deutsches Theater

Regie: Ronny Jakubaschk

Bühne und Kostüm: Matthias Koch

 

Nächste Aufführung:

  1. März 2017, 19.30 Uhr

Karten: 12€, ermäßigt 6€