Studentische Selbstverwaltungen in Deutschland sollen die Interessen der Studierendenschaft an ihrer Hochschule vertreten. Für sie ist es wichtig, alle Studierenden gezielt mit Informationen versorgen zu können. Das kann über Mailverteiler der Hochschulen geschehen, die alle Studierenden erreichen. Doch an der HU und anderen Hochschulen haben studentische Vertreter*innen nur einen eingeschränkten Zugriff auf solche Verteiler. Das zeigt eine gemeinsame Recherche studentischer Medien im Rahmen des Projekts „Warum wählst Du?“ des gemeinnützigen Recherchezentrums CORRECTIV.
Eigentlich erreicht die studentische Selbstverwaltung die rund 33.000 Studierenden der HU über einen E-Mail-Verteiler. Doch Auseinandersetzungen zwischen RefRat und HU-Leitung sowie Datenschutzbedenken erschweren aktuell die Kommunikation über den Verteiler.
Eingeschränkter Zugriff für den RefRat
An der HU hat der RefRat nur eingeschränkten Zugriff auf den Verwaltungs-E-Mail-Verteiler „refrat-an-studis“, der alle Studierenden direkt erreichen kann. Ausschließlich zur Wahrnehmung originärer Kernaufgaben, wie Termin- oder Wahlbekanntmachungen, darf dieser Verteiler genutzt werden.
Dabei dürfe er jedoch selbst über die Versendung des Inhalts der Nachrichten entscheiden, teilte der RefRat auf Anfrage der UnAufgefordert mit. Die Hochschule zensiere die Nachrichten weder noch verändere sie diese. Das Verschicken eines Newsletters sei allerdings nicht möglich.
Dafür sei der RefRat auf einen eigenen Mailverteiler mit doppelter Zustimmung angewiesen, der eine deutlich geringere Reichweite habe. Bei diesem Verfahren trägt man sich mit einer E-Mail-Adresse in einen Verteiler ein und erhält anschließend eine Bestätigungs-E-Mail, um die Anmeldung abzuschließen und Informationen zu erhalten. Für den RefRat eine Hürde, um alle Studierenden schnell und direkt erreichen zu können.
Doch das war nicht immer so. Bis zum Juni 2018 konnte der RefRat den Mailverteiler „HU-an-Studis” nutzen, der laut RefRat noch „sehr viel freier bespielt werden konnte”. Dieser zentrale Verteiler wurde allerdings im Zuge der Neuregelung der Datenschutz-Grundverordnung von der Hochschulleitung abgeschaltet. Laut HU-Pressesprecher Hans-Christoph Keller wäre ein Weiterbetrieb unter den neuen Anforderungen nicht möglich gewesen. Bei Verhandlungen im Dezember 2018 einigten sich Hochschule und RefRat auf die Option der doppelten Zustimmung beim Mailverteiler.
Da die jeweiligen Zugangsmöglichkeiten zu E-Mail-Verteilern an deutschen Universitäten stark variieren würden, vermutet der RefRat in der Abschaltung des Mailverteilers durch die HU einen Eingriff in die studentische Selbstverwaltung.
Ein eingeschränkter Mail-Verteiler ist die Regel
Wie unsere gemeinsame Recherche mit anderen Studierendenmedien zeigt, haben Studierendenvertreter*innen häufig nur einen eingeschränkten Zugriff auf Mailverteiler mit allen Studierenden.
An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz müssen etwa Mails des AStA, der dem RefRat entspricht, vom Präsidialbereich genehmigt werden. Das haben Recherchen des Hochschulmagazins Campus Mainz ergeben. 2013 hätten sich Studierende bei der Hochschule beschwert und die Informationsflut beklagt, zu der sie auch teilweise AStA-Mails gezählt hätten. Seither ist die Genehmigung notwendig. Wie AStA und Univerwaltung Campus Mainz mitteilen, komme es dabei aber nicht zu Einmischungen oder Veränderungen der Mails durch die Hochschule.
Die Situation an der Ruhr-Universität in Bochum ist ähnlich, wie Recherchen der Bochumer Stadt- und Studierendenzeitung zeigen. AStA und StuPa können hier eine Anfrage an das Studierendensekretariat stellen, wenn sie eine Mail über den Verteiler mit allen Studierenden verschicken wollen. Studierendensekretariat und Rektorat prüfen dann, ob sie die Mail für relevant halten.
So haben nur wenige ASten die Möglichkeiten und die Infrastruktur, ihre Studierenden direkt zu erreichen und über ihre Arbeit zu informieren. Das schwächt die studentische Demokratie.
Dass es auch anders geht, zeigt die Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) in Jena. Wie die Hochschulzeitung Akrützel berichtet, hat der dortige Studierendenrat freien Zugang zu dem Mailverteiler der Hochschule. Wie Martin Schmidt, Vorstandsmitglied des Studierendenrats der EAH, gegenüber Akrützel erklärt, sei das nicht immer so gewesen. Wichtig sei für die Regelung das gegenseitige Vertrauen gewesen, das sich zwischen Universitätsleitung und Studierendenrat im Laufe von Gesprächen ergeben habe.
Daran könnte sich auch die HU orientieren, auch wenn es hier aktuell nur wenig Dialog zwischen Uni-Präsidium und RefRat gibt. Der RefRat möchte aber nach eigener Aussage in der nächsten Zeit wieder auf das HU-Präsidium zugehen, um für eine Verbesserung der Vereinbarung einzutreten.
Dieser Artikel ist Teil einer Kooperation mit dem gemeinnützigen Recherchezentrum CORRECTIV. Im Rahmen des Rechercheprojekts „Warum wählst Du?” untersucht CORRECTIV zusammen mit 24 studentischen Partnermedien die Situation der Demokratie an deutschen Hochschulen. Mehr Informationen unter: https://correctiv.org/crowdnewsroom/warum-waehlst-du/