Auch wenn der Friday ja mittlerweile themenpolitisch anders besetzt ist – der Feminist Friday der UnAuf ist zurück! Diese Woche geht es um glatte Frauenbeine und einen kleinen Selbstversuch

In letzter Zeit, genauer gesagt seit die tropischen Temperaturen das Tragen langer Hosen unmöglich machen, werden meine Beine ungewöhnlich oft gemustert. Egal ob im Schneidersitz auf der Wiese sitzend oder in der U5 Beine überschlagend – behaarte Frauenbeine ziehen die Blicke auf sich. Manchmal steckt in den Blicken nur Neugier und manchmal sogar Zuspruch, aber häufig auch einfach Überraschung. Überraschung darüber, dass auch Frauenkörper ausgeprägt behaart sein können. Denn während bei Männern Körperbehaarung ganz selbstverständlich hingenommen wird, geben sich Frauen die größte Mühe so zu tun, als hätten sie gar keine – von Natur aus selbstverständlich. Darum wird rasiert, epiliert, gesugared und gewaxed.

Selten bilde ich mir ein, auch etwas Bewunderung in den Blicken lesen können. Aber sollte die Bewunderung nicht eher den Frauen gelten, die ihren Körper regelmäßig sisyphosartig einer Enthaarung entziehen? Die viel Zeit und Energie darauf verwenden, sich morgendlich akribisch die stetig nachwachsenden Beinhaare zu entfernen? Bereits als junge Teenager*innen werden Mädchen an die Konvention herangeführt, dass Männerkörper stark und haarig sind, während Frauenkörper zierlich und haarlos aussehen. Und wenn sich Mädchen während der Pubertät zu Frauen entwickeln, sollte der weibliche Körper weiterhin möglichst prä-pubertär und haarlos bleiben.

Schönheitsideal vs. Selbstbestimmung

Aber ist das etwas, das Frauen als expliziten Zwang erleben? Auf Nachfrage geben die meisten Frauen an, sich mit glatter Haut einfach wohler und schöner zu fühlen. Dieses Empfinden ist für mich gut nachvollziehbar und absolut verständlich. Allerdings bin ich mir gleichzeitig nicht sicher, ob sich das eigene Wohlbefinden von dem geltenden Schönheitsideal lösen lässt. Der sogenannte Mere Exposure-Effekt aus der Psychologie drückt genau das aus: Allein dadurch, dass wir Dinge oft sehen, mögen wir sie. Also alleine dadurch, dass wir tagtäglich rasierte Frauenkörper sehen, empfinden wir sie als ästhetisch.

Damit ist aber keinesfalls Frauen die Eigenständigkeit ihrer Entscheidungen abgesprochen. Ganz im Gegenteil: Der moderne Dritte-Welle-Feminismus ist pink, gestylt und popkulturell. Jede Art von selbstbewusster, solidarischer Existenz wird als emanzipiert aufgegriffen. Damit distanziert sich der heutige Feminismus klar von seiner engstirnigen Sicht der 80er-Jahre und erweitert den Begriff Weiblichkeit auch um eine stärker sexualisierte Komponente. Die Erfüllung von Schönheitsidealen, in diesem Fall die Haarentfernung, ist also nicht zu verteufeln, aber mindestens zu reflektieren: Wessen Ansprüche werden erfüllt – die eigenen oder die der Gesellschaft?

Ein Selbstversuch

Wie viel Aufwand und auch Schmerz nehmen Frauen denn überhaupt auf sich, um diesen Vorstellungen zu entsprechen? Das wolle ich für die neue Ausgabe der UnAuf („FAKE“) herausfinden und habe darum einen Termin in einem Waxing-Studio bei mir im Kiez vereinbart. Den ausführlichen Bericht könnt ihr im Heft nachlesen – an dieser Stelle deshalb nur so viel: Waxing ist nicht nur teuer und zwickt, sondern ist auch ziemlich langweilig. Eine halbstündige Prozedur, die nur darauf abzieht, auch das letzte störende Haar für die nächsten vier Wochen zu entfernen. Der Blick in den Mülleimer, in den die Wachsstreifen wandern, erschreckt mich: All das, um dem Ideal der glatten Frauenbeine hinterherzujagen?

Meinem Empfinden nach ist aber nicht der Schmerz und der Aufwand der Haarentfernung das hauptsächliche Problem, sondern vielmehr die Unmengen an Gedanken, die Frauen sich über die Haarlosigkeit ihres Körper machen. Besonders dann, wenn aus der gedanklichen Unsicherheit tatsächlich Einschränkungen entstehen. Wenn Frauen sich nicht schön oder begehrenswert fühlen und sich darum die Freiheit nehmen, spontan schwimmen oder auf ein Date zu gehen.

Es wird darum Zeit für veränderte Sehgewohnheiten! Wenn ich behaupte, dass ich meine eigenen Beine mit Haaren genauso schön finde wie ohne, dann stimmt das nicht. Noch nicht, hoffe ich. Denn ich glaube daran, dass mit der Zeit ein Wandel im ästhetischen Empfinden passieren kann. Die Illusion, dass Frauen genauso glatte Haut wie Mädchen haben, ist mit all ihren Implikationen super problematisch. Dafür braucht es allerdings Vorreiter*innen, die für mehr Sichtbarkeit einstehen. Wäre es nicht großartig, wenn Frauen bald ganz unbefangen ihre Körperbehaarung tragen oder je nach Lust und Laune auch nicht tragen könnten?