Wer hilft Opfern von sexualisierter oder häuslicher Gewalt? An wen kann man sich wenden, wenn man vergewaltigt wurde? Betroffene fühlen sich oft hilflos und wissen nicht, wo sie am besten Unterstützung erhalten können. Weiterhelfen können Anlaufstellen wie die Gewaltschutzambulanz (GSA) der Charité. Wir stellen vor: Eine Einrichtung, die etwas bewegen möchte

„Haben Sie körperliche Gewalt erfahren?“ steht auf der Visitenkarte der Gewaltschutzambulanz. Darunter: „Dann können Sie Ihre Verletzungen kostenlos rechtsmedizinisch bei uns dokumentieren lassen – auch ohne polizeiliche Anzeige!“

Die Visitenkarte hat abgerundete Ecken, ist mit schweißabweisendem Material beschichtet und mit einer Notfall-Nummer versehen.
„Rufen Sie uns an!“
Nichtvorhandene Ecken und diese besondere Oberfläche helfen dabei, dass man die Karte gut und bequem verstauen kann. Eine Frau könnte sie sich also im Notfall auch in den BH stecken und damit durch den Tag kommen.
Vielleicht ist das ja nötig, damit beispielsweise ihr Ehemann es nicht sieht. Oder ihr Bruder, oder wegen wem auch immer sie in erster Linie zur GSA kam. Für manche kann eine solche entdeckte Karte ein Todesurteil sein.

In der Gewaltschutzambulanz können Verletzungen dokumentiert und beurteilt werden, die einem durch andere Menschen angetan wurden. Solche Dokumentationen sind wichtig, falls man die Tat zur Anzeige bringen möchte und dann vor Gericht Beweise braucht. Bei der GSA gibt es keine medizinische Behandlung, nur die Dokumentation der Verletzungen, sollten diese also akut sein, sollte man sich zuerst an einen Arzt oder eine Rettungsstelle wenden. Nach der Untersuchung und Dokumentation hat man ein Jahr Zeit zur Anzeige, solange werden die Daten wie Fotos und DNA-Spuren in der GSA aufbewahrt. Der schriftliche Bericht über die Dokumentation wird bis zu zehn Jahre verwahrt. All das ist kostenlos und vertraulich.

Durch die enge Kooperation mit Berliner Beratungsstellen werden nicht nur die Verletzungen dokumentiert, sondern den Betroffenen und ihren Familien auch konkrete Hilfsangebote an die Seite gestellt. So kann beispielsweise die Weitervermittlung an die Berliner Opferhilfe, LARA (Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen*), den Weissen Ring (bundesweit tätiger Opferhilfeverein für Opfer von Kriminalität und Gewalt), Stop-Stalking oder BIG (Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen) organisiert werden.

Wichtig: Die Gewaltschutzambulanz hilft aber nicht nur Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind. Denn hier geht es um alle Arten von gewaltbetroffenen Personen. Es ist hierbei erstmal egal, ob es sich um häusliche Gewalt, sexualisierte Gewalt, interpersonelle Gewalt, Kindesmissbrauch oder Verletzungen im Arbeitsalltag handelt (hier besonders betroffen: im Dienst gewalttätig verletzte Polizist*innen oder Sanitäter*innen). Wer nicht aus eigenem Antrieb die GSA aufsucht, wird oft von Polizei, Jugendamt, Arztpraxen, Frauenberatungsstellen oder Opferhilfeeinrichtungen weitergeleitet.

Auch immer willkommen sind Mitarbeiter*innen von öffentlich-sozialen Einrichtungen und Medizinisches Fachpersonal, die sich beraten oder weiterbilden lassen wollen.

Die Berliner Gewaltschutzambulanz ist Teil der Rechtsmedizin an der Charité und konnte am 17. Februar 2014 dank der finanziellen Unterstützung der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz ihre Arbeit aufnehmen. Auf ihrer Website wird versichert:

„Alles geschieht in Absprache mit Ihnen und mit Ihrem ausdrücklichen Einverständnis. Hierfür nehmen wir uns in einer geschützten Atmosphäre Zeit und Ruhe für Sie. Wir unterliegen der Schweigepflicht, auch gegenüber der Polizei und den Gerichten. Wenn Sie es wünschen, kann eine weiterführende Beratung bei uns oder eine Weiterleitung zu anderen Einrichtungen organisiert werden.“

Zu beachten ist: Wenn es um sexualisierte Gewalt geht (hierzu zählt zum Beispiel Vergewaltigung), dann muss die Untersuchung und Dokumentation der Verletzungen nach einer Anzeige bei der Polizei in einer der Charité Rettungsstellen stattfinden und nicht in den Räumen der Gewaltschutzambulanz selbst. Hauptgrund hierfür ist, dass bei der Untersuchung von Vergewaltigungsopfern ein*e Gynäkolog*in oder bei betroffenen Männern ein*e Chirurg*in dabei sein muss und diese nicht bei den Ärztinnen in der GSA arbeiten.

Wer (noch) keine Anzeige erstatten möchte, der kann auch ohne polizeiliche Hilfe selbstständig zur GSA gehen und sich untersuchen lassen. In diesem Fall kann eine vertrauliche Spurensicherung (VSS) auch ohne polizeiliche Anzeige nach sexualisierter Gewalt in den Räumlichkeiten der Rettungsstellen der Charité – Universitätsmedizin Berlin stattfinden.

Diese kann bis zu 72 Stunden nach der Tat stattfinden. Hierbei werden DNA-Spuren gesichert, die dabei helfen können, den Täter oder die Täterin festzustellen. Solche findet man beispielsweise in Speichel, Sperma oder Hautschuppen. Je früher eine betroffene Person die Spuren sichern lässt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, brauchbare DNA zu finden.

Neben der möglichen Weitervermittlung an Beratungsstellen werden Opfern von sexualisierter Gewalt auch die Pille danach und Impfungen gegen Hepatitis B und C, sowie Tetanus, inklusive späteren Kontrolluntersuchungen angeboten.

Ein Paar Dinge sind zu beachten, wenn man einen Termin vereinbaren möchte: Damit die Dokumentation wirklich rechtssicher ist, muss man sich mit einem Passbild auf Personalausweis, Pass oder Krankenversicherungskarte ausweisen können. Mitzubringen sind außerdem: falls vorhanden ärztliche Befunde, die im Zusammenhang mit der aktuellen Gewalttat stehen, sowie die Vorgangsnummer, wenn bereits eine Anzeige bei der Polizei erstattet wurde. Für eine Untersuchung muss dringend vorher ein Termin vereinbart werden. Bei der Terminabsprache kann auch geklärt werden, ob ein Gebärden- oder Sprachdolmetscher benötigt wird.

Am wichtigsten ist aber: Egal ob mit Anzeige oder ohne, ob bei häuslicher Gewalt oder Vergewaltigung, die Berliner Gewaltschutzambulanz kann Opfern helfen. Selbst wenn man seine Verletzungen nicht dokumentieren lassen möchte oder nicht selbst zur GSA kommen kann (wer ein Krankenhaus, Frauenhaus oder eine Zufluchtsstelle nicht verlassen kann, kann von der mobilen GSA aufgesucht und beraten werden), kann ein Anruf mehr helfen, als man vielleicht denkt. Bei der GSA wird man ernst genommen, nicht verurteilt und vor allem mit viel Zeit und Ruhe beraten. Eine Einrichtung, die man im Hinterkopf behalten sollte.

 

 

 

Wer eine Beratung oder Unterstützung in Betracht zieht, der kann sich unter folgenden Kontaktdaten an die Charité wenden:

Gewaltschutzambulanz
Rechtsmedizinische Untersuchungsstelle
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Turmstr. 21, Haus N
10559 Berlin

Für die rechtsmedizinische Untersuchung und Dokumentation in der Gewaltschutzambulanz muss unbedingt ein Termin vereinbart werden.

Telefonische Sprechzeiten:
Montag bis Freitag:
08:30 – 15:00 Uhr

Tel.: +49 30 450 570 270

Untersuchungen:
Montag bis Freitag:
08:00 – 16:00 Uhr

http://gewaltschutz-ambulanz.charite.de/

 

 

Illustration: Laura Haselmann