Feminismus ist mainstream geworden. Viele Unternehmen verkaufen sich in der Werbung und auf Instagram als Feminist*innen. Doch was steckt hinter diesem Marketing?

Vor circa zwei Jahren wollte L´Òreal in die Feminismus-Offensive gehen. Lena Meyer-Landruth wurde dafür der sogenannte “Feminist Look” geschminkt. Das Unternehmen wollte im Zuge dessen eine Lidschattenpalette vermarkten –  die “Feminist Palette”. Die Farbauswahl: Rosa, grün, lila, schwarz. Die Aussage sollte wohl sein: Du kannst dich schminken und gleichzeitig Feminist*in sein.

Daran gibt es nichts zu rütteln. Sich zu schminken und feministisch oder politisch aktiv zu sein, schließt sich nicht aus. Doch die Aussage aus dem Mund eines Unternehmens zu hören, das seit Jahrzehnten festschreiben möchte, was “schön”, “angesagt”, “weiblich” und somit “erlaubt” ist, stieß vielen auf.

Das Video wurde einen Tag später gelöscht, weil es Kritik hagelte: Kann es einen feministischen Look geben? Wie soll der aussehen?

Implizit wollte L´Òreal mit der Palette genau das weiter praktizieren, was das Unternehmen schon seit Jahren tut: Über das Aussehen von Frauen bestimmen. Der Subtext von L´Òreal war nicht nur, dass Schminken als Feminist*in in Ordnung ist – sondern viel expliziter: Wer sich mit dieser Palette schminkt, wird zum*zur Feminist*in.

Auch Catrice, eine andere Kosmetikfirma, nennt eine der Farben im Sortiment der Lipglosse “Feminista”. Im Vergleich zu den anderen Farben ist dieser Ton leuchtender und weniger rosa.

Solche Marketingstrategien von Unternehmen sind nie willkürlich. Welchen Grund hat es also, dass  “Feminismus” als Thema, als Bezeichnung von Produkten und sogar von Looks immer häufiger genutzt wird?

Den Unternehmen ist nicht entgangen, dass in den letzten Jahren der Alltagsdiskurs um Feminismus populärer geworden ist. Bei Google Trends ist zu erkennen, dass in Deutschland seit 2011 jährlich die Suchanfragen zum Begriff steigen und um den 8. März, dem Weltfrauentag, besonders in die Höhe gehen. Mit dem wachsenden gesellschaftlichen Interesse an “Feminismus” wurde von Betriebswirt*innen eine neue Käufer*innengruppe erkannt: Die Feminist*innen.

Wie sieht diese neue Zielgruppe aus?

Unter Feminist*innen ist die Frage, wer eine*r ist, schon immer umstritten. Versuche, festzulegen, wer sich so nennen darf, will oder kann, sind häufig im Streit geendet. Feminist*innen in der Geschichte waren also schon immer divers: mal sozialistisch (wie in den Anfängen), mal biologistisch, mal kulturalistisch, mal liberal.

Den Unternehmen wie Catrice und L´Òreal ist diese Vielfalt von Feminismus egal. Hauptsache, das Wort, als Adjektiv oder Substantiv, steht auf ihren Produkten, da es ausdrückt, dass sich das Unternehmen mit gesellschaftlich relevanten Themen befasst. Was der genaue Inhalt des Begriffs ist und welcher Diskurs sich dahinter verbirgt, ist den Firmen nicht wichtig.

Deswegen handelt es sich bei dem “feministischen” Anstrich, den sich L´Òreal und Catrice geben wollen, keineswegs um einen revolutionäre Anspruch, der von vielen Feminist*innen gefordert wird, sondern um eine Aneignung des Begriffs. Und diese Aneignung hört bei Feminismus nicht auf: Es betrifft genauso die LGBTQIA+ Community (“pinkwashing”), behinderte Menschen (“able washing”), antirassistische Bewegungen (“diversity washing”) und ökologische Bewegungen (“green washing”).

Jede Art von “washing” ist perfide. Forderungen von sozialen und politischen Bewegungen  werden so zum Teil einer Marketingsmaschinerie. Während sich die Unternehmen als Heilsbringer*innen, die für Repräsentanz und Gerechtigkeit sorgen, präsentieren, versperren sie sich gegenüber tatsächlicher gesellschaftlicher Veränderung.

Die Unternehmen wollen gefallen und so mehr verkaufen. L´Òreal und Catrice haben zwar ihr Marketing geändert – aber nichts weiter. Das haben sie nicht aus feministischem Veränderungswillen getan, sondern um einer Zielgruppe zu gefallen, die sie neu entstehen sehen. Der Fokus liegt auf Profit. Es geht nicht um das Infragestellen von (patriarchalen) Hierarchien. Die Unternehmen und Influencer*innen, die für sie werben, präsentieren sich und ihre Produkte der Welt, ohne an den realen, kapitalistischen Verhältnissen irgendwas zu ändern oder ändern zu wollen.

Für eine Veränderung der Verhältnisse braucht es mehr als ein “Feminismus-Siegel” auf Produkten, die uns eigentlich gesünder, schlanker oder hübscher machen sollen. “Mehr Feminismus” bei Produkten bedeutet nicht “mehr Gerechtigkeit” – es bedeutet vor allem “mehr Profit”.


Illustration: Céline Bengi Bolkan