Die Blogger von Münkler-Watch bleiben anonym. | © bokica/123rf.com


Herfried Münkler und das Blog Münkler-Watch sind das hochschulpolitische Thema der Woche, das sogar ein bundesweites Medienecho ausgelöst hat. Die UnAufgefordert bietet eine Übersicht über den Streit und zeigt drei Theorien, wer hinter dem Blog steckt.

Wer ist Herfried Münkler?

Professor Herfried Münkler ist seit 1992 Inhaber des Lehrstuhls für Politik am Institut für Sozialwissenschaften der Berliner Humboldt-Universität (HU). Er prägte den Begriff der “Neuen Kriege” und der “asymmetrischen Kriegsführung”, einer Kriegsführung, die sich der Ressourcen der Gegner bedient. Die Terroristen, die die Flugzeuge in das World Trade Center steuerten, bedienten sich dieser Kriegsführung. Münkler plädiert als Politikberater für eine starke Rolle der deutschen Außenpolitik. Er ist Mitglied im Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und ein beliebter Gast in Talkshows und Gesprächspartner überregionaler Zeitungen und Magazine.

Was ist Münkler-Watch?

Münkler-Watch ist ein Blog, das auf der Seite hu.blogsport.de betrieben wird. Die Seite wird vom Berliner Serverbetreiber blogsport gehostet, der sich und seinen Kunden einen hohen Datenschutz eingeräumt hat. Deshalb ist es nicht möglich, über das Internet die Autoren des Blogs ausfindig zu machen. Sie bezeichnen sich selbst als kritische Studierende des zweiten Semesters. Unter dem Pseudonym spricht Caro Meyer – bewusst weiblich oder männlich – für die Gruppe. Bisher hat Meyer nur der Jungen Welt ein Interview gegeben.

Um welche Veranstaltung geht es?

Herfried Münkler hält dienstagvormittags die Vorlesung “Politische Theorie und Ideengeschichte”. Es ist eine Einführungsveranstaltung für das zweite Bachelorsemester, ergänzt um Grundkurse zur Diskussion der Literatur.

Worüber wird gestritten?

Der Blog Münkler-Watch fasst wöchentlich die Vorlesung zusammen und beklagt, Münkler vertrete sexistische, militaristische und eurozentristische Positionen. Außerdem kritisieren die Blogger Münklers Doppelrolle als Wissenschaftler und Politikberater. Doch viele Studierende sind sagen, Münkler-Watch reiße Zitate aus dem Zusammenhang und verdrehe ihre Bedeutung.

Auf der Literaturliste von Münklers Vorlesung stehen Hobbes, Bodin und Machiavelli, der Staatsrechtler Carl Schmitt oder auch Hannah Arendt. Münkler-Watch kritisiert die Literaturauswahl als eurozentrisch. Verteidiger entgegnen, im Zentrum der Vorlesung stünde die europäische Ideengeschichte und nicht etwa die politische Theorie (Post)Kolonialer Systeme.

Verschärft wird die Debatte dadurch, dass sich beide Seiten unangemessene Diskussionformen und Ausdrucksweisen vorwerfen. Die Blogger zeigen kein Gesicht, sie bleiben anonym, um ihre akademische und berufliche Laufbahn zu schützen. Münkler bedient sich gelegentlich einer scharfen Rhetorik und Militär-Metaphern, die Blogger nannte er “erbärmliche Feiglinge.” Die werfen ihm hingegen vor, zu wenig Diskussionsräume für kritische Studierende zu bieten.

Welche Haltung hat die Fachschaft und das Institut für Sozialwissenschaften?

“Wir haben lange über Münkler-Watch diskutiert. Es gibt keine einheitliche Haltung“, sagt Robert Vief, Mitglied im Fachschaftsrat und studentischer Vertreter im Institutsrat. So gebe es kaum Studierende, die uneingeschränkt alle Punkte von Münkler-Watch teilen. Die Fachschaft ist sich laut Vief darin einig, das Recht der Kritik an Lehrenden, auch in der Form als Blog, zu verteidigen. Sie schließt sich aber dem institutsübergreifenden Statement an, dass dabei nicht persönlich diffamiert werden solle. Bereits 2014 veröffentlichte die Fachschaft ein Statement, in der sie Münklers Rolle als Experte kritisiert – nicht aber seine Lehre.

Wer steht hinter Münkler-Watch?

Trotzkisten, Studierende der Gender Studies oder nur Studierende des zweiten Semesters?

Herfried Münkler selbst vermutet Trotzkisten hinter Münkler-Watch. Er äußerte diese These gegenüber dem Tagesspiegel und in der Vorlesung. An der Humboldt-Universität ist die trotzkistische Jugendorganisation IYSSE, eine Gruppe der Partei für Soziale Gerechtigkeit (PSG), mit Sven Wurm im Studierendenparlament vertreten. Die IYSSE attackierten bereits den HU-Osteuropahistoriker Jörg Baberowski und beschädigten seinen Ruf (die UnAuf berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe). In einer gemeinsamen Stellungnahme dementieren IYSSE und PSG, hinter dem Blog zu stehen: Dieses wurde nach ihren Kenntnissen von Studierenden aus eigener Initiative eingerichtet.

Dass Studierende der Gender Studies hinter Münkler-Watch stehen, ist eine Theorie, die in der Universität und in einigen Medien kursiert. Grund ist ein weiterer Konflikt, der im vergangenen Jahr den Erziehungswissenschaftler Malte Brinkmann betraf. Ihm wurde vorgeworfen, Texte von Immanuel Kant hinsichtlich der Geschlechtergerechtigkeit nicht differenziert genug betrachtet zu haben. Studierende unterbrachen die Vorlesung immer wieder durch Rufe und Klatschen. Die letzte Sitzung endete mit einem Polizeieinsatz.

Nach Einschätzung von Fachschaftsvertreter Vief stecken tatsächlich hinter einem Großteil der Blogger Studierende des zweiten Semesters. „Aber es gibt zu einhundert Prozent keine Überschneidung mit dem Fachschaftsrat“, betont Vief. Ob aber Trotzkisten im zweiten Semester Sozialwissenschaft studieren oder Gender Studies im Haupt- oder Nebenfach, ist nicht bekannt.

Welches Medienecho hat Münkler-Watch ausgelöst?

Ein großes, denn fast keine überregionale Zeitung hat nicht über Herfried Münkler und das Blog berichtet. Der Deutschlandfunk ist vergangene Woche auch vor Ort gewesen. Besonders lesenswert sind noch zwei Beiträge aus höchst unterschiedlichen politischen Richtungen: Im Neuen Deutschland befindet Houssam Hamade Münklers Äußerungen als linker Student zwar für ätzend, Münklers Hausarbeiten-Betreuung sei allerdings großartig gewesen. Und die FAS lässt in ihrer Analyse Babarowski und Brinkmann zu Wort kommen und fragt, warum eigentlich nur an der HU Konflikte zwischen Studierenden und Professoren um Rassismus und Geschlechtergerechtigkeit so eskalieren.

Wie geht es weiter?

Herfried Münkler kündigte letzten Dienstag an, sich fortan nicht mehr mit Münkler-Watch zu beschäftigen. Die Blogger um Caro Meyer wollen jeden Dienstag weiter schreiben, räumen aber in ihrem letzten Beitrag ein, dass sie in der letzten Vorlesung unter medialer Beobachtung weniger Kritik ausmachen konnten als bisher. Der Konflikt dürfte sich abflauen – die Fronten bleiben verhärtet.