„Wir sind in unserer Existenz bedroht.“ Mit diesen Worten wandte sich Jana Judisch, Pressesprecherin des Studierendenwerks Berlin, bei der Studentischen Vollversammlung zu den Haushaltskürzungen des Berliner Senats, an die Studierenden. Zu der Vollversammlung am 23. Januar hat der RefRat neben den Studierenden der HU Vertreter*innen von Verdi, des Mittelbaus, der Verwaltung und technischen Abteilung und des Studierendenwerks eingeladen.
250 Millionen Euro betragen die Kürzungen im Wissenschaftsetat für das Haushaltsjahr 2025. 122 Millionen Euro entfallen dabei den Universitäten und Hochschulen. Schon jetzt sind die Einsparungen für die Studierenden spürbar. So haben sich die Semesterbeiträge für das kommende Sommersemester um 22 Euro erhöht, Backshops werden geschlossen und das Essen in der Mensa wird teurer. Insbesondere das Studierendenwerk ist betroffen. „Ein Drittel unseres Budgets ist weg“, sagt Pressesprecherin Jana Judisch über die Folgen des Sparkurses. Der Preis für das Tagesgericht in der Mensa wurde um 30 Cent, auf nun 1,75 Euro erhöht. Drei Mensastandorte wurden geschlossen, darunter der Backshop an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der HU. Notwendige Renovierungsarbeiten bei Wohnheimen können nicht durchgeführt werden. Wohin der bereits bestehende Sanierungsstau von 110 Millionen Euro führt, sieht man aktuell am Beispiel des Wohnheims in der Düsseldorfer Straße in Berlin-Wilmersdorf. Aufgrund von Wasserrohrbrüchen, Schimmel und überfluteten Waschbecken ist das Wohnheim faktisch unbewohnbar und die betroffenen Studis hoffen auf eine alternative Unterbringung durch das Studierendenwerk.
Eske, der zu dem Zeitpunkt noch Referent für Öffentlichkeitsarbeit ist und eine Woche nach der Vollversammlung dem Studierendenparlament (StuPa) seinen Rücktritt erklärt, um das seit November unbesetzte Finanzreferat zu füllen, meint: „Das ist ein Armutszeugnis für eine Stadt wie Berlin.“
Auch die Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen der HU machen sich große Sorgen um ihre Zukunft. Constanze Baum, Wissenschaftliche Mitarbeiterin (WiMi) am Institut für Deutsche Literatur und Mittelbausprecherin der HU, hob hervor, dass die meisten WiMi-Stellen befristet sind und damit leicht den Kürzungen zum Opfer fallen können, wenn auslaufende Verträge nicht verlängert werden. An der HU führt die Sparpolitik dazu, dass die Italianistik als Studiengang auslaufen soll. „Wir brauchen weiteren lauten Protest“, sagt Baum. Dies sei die einzige Möglichkeit, die Kürzungen noch zu stoppen.
Die technische Mitarbeiterin des Biologie-Instituts, Justa Herrmann, berichtet von Stellensperrungen in den Sekretariaten ihres Instituts – „Positionen, die besetzt sein müssen, damit die Hochschule funktioniert“. Zudem sei am Campus Nord ein Gebäude, in dem sich ein „riesen“ Mikroskopiersaal befände, gesperrt worden.
Julia Dück von Verdi sagt: „Alle machen sich Sorgen.“ Die Hochschulleitung hat ein Rechtsgutachten zu den Kürzungen der Gelder, die ja eigentlich schon fix gewesen sind, in Auftrag gegeben. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die einseitige Kündigung laufender Verträge rechtswidrig ist. Laut Julia Dück habe daher eine Klage gegen die Kürzungen einen Aussicht auf Erfolg. „Aber nur, wenn alle hinter ihr stehen“, verdeutlicht sie. „Es ist Druck von Studierenden nötig, um das Präsidium zu der Klage zu bewegen.“ Deswegen bewirbt sie die Verdi-Demonstration am 22. Februar am Neptunbrunnen/Rotes Rathaus.
Stimmen der HU
Im Rahmen eines sogenannten Fishbowl-Podiums, in dem wechselnd drei Personen aus dem Publikum auf dem Podium das Mikrofon gereicht bekommen, kommen nun vor allem Student*innen zu Wort. Tamino und Gregor, Mitglieder der Hochschulgruppe International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) behaupten, dass diese Vollversammlung nur der Auftakt einer Gegenbewegung sei und man Arbeitsgruppen bilden müsse, die sich um weitere Versammlungen und Vernetzungen zu anderen Bereichen kümmern. „Das ist ein Generalangriff auf die Rechte Studierender.“, sagt Gregor.
Thomas Morgenstern, der mittlerweile Rentner ist, aber im Servicebereich der HU tätig war, kommt mit einem T-Shirt auf das Podium, auf dessen Vorderseite „Du“ steht. Er dreht sich um und auf der Rückseite seines T-Shirts kommen die Worte „Sollst nicht an Bildung sparen“ zum Vorschein. Er erklärt, dass sei sein Beitrag zur Diskussion und verlässt das Podium wieder.
Almuth, Mitglied im AStA der Kunsthochschule Weißensee, betont, dass kleine Hochschulen wie ihre, anders als die großen Universitäten, keine finanziellen Rücklagen haben. Der Kunsthochschule Weißensee fehlen aktuell 1,3 Millionen Euro. Vielen weiteren kleinen Berliner Hochschulen geht es ähnlich. Almuth hat angekündigt, den Hochschulbetrieb zu boykottieren, bis die Kürzungen zurückgenommen werden.
Einen weiteren Aspekt brachte ein Student der Juristischen Fakultät in die Diskussion ein. Seit Beginn des Ukraine-Krieges 2022 stehen Zivilklauseln, Selbstverpflichtungen der Universitäten, nicht zu militärischen Zwecken zu forschen, verstärkt in der Kritik. In Bayern sind Zivilklauseln schon jetzt verboten und auf dem Campus der TU München fand im Oktober 2024 eine Militärübung der Bundeswehr statt. Durch die Haushaltskürzungen und die damit verbundene verstärkte Abhängigkeit von Drittmitteln wächst die Sorge, dass auch an den Berliner Universitäten die Zivilklauseln gekippt werden könnten. Daher solle der Kampf gegen die Haushaltskürzungen mit dem Kampf für die Zivilklausel verbunden werden.
Schon jetzt ist der Masterstudiengang „Public Health“ an der Charité besonders von den Einsparungen betroffen. Obwohl der Studiengang angesichts des demografischen Wandels und den Folgen der Klimakrise immer wichtiger wird, wurden die staatlichen Mittel komplett gestrichen, so dass der gesamte Studiengang nur durch Drittmittel finanziert wird.
Die Forderungen der Vollversammlung
Zum Abschluss werden acht Forderungen formuliert, von denen sich drei an das Uni-Präsidium und fünf an den Berliner Senat richten. Zu den Forderungen an die Universität gehört eine Aufforderung an die Hochschulrektor*innenkonferenz LKRP, mit juristischen Mitteln vorzugehen und die Zivilklausel der Verfassung der HU so zu konkretisieren, dass eine Zusammenarbeit mit militärischen Einrichtungen explizit ausgeschlossen wird.
Die Forderungen an den Senat betreffen die Rücknahme aller Kürzungen, sowohl bei den Hochschulen, beim Studierendenwerk, als auch in der Kultur und beim ÖPNV. Stattdessen sollen mehr Wohnheimplätze für Studierende geschaffen werden.
In der StuPa-Sitzung vom 28. Januar wurden die Forderungen einstimmig beschlossen.