Unsere Universität liegt mitten in Berlin – und gleichzeitig an einem seltsamen Ort für einen Campus. Denn die Friedrichstraße und ihre Umgebung sind grau und überteuert. Zwischen Bürogebäuden, Touri-Restaurants und ganz viel Lärm bleibt wenig Platz für Gemütlichkeit,  Ruhe und Zuflucht. Doch es gibt Oasen- wie das Kulturkaufhaus Dussmann. 

Das Dussmann-Kulturkaufhaus ist eine bunter roter Fleck im Grau. Über mehrere Etagen erstreckt sich das Paradies: Unmengen an Büchern, Schreibwaren, Musikalben, Bandmerch und Spiele haben hier ein Zuhause. Zuhause, das ist das richtige Wort, denn der Dussmann erinnert an ein riesiges Wohnzimmer. Stunden könntest du hier verbringen – und das geradezu täglich, denn das Stöbern im Warmen ist die beste Art, um die Zeit vor dem nächsten oder nach dem letzten Seminar zu überbrücken. Schließlich lohnt es sich nicht, nochmal nach Hause zu fahren – und für einen 8 Euro-Burrito reicht das Geld jetzt auch nicht. Im Dussmann kannst du ein- und ausgehen, wie es dir gefällt, denn der Laden ist immer dermaßen überfüllt, dass du garantiert nicht angesprochen oder zum Kauf gedrängt wirst. 

Wenn du Glück hast, kannst du im English Bookshop einen Platz in einem der bequemen Ledersessel ergattern – und dabei im Buch deiner Wahl schmökern und melancholisch aus dem Fenster schauen. Oder aber du betrachtest den Trubel von ganz oben, aus dem letzten Stock; schaust hinunter auf den Berlin-Bereich, in dem sich Tourist*innen (manchmal und heimlich auch die berüchtigten Zugezogenen) Nudeln in Form des Brandenburger Tors kaufen. Oder Tassen mit der Aufschrift Eberswalder Straße. Studis auf Streiftour solltest du auch viele sichten, denn die wissen ja bekanntlich nicht, wo sie sonst ihre ewige Freizeit verbringen sollen.

Lückenfüller des Alltags

Im Dussmann verschwimmen die Grenzen. Draußen sind die Leute hektisch, gestresst – hier drinnen löst sich die Anspannung. Denn wer hierher kommt, bringt normalerweise Zeit mit. Oder „will nur mal gucken“. Er oder sie hetzt gerade nicht ins Büro, nicht zum Seminar, nicht zum Segway-Treffpunkt am Bundestag. Da werden lange Schlangen gerne in Kauf genommen und ein Wimmelbild von Menschen stört auch nicht-  im Gegenteil. 

Denn das Besondere am Dussmann ist, dass er Kultur verkauft. Damit lässt sich zwar auch viel Geld machen: Im Jahr 2021 belief sich der Umsatz des Hauses auf gut 30 Millionen Euro. Der Atmosphäre wird dadurch aber nicht das Nischenhafte abgewonnen; Musik, Literatur und Film bleiben eben herzerquickende Lückenfüller des Alltags, wohlwollende Erinnerungen an die eigene Menschlichkeit.

Die Besonderheit am Dussmann wird erkannt und geschätzt – auch Indie-Songwriter Betterov sieht in ihm die Möglichkeit, der Realität zu entfliehen In seinem Lied Dussmann springt der Protagonist vom vierten Stock des Kaufhauses; in der Schwebe „zieht die ganze Kultur an ihm vorbei“. Das wäre wohl „ein stilvoller Abgang“, singt Betterov – und schafft damit eine Ode an die Unverzichtbarkeit von Orten wie diesem.


Foto: Daphne Preston-Kendall

Dieser Artikel wurde bereits in der Ausgabe #263: Ostpaket veröffentlicht.

1 KOMMENTAR

  1. Vielleicht solltet ihr euch mal mit den im Laden engagierten HU Studenten über die Arbeitsbedingungen unterhalten und dann einen neuen Artikel schreiben. Der würde mit Sicherheit nicht so ein Loblied werden. Unterirdischer Umgang mit den Studierenden dort bzw. natürlich auch mit den Mitarbeitern allgemein. Ausbeuten nach amerikanischem Vorbild und Inkompetenz in der Geschäftsführung haben dem Laden jetzt schon über Jahre massiv geschadet. Ist immer noch der beste Buchladen in Deutschland wahrscheinlich, was auch an den großartigen Idealisten liegt, die dort gerade NOCH arbeiten, aber wie lange das wohl noch gut geht…

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