Wie geht Studieren in anderen Ländern? Das berichten in jeder Ausgabe Redaktionsmitglieder von anderen Orten der Welt. Dieses Mal geht es in die französische Hauptstadt: Paris!
In die Stadt der Liebe habe auch ich mich verliebt. Allerdings nicht wie Emily in Paris in einen französischen Koch (und in einen britischen Bankier), sondern in die Stadt selbst. Und das nicht nur, weil ich mich in ihr ein bisschen fühle, als wäre ich der Hauptcharakter einer Netflix-Serie, sondern vor allem, weil sie wirklich wunderschön ist. Das fällt mir immer wieder auf, wenn ich durch ihre verschlungenen Straßen wandere und ihre aufwändig verzierten Gebäude bewundere.
Eine dieser geschichtsträchtigen Bauten ist die Sorbonne, die Universität, an der ich studiere. „Creator of Futures since 1257“ – heißt es auf einem Plakat, das mir bei einem Treppenaufgang begegnet. Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt. Das weiß ich spätestens seit ich an der angeblich exzellenten Humboldt-Universität studiere, in die regelmäßig der Regen tropft (Dorotheenstr. 65 lässt grüßen). An der Sorbonne ist das nicht anders. Zumindest in den beiden etwas heruntergekommenen Räumen im Innenhof. Die sind so klein, dass eine handvoll Student*innen in den ersten beiden Wochen auf dem Boden sitzt. Dann wechseln wir ins Amphitheater mit einem Fassungsvermögen von 150 Menschen – und unser Professor verliert im Angesicht von an die sechzig zu korrigierenden Prüfungsleistungen ganz kurz die contenance.
Irgendwie aber auch verständlich. Schließlich muss er nicht nur jeden unserer zehnseitigen Texte korrigieren, sondern uns auch jede Woche aufs neue zweistündige Monologe vorbereiten. Französische Uni ist nämlich vor allem eines: Frontalunterricht. Und das akademische Viertel gibt es hier auch nicht (was ich feststellen durfte, nachdem ich mich für zwei Kurse eingeschrieben hatte, die genau nacheinander stattfanden).
Schon blöd, wenn man dann auch noch vom Sicherheitspersonal aufgehalten wird. Bei jedem Betreten der Universität muss man nämlich seinen Studierendenausweis und den Inhalt seiner Tasche unaufgefordert vorzeigen. Ganz engagierte Exemplare fragen dich außerdem gerne einmal, wo genau du überhaupt hin willst. Auf meine zugegeben etwas vage Antwort „zum Hörsaal oben rechts“ hin durfte ich dann ersteinmal geschlagene fünf Minuten vor dem Unigebäude stehen, während ich panisch versuchte, mich an den Namen des Raums zu erinnern. Zum Glück rettete mich eine Kommilitonin.
Dass die Sorbonne Wert auf die Sicherheit ihrer altehrwürdigen Gebäude legt, merke ich auch, als Student*innen mitten im Semester eine pro-palästinensische Demonstration organisieren und die Uni daraufhin erst einmal komplett abgeriegelt wird. Zu groß ist die Angst, dass ein besonders enthusiastischer Student auf die Idee kommen könnte, die Statuen auf dem Innenhof mit Farbe zu bekleckern – so wie angeblich vor zwei Jahren bei den Protesten um die Anhebung des Renteneintrittsalters. Seitdem werde beim kleinsten Zeichen von Aufruhr alles dicht gemacht, erklärt mir eine Kommilitonin. Und die Polizei auf den Plan gerufen natürlich. Fast ausnahmslos Zweimetermänner, die mit ihrer schweren Panzerung ein bisschen an Cyborgs erinnern und gemeinsam den Place de la Sorbonne einkesseln. Na, das lässt doch ein Gefühl von Sicherheit aufkommen.
Auf dem eher modernen Campus Clignancourt sieht das anders aus. Der ist nämlich schon seit Anfang des Semesters besetzt. Auch hier geht es um Gaza. In den Jahren davor aber auch schon um die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen und die Rentenreform. Die Franzosen sind nun einmal ein streitlustiges Volk, würde mein Vater vermutlich sagen. Vielleicht hat er Recht. Vielleicht könnten wir uns aber auch ein kleines Scheibchen davon abschneiden.
Aber auch außerhalb des universitären Kontexts hat Paris so einiges zu bieten, zum Beispiel an die 130 Museen, viele von ihnen für EU-Bürger*innen unter 26 Jahren sogar kostenlos. Alleine dafür lohnt es sich eigentlich mindestens ein halbes Jahr hier zu wohnen – und natürlich für die vielen süßen Parks, Cafés, Buchläden, und die vielleicht etwas weniger süßen, aber nicht minder schlechten Bars und Jazz- und Technoclubs. Dem richtig katastrophalen Wohnungsmarkt sei Dank wird das zwar vermutlich keine günstige Erfahrung – aber auf jeden Fall eine richtig gute.
Illustration: Lucia Maluga