Meni, eigentlich Stoimenka Erdmann, kam mit Anfang 20 auf Einladung nach Berlin und stand dort jahrelang als professionelle Balletttänzerin der DDR auf der Bühne. Später baute sie sich als Dolmetscherin ein neues Leben auf. Seit mehr als 15 Jahren unterrichtet sie Ballett im Hochschulsport. „Annäherung“ zieht sich bei ihr nicht nur durch den Ballettsaal, sondern durch ihr ganzes Leben.

UnAuf: Frau Erdmann, was bedeutet Annäherung für Sie?

Meni Erdmann: Ich bin überzeugt, dass Annäherung durch Neugierde passiert. Und indem man anderen die Hand reicht. In meinem Leben habe ich oft die Hand ausgestreckt, zum Beispiel mit Einladungen zu mir, weil ich den Austausch mit anderen sehr schätze.

UnAuf: Wie erleben Sie Annäherung durch Ihre Ballettkurse?

ME: Die Teilnehmenden der Kurse im Hochschulsport sind Studenten, Lehrende und Externe, die aus den verschiedensten Fachrichtungen kommen. Tanzen und Musik, das ist das, was uns verbindet. Ich finde es schön, wenn sich meine Teilnehmenden in diesen anderthalb Stunden, in denen wir uns zum Tanzen verabreden, auch privat austauschen und plötzlich Freundschaften entstehen. Ich bin auch nicht nur die Lehrerin, die Fachkenntnisse vermittelt. Durch euch junge Menschen schöpfe ich viel Energie. Durch euch versuche ich mich zum Beispiel nicht so „passend“ meines Alters anzuziehen. Ihr geht manchmal sehr leger rum, das mache ich nicht (lacht), aber wenn ihr euch modern anzieht und euch hübsch macht, das ist für mich sehr angenehm und ästhetisch zu sehen. Man vermittelt im Ballett generell auch viele Eigenschaften, die man sich abgucken kann. Dabei ist mir eins wichtig: Es ist ein Geben und Nehmen: Ich gebe Berufserfahrung, ihr gebt mir moderne, junge Energie, und es ist schön, etwas zu hinterlassen, von dem einige profitieren können.

UnAuf: Vor Weihnachten boten Sie an, das Fest bei Ihnen zu verbringen. Was hat Sie dazu bewegt, dieses Angebot zu machen?

ME: Früher (vor Corona) hatte ich einen harten Kern an Tänzerinnen in meinem Kurs. Diese Menschen hatten oft keine Familie, teils zerrüttete, vermute ich, sie waren jedenfalls alleine. Insbesondere die ausländischen Studierenden, aus verschiedenen Nationen. Dann habe ich einfach gefragt: „Wer ist an Weihnachten ganz allein?“ Da war erstmal eine Stille. Ich habe ihnen meine Adresse gegeben und gesagt: Meine Tür steht offen.

An Heiligabend kamen tatsächlich einige meiner Schülerinnen. Wir saßen im Wohnzimmer auf dem Boden, so viele Stühle hatte ich gar nicht. In einem Raum wurde gesungen und musiziert, im anderen Raum haben wir den Tisch ausgezogen und die Sachen zum Essen draufgestellt. Es gab russischen Salat, mexikanische, chinesische Sachen, peruanisches Essen, es war voll in meiner Wohnung.

Dann kam Corona, und es ging nicht mehr so leicht, sich zu verabreden, und nun wirft die angespannte internationale Situation einen großen Schatten auf unser aller Dasein.

Ich kenne das Gefühl des Alleinseins und der Einsamkeit von mir selbst sehr gut. Als ich mit Anfang 20 als Bühnentänzerin nach Deutschland kam, war ich durch Trainings und Auftritte erstmal sehr beschäftigt. Wenn aber gerade kein Auftritt war, habe ich im Stillen meine Wurzeln sehr vermisst und oft geweint.

UnAuf: Welchen Tipp würden Sie Studierenden mitgeben?

ME: Akzeptanz. Ich muss die Meinung der anderen akzeptieren, die Herkunft von anderen, die Schwächen der anderen, und ich muss den Willen haben, die Stärken der anderen herauszufinden. Ach, und: neugierig oder wissbegierig sein. Ich strebe keinen Mercedes an, aber ich habe mich immer nach Menschen gerichtet, die mehr wussten als ich. Menschen, die mich überzeugt haben, die ehrlich waren, die bereit waren, von ihrem Wissen zu geben. Man kann sein schwer erworbenes Wissen auch nicht einfach frei auf der Straße verteilen. Man sollte es an Menschen geben, die es wertschätzen.


Foto: Kristin Ngozi Okafor