Ein Restaurant mit einer Botschaft: Im „Kanaan“ trifft Genuss auf eine Philosophie des Friedens. Mitten in Berlin wird hier gezeigt, wie Essen Menschen verbinden kann – über Grenzen und Konflikte hinweg.
Den Spruch, den man vielleicht gelegentlich bei zurückgekehrten Backpacker*innen auf Baumwoll-T-Shirts oder Jutebeuteln entdecken kann, ist im Restaurant „Kanaan“ der Spirit. Die Worte „Make Hummus, not war“ empfangen die Hungrigen bereits vor dem Eingang auf zwei großen Plakaten mit einem riesigen weißen Peace-Zeichen vor einer bunten Regenbogenflagge. Alles schreit Toleranz und Diversität.
Die Philosophie des Kanaans scheint politischer denn je: Ein israelisch-palästinensisches Restaurant, das die Besucher*innen auf eine kulinarische Reise durch die palästinensische und israelische Küche mitnimmt. Eine Zusammenarbeit.
Hier, in einer Seitenstraße neben dem Helmholtzplatz, zwischen türkis-gestreiften Wänden und in gemütlich-geselliger Atmosphäre bringen Oz Ben David und Jalil Dabit seit 2015 in der Küche etwas zusammen, was seit über einem Jahr Tag für Tag an WG-Küchentischen, in den Nachrichten sowie auf Demonstrationen, in der Universität und bei Familienfeiern politisch diskutiert wird.
Der Name des vegan-vegetarischen Restaurants „Kanaan“ steht für das biblische Land, das Abraham, der Stammvater der Jüd*innen, Christ*innen und Muslim*innen, einst bewohnte, wie Oz Ben David in einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen im Dezember 2024 erklärte. Der Name soll nicht nur an die gemeinsamen Wurzeln der zwei Gründer des Restaurants, sondern auch an die Möglichkeit der Versöhnung erinnern. Denn dieses biblische Land wurde einst von Jüd*innen, Christ*innen und Muslim*innen geteilt.
„Violence breeds violence, not solutions.“
Sie geben ein Vorbild. Wo Aubergine und Tomate miteinander liebäugeln und Hummus und Fladenbrot zu einem Tanz der Aromen einladen, kommen ganz unterschiedliche Menschen zusammen und essen gemeinsam. Dabit sei, wie er selbst sagt, seit seinem zwölften Lebensjahr überzeugter Friedensaktivist. Kochen sei für ihn ein Zeichen des Friedens. „Wer gemeinsam Hummus isst, hat keine Zeit zum Töten.“ Unabhängig von Nationalität oder Herkunft, religiösen oder politischen Ansichten sowie sexueller Orientierung oder Geschlecht verbindet das Essen die Menschen und agiert als Mittel der Annäherung. Aber nicht nur bei den Gästen: Im Kanaan arbeiten geflüchtete Menschen aus verschiedenen Ländern – darunter Syrien, der Libanon, Pakistan, Indien und die Ukraine. Es sind außerdem Menschen aus Israel und Palästina, „die alle unter einem Dach in Harmonie mit Frieden und gegenseitigem Respekt zusammenarbeiten“, wie sie es selbst formulieren. Die Mitarbeiter*innen verkörpern damit die Ideale des Kanaans, denn hier haben Diskriminierung, Rassismus, Homophobie oder Transphobie keinen Platz.
Trotzdem war das letzte Jahr nicht immer einfach. Der Angriff der Hamas in Israel und der Krieg in Gaza beschäftigt auch die Restaurantbesitzer täglich. Oz Ben David hat beispielsweise Familie im Süden Israels in der Nähe des Gazastreifens. Der Jüdischen Allgemeinen sagten die beiden Gründer: „Man zweifelt irgendwann an den eigenen Ansichten. Die Idee vom Frieden zwischen Israelis und Palästinensern erschien plötzlich utopisch oder naiv.“ Auch das Restaurant wurde vorübergehend geschlossen. Trotzdem haben sich Oz Ben David und Jalil Dabit nicht von ihrer Vision abbringen lassen. Sie hätten realisiert, dass ihr Restaurant ein Ort ist, an dem sich Menschen für den Frieden einsetzen. „Wir haben immer Seite an Seite gestanden, egal, was da alles auf uns einprasselte und aus welcher Richtung Kritik kam. Aber unser gegenseitiger Respekt ist durch die jüngsten Ereignisse eher noch gewachsen.“
David und Dabit haben ein beeindruckendes Beispiel dafür geschaffen, wie eine gemeinsame Vision sowie ein respektvolles Miteinander auch in Zeiten politischer Spannungen ermöglicht werden kann und Unterschiede überwindet. Zu behaupten, dass Konzepte wie dieses politische Probleme lösen könnten, ist zu einfach. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn sie führen vor Augen, dass die Idee einer Zusammenarbeit, die Vorstellung des friedlichen Koexistierens und des Pluralismus funktionieren kann.
Und vielleicht ist ein Essen an einem gemeinsamen Tisch dafür ein guter Anfang.
Illustration: Susanne Uitz