Der Wettbewerbsfilm Small Things Like These hat die Ehre, die diesjährige Berlinale zu eröffnen, wobei natürlich alle Augen auf Cillian Murphy ruhen, der durch seine Darstellung in Oppenheimer die nächste Stufe des Weltstar-Seins beschritten hat. Murphys Name wird in den Credits am Anfang sogar noch vor dem Titel gezeigt, der Film scheint zu wissen, was sein selling point ist. Die restliche Riege des durchaus nicht unbekannten Casts mit unter anderen Emily Watson, Eileen Walsh und Michelle Fairley, folgt dann dem Titel.

Bill Furlong, gespielt von Cillian Murphy, ist Familienvater von fünf Töchtern, die er mit seiner Frau Eileen aufzieht. Eine seiner Töchter arbeitet bereits in seinem bescheidenen Kohlelieferunternehmen. Für seine Lieferungen muss er täglich zu dem Kloster am Rande der Stadt fahren, welches einerseits die Schule seiner Töchter beherbergt, andererseits aber auch ein Heim für junge, schwangere Frauen. Im Laufe der Handlung wird Furlong immer wieder mit den Zuständen in diesem Heim und den verzweifelten Frauen dort konfrontiert und setzt sich im Zuge dessen auch immer mehr mit seiner eigenen Vergangenheit – auch er war Kind einer jungen Mutter – auseinander. Durch die hochsprudelnden Erinnerungen verschlechtert sich sein psychischer Zustand zusehends.

Die Kamera, durch die wir Bill Furlongs Leben beobachten, ist meist außerhalb des Raumes platziert. Durch Fenster, Flure oder Spiegel fällt der Blick auf die Protagonisten. Der Zuschauer sieht die Szenen von außen, genauso, wie Furlong selbst nur Außenstehender seines eigenen Lebens zu sein scheint. Stets bleibt er eine Armlänge von Frau, Kindern und den Vorgängen im Kloster entfernt. Nur, wenn er gewaltsam von seinen Umstehenden in das Geschehen hineingezogen wird, hält das Bild schonungslos darauf. Nur in diesen wenigen Momenten kann er sein eigenes Leben in die Hand nehmen.

Was genau die schwierige Beziehung zu sich selbst und anderen Menschen bedingt, wird leider trotz zahlreicher Rückblenden nie deutlich. Als Kind scheint er trotz seiner sehr jungen Mutter doch recht behütet aufgewachsen zu sein. Die reiche und unabhängige Mrs. Wilson, gespielt von einer fantastischen Michelle Fairley, die dem Film eine ganz neue Klasse verleiht, kümmert sich um ihn und seine Mutter.

Und das ist das größte Problem eines sonst liebevoll inszenierten Films: Er schafft es nicht, Gewissheit über den eigenen Schrecken herzustellen. Über die meiste Zeit trägt das schaurige Nicht-Wissen die Spannung, aber der Sprung zu einem erlösenden Wissen über die tatsächliche Bedrohung wird weder geschafft noch gewagt. So bleibt der Zuschauer in der Mitte hängen. Gerade dadurch, dass der Film sich durch sein letztes Bild als Erinnerungsarbeit für die Magdalenenhäuser, sogenannte Besserungsanstalten für Frauen, inszeniert, wird leider das tatsächliche Problem immer nur angedeutet, aber nie vertieft. Etwas Konkretheit würde dem Film helfen. Trotzdem sind die hoffnungsvolle Note am Ende, die körnigen, schlau inszenierten Szenenbilder und die Schauspielkunst des Herrn Murphys einen Kinobesuch durchaus wert.


Foto: Shane O’Connor @Berlinale Stills