Geschrieben von Sara Schurmann

Berlin, 12. Februar 2012

Oskar Schell begibt sich auf eine Aufklärungsmission. Der Neunjährige sucht in ganz New York nach dem Schloss für einen Schlüssel, den er in einem Umschlag bei den Sachen seines verstorbenen Vaters gefunden hat. Und hofft dabei, eine letzte Verbindung zu ihm zu finden. Sein Vater kam am 11. September 2001 bei den Terroranschlägen auf das World Trade Center ums Leben.

Sein einziges Indiz ist das Wort „Black“, das auf dem Umschlag steht. Er zieht los und besucht systematisch alle Einwohner New Yorks mit diesem Nachnamen – 472 Personen. Begleitet wird er von einem mysteriösen alten Mann, der nicht spricht und in einem Zimmer bei Oskars Großmutter wohnt.

Stephen Daldry (Billy Elliot, The Hours, Der Vorleser) hat mit Extremly Loud And Inceredibly Close den gleichnamigen Erfolgsroman von Jonathan Safran Foer verfilmt und dafür die Handlung leinwandkompatibel vereinfacht. Er reduziert die komplexen Erzählstränge der Familiengeschichte allein auf die Perspektive des Kindes Oskar (Thomas Horn), der sich nach dem Tod des Vaters (Tom Hanks) von seiner Mutter (Sandra Bullock) entfremdet.

Auch Daldrys Vater ist früh gestorben. „Kinder, die ihre Eltern verlieren, fühlen sich wie Parias: ausgeschlossen, isoliert“, erklärt Daldry in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Und so macht er den Film zu einer Geschichte für die 3000 Kinder, die am 11. September ein Elternteil verloren haben.

Von der assoziativen Erzählweise des Romans bleiben einzig die Szenen des sekundenlang  fallenden Vaters, hinter ihm flattern Aktenblätter durch die Luft. Daldry will das Publikum nicht zu sehr belasten, deswegen hat er die Rollen der Eltern mit Hollywood-Schauspielern besetzt. 9/11 sei als Stoff hart genug. „Dafür braucht man Mr. und Mrs. America“, erklärt Daldry. Die Zuschauer „sollen wissen: Das ist kein Film, der mir schlaflose Nächte bereiten wird.“ Auch wenn der Film immer wieder mit Augenzwinkermomenten aufgelockert wird – am Ende schnäuzen und schluchzen tausend Journalisten im Berlinale Palast.

Die absurde Aufklärungsmission soll Oskar aus seiner Trauer retten. Und das tut sie am Ende auch. Alles wird gut, man kann ruhig schlafen. Es wäre eine extrem schöne, tränenrührende Geschichte – wenn man nicht wüsste, dass der Roman so unglaublich viel mehr zu bieten hat.

 

USA 2011, 129 Minuten
Sektion: Wettbewerb (außer Konkurrenz)
Sprache: Englisch
Regie: Stephen Daldry
Darsteller: Thomas Horn, Tom Hanks, Sandra Bullock, Max von Sydow und andere
Weitere Vorstellungen: Montag, 13. Februar, 23.15 Uhr, Friedrichstadt-Palast und Sonntag, 19. Februar, 12.45 Uhr, Berlinale Palast

 

Foto: Wikimedia Commons, Jessica Weiller; Lizenz: CC0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bear_unsplash.jpg#/media/File:Bear_unsplash.jpg