Ein Übungsraum zum Fechten. Foto: Catalina Heine
Studentenverbindungen haben keinen guten Ruf. Sie gelten als rechts, männerdominiert und rückwärtsgewandt. Unsere Autorin hat sich in die Höhle des Löwen gewagt und festgestellt: Nicht alle Verbindungen bestätigen die Vorurteile.
Studentenverbindungen sind eingeschworene Männerklüngel von erzkonservativen Studierenden, die Uniform tragen, Saufexzesse veranstalten und ihre neuen Mitglieder mit obszönen Ritualen begrüßen. So stellen sich viele Leute das Verbindungsleben vor. Da verwundert es nicht, dass sich Pascal vom Berg und Hüttenmännischen Verein zu Berlin (BHV) gleich zu Anfang unseres Gesprächs für seine Mitgliedschaft rechtfertigt. Die Öffentlichkeit zeichnet ein düsteres, rückwärtsgewandtes Bild von Studentenverbindungen. Aber sind das wirklich nur Vorurteile?
„Studentenverbindung“ ist ein Oberbegriff für viele verschiedene Arten von Studierendenorganisationen. Dazu gehören Corps, Burschenschaften, Landsmannschaften und Vereine. Oft gründen Studierende eine Verbindung, weil sie gemeinsame Interessen haben, so wie der Akademische Seglerverein Berlin. Früher war es auch üblich, sich aufgrund der Herkunft aus bestimmten Regionen in Landsmannschaften zusammenzuschließen.
Pascals Verbindung ging Mitte des 19. Jahrhunderts aus einer Fachschaft der Technischen Universität Berlin (TU) hervor. Beim BHV wird weder gefochten noch werden „Farben getragen“. Das heißt, es gibt keine Accessoires in bestimmten Farben, die die Zugehörigkeit zur Verbindung symbolisieren. Im Gegensatz zu den meisten anderen Verbindungen nimmt der BHV sowohl Männer als auch Frauen auf. Pascal erzählt, dass es nicht immer einfach gewesen sei, genügend Mitglieder zu finden. Die Meisten kämen über die günstigen Zimmeranzeigen – so auch Pascal selbst.
Ganz anders ist das Corps Marchia. In einer alten Villa in Dahlem laufen an einem sommerlichen Freitagnachmittag viele junge Männer herum, allesamt in feinem Hemd und mit Zigarette in der Hand. Dort treffe ich den Jurastudenten Georg, der ein Orange-Weiß-Goldenes Band – die Farben seines Corps – trägt. Die Bilder und Säbel von befreundeten Corps an den Wänden machen zusammen mit dem dunklen Eichparkett einen imposanten Eindruck. Hier werden nur Männer aufgenommen. Nachwuchsmangel gibt es nicht, den Zulauf bekommt der Corps über Familientradition und Mundpropaganda. Auch Georg trat in die Fußstapfen seines Vaters.
Wer in eine Verbindung wie das Corps Marchia oder den BHV eintritt, beginnt seine Laufbahn als „Fuchs“. Erst nach bestandener Probezeit wird man volles Mitglied. Im Corps Marchia müssen die neuen Mitglieder außerdem die Pflichtmensur ablegen. Das heißt, sie müssen als Füchse mindestens zweimal gegen Mitglieder befreundeter Corps fechten. Die gemeinsamen Übungen würden, so Georg, die Gemeinschaft fördern und das Duell den Charakter prägen.
Ebenfalls ein traditionelles Merkmal von Studentenverbindungen sind die „Alten Herren“, die ehemaligen Mitglieder. Wegen des engen Kontakts zu den aktiven Mitgliedern werfen Kritiker den Verbindungen vor, ihren Mitgliedern durch „Seilschaften“ einen unfairen Vorteil bei der Jobsuche zu verschaffen. Georg lacht, als er das hört: „Wäre schön.“
Die gegenseitige berufliche Unterstützung sei sogar offiziell der Anspruch der Corps, sagt hingegen Alexandra Kurth. Sie ist Politologin an der Universität Gießen und beschäftigt sich in ihrer Forschung mit Studentenverbindungen. Sie zweifelt außerdem die politische Neutralität an, die viele Verbindungen proklamieren. Mit ihrer Kritik ist sie nicht alleine. Besonders linke Initiativen kritisieren die traditionelle und konservative Haltung von Studentenverbindungen. Immer wieder sorgen einige Burschenschaften mit rechtsextremen Äußerungen für Schlagzeilen.
Pascal und Georg bedauern die problematische Außenwahrnehmung ihrer Gruppen. Sie beteuern, dass ihnen Toleranz wichtig sei und sie viele ausländische Mitglieder aufnähmen. Georg sagt, er möchte nicht „in die rechte Ecke“ gesteckt werden. Beide führen die Kritik auf mangelndes Wissen der Öffentlichkeit zurück.
Für Alexandra Kurth kommt die Kritik allerdings vor allem daher, dass die Praktiken „aus der Realität herausgefallen und im 19. Jahrhundert haften geblieben sind.“