Seit Anfang Juni findet im Lichthof Ost die 200. Ausstellung der Kleinen Humboldt Galerie „IN THE OPEN“ statt. Sie leistet anlässlich des Jubiläums einen Beitrag zur Zeitgenössischen Kunst, indem eingeladene KünstlerInnen ausgewählte Sammlungsstücke der Kunstsammlung der Humboldt-Universität aus einer neuen Perspektive zeigen.

Was es mit dem Titel „IN THE OPEN“ auf sich hat, erklärte Viktor Hömpler, Mitglied des Kuratorenteams der Kleinen Humboldt Galerie in seiner Eröffnungsrede. Der Name bedeute so viel wie „etwas ans Licht bringen“ oder „etwas offen ansprechen“, wenn man es aus dem Englischen „to say something right out in the open“ übersetzt. Insgesamt sechs KünstlerInnen versuchen dies in der Ausstellung umzusetzen: Anhand der Reflexion und Analyse von politischen Kontexten und Geschichte im Zusammenhang mit der Kunstsammlung der HU sowie von zeitbedingten institutionellen Ansprüchen, werden Themen wie die Unterrepräsentation der Frau, Gleichberechtigung und Hierarchiestrukturen hervorgehoben. Die Ergebnisse werden in den Arbeiten der KünstlerInnen mit den Sammlungsstücken deutlich gemacht.

Ordentlich und relativ unspektakulär sind gleich am Eingang des Lichthofs Ost insgesamt fünf Marmorbüsten von ehemaligen männlichen Professoren der Humboldt-Universität zu Berlin aufgestellt. Eins ist jedoch ungewöhnlich: Die originalen Namensgravuren werden von improvisiert angebrachten Namensschildern verdeckt. So trägt eine ursprünglich „männliche“ Büste hier den Namen von Alice Salomon (Gründerin der Sozialen Frauenschule und ehemalige Professorin). Eine andere den Marie Elisabeth Lüders (Sozialpolitikerin und Mitbegründerin des Deutschen Akademikerbundes). Der Titel dieser Arbeit von Maria Anwader „Adjusting Historical Imperfections“ weist auf die Kritik der Künstlerin an der Unterrepräsentanz von Frauen im universitären Kontext in der Vergangenheit der HU hin. Sie ist heute gerade im Fehlen von Frauendarstellungen in der Kunstsammlung bemerkbar.
Woraus besteht eigentlich die HU-Kunstsammlung und wo findet man sie? Sitzender Humboldt und imposanter Helmholtz vor dem Hauptgebäude, „Vorsicht Stufe“ in dessen Foyer und die Nobelpreisträger im Gang darüber -einige der HU-Kunstwerke sind den Studierenden im Vorbeigehen bekannt. Die Mehrzahl der ausgewählten Stücke für „IN THE OPEN“ stammt jedoch aus dem Magazin der Sammlung, das sich im Keller der Jura-Fakultät befindet. Dort wird der Teil der Sammlung gelagert, der nicht ausgestellt wird und bleibt so den meisten Studierenden verborgen.

Die KünstlerInnen greifen einige dieser versteckten Sammlungsstücke auf und setzen sie in einen neuen Kontext. Die Thematiken, die sich daraus ergeben, sind verschieden. Eine scheint es den KünstlerInnen jedoch angetan zu haben: Neben Maria Anwader haben zwei weitere KünstlerInnen, Hannah Cooke und Ahmet Öğüt, sich mit der Unterrepräsentation von Frauen in der HU-Kunstsammlung beschäftigt.

Hannah Cookes Arbeit trägt den Titel „You’ll never walk alone“. Sie hat eine Jubiläumsmedaille angefertigt, auf der sie selbst abgebildet ist, um damit „Lise Meitner in der Medaillensammlung der Humboldt Universität zu Berlin weibliche Gesellschaft zu leisten“, so heißt es auf der Rückseite. Eine Medaille mit dem Abbild Lise Meitners wurde 2014 in die Sammlung aufgenommen. Nach Ausstellungsende soll auch diese Arbeit als Gastgeschenk in die Sammlung übergehen. Angelika Keune, die Kustodin der HU-Kunstsammlung, begrüßte dies in der Eröffnungsrede der Ausstellung herzlich, da sie stets versuche den Bestand an Frauenabbildungen zu erweitern.

Direkt gegenüber der Medailleninstallation befindet sich ein Ausstellungsstück, das eine Ausnahme der Vorgabe seine Arbeit konkret auf einen Teil der Sammlung zu beziehen darstellt. Es ist ein Selbstporträt der Künstlerin Lisa Peters in Form einer Wachsbüste, die in einem Glaskasten unter einer Halogenlampe langsam dahinschmilzt. Innerhalb von drei Stunden ist die Wachsfigur abgeschmolzen. Am Ende bleibt nichts, außer einem Wachsklumpen in dem Glaskasten. Es ist kein Gesicht mehr erkennbar. Die Arbeit „angesichts“ stellt damit ein Gegenargument zu den Sammlungsstücken dar, die für gewöhnlich einem Ewigkeitsanspruch unterliegen.

Andere Themen, auf die Bezug genommen wird, sind Hierarchiestrukturen und die Zugänglichkeit von Bildung, mit denen sich Katharina von Hagenow befasst; Verdrängung, erinnerungspolitische Strategien und das Marx’sche Erbe, aufgegriffen von Ahmet Öğüt und das Verhältnis von Kunst und ihrer Sichtbarkeit, das auf geheimnisvolle Art und Weise von Julieta Ortiz de Latierro dargelegt wird.

Die Bandbreite an Bezügen deutet darauf hin, dass den ausstellenden KünstlerInnen viel Freiraum für eigene Ideen gelassen wurde. Freiraum und Offenheit scheinen dem Kuratorenteam ein ebenso wichtiges Anliegen zu sein, sobald es um die BesucherInnen geht. „Bei der Auseinandersetzung mit der Kunstsammlung haben wir uns immer überlegt, wie bestimmt wird, was gesammelt oder ausgeschlossen wird, was die Ursachen für bestimmte Inklusions- und Exklusionsmechanismen in Kustodien sind“, erzählen sie. Auch den Gästen soll die Existenz dieser Mechanismen bewusst gemacht werden. Man möchte ihnen deswegen freistellen, selbst zu entscheiden, was ihnen relevant erscheint. Praktisch wird das anhand der Broschüre umgesetzt. „Der Besucher kann als eigener ‘Kurator’ seiner Broschüre seine eigene Sammlung zusammenstellen.“ Die Broschüre ist so gestaltet, dass die Grundinformation über die Ausstellung im Allgemeinen bereits enthalten ist, die BesucherInnen aber die den Ausstellungsstücken beiliegenden Informationszettel selbst einheftet.

In The Open findet vom 8. Juni bis zum 8. Juli 2016 im Lichthof Ost des Hauptgebäudes statt. Nähere Informationen zum Programm finden Kunstinteressierte auf www.kleinehumboldtgalerie.de.

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