Die Klimakrise stand nicht im Titel, doch das Panel sprach kaum über etwas anderes. Neubauer, Nassehi und Lora Ann Viola debattierten am Sonntag beim Internationalen Literaturfestival Berlin über die Demokratie. Es wurde viel gesprochen, Hoffnung und Pessimismus hielten sich die Waage.

Eigentlich wurde die Debatte von dem Internationalen Literaturfestival Berlin veranstaltet – um Literatur ging es aber eigentlich nicht. Im Rotlicht mit Dämmerungscharakter gab es von allen Panelist*inne neben der Bühne auch noch Bücher zu kaufen. Der Fokus des Publikums, das am Ende den Saal schnell wieder verließ, lag aber auf den Prominenten, die sich auf der Bühne keinen Zwist erlaubten. Niemals widersprachen sie einander, nirgendwo wurde eine Gegenmeinung formuliert. Auch das Publikum blieb auf einer Linie mit den drei Diskutant*innen. Wenn es Fragen gab, waren sie nicht besonders kritisch, nirgendwo wurde unter den knapp 100 Anwesenden Dissens formuliert. 

Einer von ihnen, der deutschlandweit bekannte Soziologe Armin Nassehi, stach durch seinen Pessimismus hervor. Auf die Demokratie angesprochen, konstatierte er meist achselzuckend, dass es ohnehin nicht viele echte Demokratien auf der Welt gebe. Ganz streng genommen, so der Soziologe, seien vielleicht nicht einmal die USA eine richtige Demokratie. Auch die Debatte in Deutschland, bei der es eher darum gehe, ob man zu oder gegen den „Klimawahn“ stehe, den manche anderen vorwürfen, habe „mit Demokratie nichts mehr zu tun.“

Im Zentrum stand immer wieder die Vereinbarkeit vom Kampf gegen die Klimakrise und Demokratie. Nassehi gab zu, dass der „Industriekapitalismus“ immer schon Teil des hiesigen Modells von Demokratie gewesen sei. Künftige Entscheidungen zur Klimakrise müssten also „wehtun“, das sei nicht zu umgehen. An diesem Punkt stand er, wie sonst auch, nah bei Luisa Neubauer. Sie wiederum erklärte in einem kurzen historischen Abriss: „Die moderne Demokratie ist eng mit fossilen Energien verbunden“. Es gebe kein demokratisches Modell, auf das das nicht zutreffe. Dabei sah auch sie ein, dass die Bekämpfung der Krise die Demokratie in Deutschland Einiges kosten könnte – aber die Frage sei nicht, wie viel Bekämpfung der Krise die Demokratie vertrage, sondern: „Wie viel Klimakrise verträgt die Demokratie?“

Unverhofft optimistisch

Luisa Neubauer ist „voll überzeugt, dass wir das hinkriegen können“, ihr aktueller Zustand sei am besten mit „radikaler Zuversicht“ zu beschreiben. Die Zeit werde knapp, aber es sei möglich, insbesondere im Alltag, die Veränderungen anzugehen. Schnelles Handeln wünsche sie sich aber besonders – „bei der Bankenrettung geht es ja auch immer ganz schnell“.

Dafür setzte sich auch Nassehi ein. Der Wandel müsse schnell geschehen, und es müssten so viele wie möglich mitmachen. Die Konzepte der Bekämpfung des Klimawandels müssten sich „im Alltag bewähren“, um zu funktionieren. Demokratische Prozesse seien dafür nicht immer unbedingt passend und garantierten auch nicht unbedingt politische Teilhabe. Jedes Land habe seine eigenen Probleme. „Jetzt kommen Sie mir nicht mit der Schweiz!“, warf Nassehi ein. Auch das dortige System habe mit denselben Problemen wie in jeder anderen Demokratie zu kämpfen.

Einen pessimistischen Blick vermittelte auch die Politikwissenschaftlerin Lora Ann Viola. Es gebe in der Welt immer weniger Demokratien. Aber: „Es ist noch nicht zu spät.“ Institutionen müssten gestärkt und internationale Zusammenarbeit intensiviert werden. Die meisten Demokratien würden heute „von innen“ bedroht, so die FU-Wissenschaftlerin,.

Obwohl gerade Neubauer und Viola ihren Optimismus betonten, blieb ihre Analyse der Gegenwart düster. Luisa Neubauer, selbst Aktivistin für Fridays For Future (FFF), stellte konkrete Forderungen an die Regierung, die aber wenig Neues beinhalteten. Deutschland solle sich an das eigene Klimakonzept halten, die Parteien müssten echte „lösungsorientierte Konzepte vorlegen.“ Sonst bleibe alles, wie es sei – in der Zwischenzeit müsse jede*r Einzelne etwas im Alltag ändern. Mit dem Fahrrad statt mit dem Auto fahren, nicht mehr fliegen: „Alle können helfen“. Das Publikum hörte zu, klatschte und verließ den Saal zügig. Die Bücher, die die Panelist*innen nebenan zum Verkauf anboten, blieben fast unberührt liegen. 


Foto: Charlotte Kunstmann