Nachhaltigkeit im Auslandssemester ist oft mit einem hohen Aufwand verbunden. Schon die Anfahrt per Bus und Bahn kann zu einem echten Erlebnis werden. Ein Kostenzuschuss soll umweltfreundliches Reisen attraktiver für Studierende machen. Aber lohnt sich so eine Fahrt?

Vor wenigen Monaten entschied ich mich dazu, bei meiner Anreise zum Auslandssemester eine klimafreundliche Alternative zum Flugzeug zu wählen. Inspiriert hatte mich dazu auch der Green-Travel-Zuschuss, der das Erasmus Programm in Zukunft nachhaltiger gestalten soll.

50 Euro erhalten Studierende zusätzlich zum Erasmus-Stipendium, wenn sie umweltfreundlich an den Ort ihrer Partneruni reisen. Das ist ein Pauschalbetrag. „Der Zuschuss ist ein finanzieller Ausgleich für den Mehraufwand, den die Wahl eines nachhaltigen Transportmittels bedeuten kann“, erklärt Christina Bohle. Sie ist Erasmus+-Hochschulkoordinatorin an der Humboldt-Universität. Zudem leitet sie das Referat Globale Mobilität und wirkte bei der Umsetzung des Green-Travel-Zuschusses an der Universität mit. „Außerdem können – je nach Reisedauer – bis zu vier zusätzliche Reisetage bewilligt werden.“ Studierende mit einer langen Anreise dürfen dadurch ein höheres Stipendium bekommen.

Entwickelt hat den Zuschuss die EU-Kommission: Nachhaltigkeitsaspekte rücken seit vergangenem Jahr stärker in den Fokus von Erasmus+. Eine finanzielle Förderung soll Studierende anregen, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern. Die Gelder dafür stammen aus dem Mobilitätsbudget der Erasmus+-Projekte. Für die Verwirklichung des Green-Travel-Zuschusses sind teilnehmende Universitäten selbst verantwortlich. Im HU-Programm steht die Förderung seit dem Studienjahr 2021/22. Bei Bekanntgabe des Konzepts hatte ein Großteil der Studierenden ihre Auslandssemester jedoch schon geplant und konnten den Zuschuss nicht mehr beantragen. Dieses Jahr war es möglich, das Formular rechtzeitig einzusenden. Das muss einige Monate vor Reiseantritt geschehen. „Details zur Reise stehen zu dem Zeitpunkt oft noch nicht fest.Diese Informationen müssen dann später nachgereicht werden“, sagt Bohle. „Die Studierenden müssen im Falle einer Prüfung durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst auch Nachweise erbringen können. In Stichproben überprüfen wir die Reiseunterlagen, grundsätzlich vertrauen wir aber der Selbsterklärung zum grünen Reisen.“

Nachhaltig in die Zukunft

Die Höhe der Förderung ist unabhängig von den tatsächlichen Fahrtkosten. Sie solle nur ein Anreiz sein, so Bohle. „Es geht übergreifend um einen bewussteren Umgang mit Mobilität und der Verantwortung, die auch die Einzelnen mit ihren Aktivitäten tragen. Wichtig ist, dass nachhaltiges Handeln nicht mit der Ankunft am Zielort aufhört.” Für Ausflüge sind Bus- oder Bahnreisen besser als Kurzstreckenflüge, beim Einkaufen gilt es, Produkte mit langen Transportwegen oder Einwegverpackungen zu vermeiden. Regionale Lebensmittel gibt es zum Beispiel auf dem Wochenmarkt.

Knapp neunzig Euro kostet mein Busticket nach Madrid einen Monat vor der Fahrt, für vier Euro buche ich einen zweiten Koffer dazu.

Während Reisende innerhalb Europas das Ziel oft in ein bis zwei Tagen erreichen, müssen Studierende bei den weltweiten Mobilitäten eine längere Fahrzeit überbrücken. Auch für diese Programme unterstützt die „Abteilung Internationales“ nachhaltige Reisen. Dafür gibt es schon einen Reisekostenzuschuss, der nun erhöht werde, sagt Bohle. Und: „Wir sehen in der Bewerbung und Förderung von nachhaltigem Reisen der Teilnehmenden eine wichtige Aufgabe, um unsere Programme zukunftsfähig zu machen.“

Per Zug und Bus

Pünktlich um 13:10 Uhr hält der RE3 am Zielgleis im Saarbrückener Hauptbahnhof. Von dort laufe ich zu der Haltestelle, wo die Reisebusse stoppen. Da warte ich auf die Ankunft des Busses, der laut Plan um 14 Uhr kommen soll. Mit einer halben Stunde Verspätung fährt der Doppeldecker auf den Parkplatz. Der Fahrer verlädt unser Gepäck, wir steigen ein und ich setze mich auf einen Platz am Fenster.

Fernbusse und Züge sind zwei Verkehrsmittel, an die viele Menschen beim Thema emissionsarme Reisen als Erstes denken.. Doch für den Green-Travel-Zuschuss sind noch weitere Möglichkeiten erlaubt. „Welche Transportmittel als grün eingestuft sind, hat die EU-Kommission nicht ganz verbindlich definiert“, so Bohle. Flüge seien grundsätzlich ausgeschlossen. Reisen mit dem Auto würden als nachhaltig gelten, wenn es sich um Fahrgemeinschaften handelt. Wer es sportlich mag, darf auch Fahrrad fahren.

Bequemer finde ich die Reise per Fernbus, weil ich auf der Fahrt schlafen kann. Jedes Mal, wenn ich aufwache, sieht der Himmel über Frankreich ein bisschen anders aus. An einer Raststätte machen wir Pause. Verkehrsstaus hätten zu einer Verspätung geführt, sagt der Fahrer. Er wisse noch nicht, wann wir in Paris ankommen. Auf einer Picknickbank sitzt Liv*, die in Frankfurt eingestiegen ist und von der französischen Hauptstadt aus denselben Bus wie ich nehmen möchte. Kurz vor Paris sagt der Fahrer, dass wir den Bahnhof rechtzeitig für unseren Anschluss erreichen würden und ich bin erleichtert.

Fünf Minuten, bevor der Bus nach Madrid abfahren soll, kommen wir in Paris an. Während ich mein Gepäck suche, sieht Liv auf der Anzeigetafel nach, zu welchem Bussteig wir müssen. Sie kommt zurück, ich renne zum Haltepunkt. Und sehe, wie der Bus „Paris – Madrid“ gerade abfährt. Ich stelle mich vor die Windschutzscheibe und winke. Erst schütteln die beiden Fahrer den Kopf. Dann stoppen sie doch, einer steigt aus und packt meinen Koffer. Ich halte mein Gepäck fest und erkläre, dass in zwei Minuten eine weitere Passagierin kommt. Dass wir in einem anderen Bus saßen, der Verspätung hatte. Der Fahrer steigt wieder ein und fährt weg.

Also laufe ich zu Liv. Sie rennt zum Bus, während ich noch meinen zweiten Koffer hole. Der Bus nach Madrid steht mittlerweile vor einer geschlossenen Schranke, der Fahrer reißt den Koffer aus meinen Händen und schiebt uns durch die Hintertür in den Bus. Er scannt mein Ticket und guckt auf sein Handy. „Aus Frankfurt?“, fragt er. Wir nicken. Er geht. Liv erzählt, dass der Bus an der Schranke halten musste. Irgendwie hat sie den Fahrer dann überzeugt, die Tür aufzumachen.

Die restliche Reise verläuft entspannter. Um halb vier morgens stehen wir an einer Haltestelle und warten auf einen Fahrgast. „Wahrscheinlich kommt der auch aus Frankfurt“, bemerkt der Fahrer und guckt mich an. Der Fahrgast steigt ein, die Fahrt geht weiter. Gegen zwölf Uhr mittags sind wir in Madrid. Am Busbahnhof verabschiede ich mich von Liv, die noch weiterfährt, und laufe zu meiner Unterkunft. Ob durch den Green-Travel-Zuschuss tatsächlich mehr Studierende einen umweltfreundlichen Reiseweg wählen, lässt sich erst am Ende des Hochschuljahres sagen. Doch eine gute Nachricht hat Bohle schon jetzt: „Nach dem aktuellen Stand kann ich bestätigen, dass die Zahl der eingegangenen Anträge für 2022 und 2023 recht hoch ist. Bis zu ein Viertel der Geförderten planen zumindest, nachhaltig zu reisen.“


*Name von der Redaktion geändert

Text: Pia Hitzel
Illustration: Céline Bengi Bolkan