Vor kurzem feierte das Filmdrama „Stille Post“ von Florian Hoffmann Premiere an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Der Film greift den kurdisch-türkischen Konflikt auf. Ein eindringlicher Film über die Frage nach der Medienberichterstattung über Kriege, die eigene Handlungsunfähigkeit und Verzweiflung. 

 Der Berliner Lehrer Khalil glaubt in anonymen Videomaterial zu einem vermeintlichen Krieg in seiner Heimatstadt Cizre seine tot geglaubte Schwester zu erkennen. Unter allen Umständen möchte er das Material in die Öffentlichkeit bringen, um über den Konflikt zu informieren. Welche Grenzen ist er bereit, dafür zu überschreiten? Das alles zeigt “Stille Post” – basierend auf wahren Begebenheiten. 

Das Herzstück bildet Videomaterial aus der kurdischen Krisenregion von Videoaktivist*innen. Die dokumentarischen Handyaufnahmen zeigen Menschen in Not, die nicht gehört und gesehen werden. Der Film legt damit den Finger in die Wunde und macht schonungslos die Verzweiflung der Menschen deutlich. 

Der Film vermittelt den Eindruck, dass die fehlende Medienpräsenz bestimmter Themen auf ein Desinteresse seitens der Nachrichtenagenturen oder fehlender Explosivität des Materials zurückzuführen sei. Das ist eine überspitzte, durchaus einseitige Darstellung journalistischer Arbeit, welche mit Vorsicht zu genießen ist. Diese Sichtweise auf den Arbeitsprozess in Nachrichtenagenturen signalisiert nicht nur fehlende journalistische Integrität, es schürt im schlimmsten Fall Misstrauen in die Medien. 

Konkurrenz um Medienpräsenz 

Anschließend an die Filmvorführung  fand eine Podiumsdiskussion zum Thema „Krieg der Bilder? Medienberichterstattung in Zeiten von Fake-News und Bildmanipulation“ statt. Regisseur Florian Hoffmann, welcher selbst in Berlin aufgewachsen ist und türkische sowie kurdische Bekannte in seinem Umfeld hat, habe sich bis zu dem Angriff in Cizre 2015 nicht bewusst mit der Thematik auseinandergesetzt. Die Operation Cizre war ein Angriff des türkischen Militärs auf die Stadt Cizre, wobei eine Ausgangssperre verhängt sowie Strom- und Internetverbindungen gekappt wurden, um eine Verbreitung von Nachrichten über die Operation zu verhindern. Kurz darauf begann das türkische Militär die Stadt zu bombardieren. Nachdem die Ausgangssperre aufgehoben wurde, reiste Hoffmann selbst in die Krisenregion. Dort sicherte er auch die Handyvideos der kurdischen Videoaktivist*innen. Der Versuch, das Material an deutsche Nachrichtenagenturen zu bringen, scheiterte. Er sah sich mit der Frage konfrontiert, wer in Nachrichtenagenturen darüber entscheidet, welche Kriege und in welchem Umfang, gesendet werden. Die weitere Geschichte für das Drehbuch schrieb sich schließlich von selbst, da kurdische Bekannte Hoffmanns angefangen haben, die Bilder zu manipulieren – ähnlich, wie es im Film dargestellt wird. Diese Bilder wurden schlussendlich in der Tagesschau gesendet. 

In welchem Umfang berichtet wird

Im Film kam die Frustration darüber auf, dass bestimmte Konflikte wichtiger erscheinen und stärker priorisiert werden als andere. Die bei der Podiumsdiskussion anwesenden Journalist*innen Juan Moreno und Alexandra Rojkov verweisen auf eine klare Hierarchisierung von Nachrichtenmeldungen und eine existierende Medienkonkurrenz. Gewisse Schwerpunkte erregen mehr Aufmerksamkeit als andere, was zum Teil historische oder geografische Bezüge habe. Die Frage ist nur, in welchem Umfang berichtet wird und warum andere Konflikte eine stärkere Präsenz haben. 

Auch wenn der Film an einigen Stellen eine sehr konstruierte Fiktionalität für die Darstellung der Geschichte liefert, richtet er den Blick dennoch auf eine umfassende Thematik. Die Überlegungen reichen noch weit über den Kinobesuch hinaus. Welche Nachrichten interessieren uns und empfinden wir als wichtig? „Stille Post“ ist ein Film, der wärmstens weiterempfohlen werden kann.

 


Foto: Across Nations (Barnsteiner)