Ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit, hab eigentlich zu spät angefangen und keine Ahnung, wie genau das funktioniert. Damit es euch nicht irgendwann genauso geht, teile ich in dieser Kolumne meine Erfahrungen.

Vor zwei Wochen habe ich groß angekündigt, dass ich bis heute einen ersten vollständigen Entwurf meiner Bachelorarbeit fertig haben werde. Um das zu erreichen, plante ich die letzten vierzehn Tage komplett durch. Früh aufstehen, Sport machen und meditieren als Ausgleich, dazu gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf. All das, so der Plan, sollte meine Produktivität maximieren. So richtig geklappt hat das nicht. Warum? Das kann vielleicht ein beispielhafter Tag beantworten.

7:00 Uhr: Der Wecker klingelt. Draußen herrscht noch finstere Nacht. Um wach zu werden, schalte ich bei meinem Handy die “Augen schonen”-Funktion aus und dreh die Bildschirmbeleuchtung auf 100 Prozent. Blendendes Licht flutet meine verquollenen Augen. Ich bin zwar schlagartig wach, aber für die nächste Minute auch erstmal blind. Als mein Augenlicht zurückkehrt, quäle ich mich hoch und mache erstmal mein Bett. Dann geht’s ab in die Küche: Kaffee kochen.

7:24 Uhr: Wehmütig starre ich auf die letzten Tropfen in meiner ansonsten leeren Tasse. So richtig munter fühl’ ich mich noch nicht. Also gleich die zweite Tasse hinterher. Danach erstmal Zähne putzen. Nebenbei höre ich Podcasts oder schaue mir irgendwas auf YouTube an. Eine Stunde am Morgen erlaube ich mir, denn ich bin absolut kein Morgenmensch und den Tag so gemächlich anzufangen, erleichtert das Aufstehen.

8:12 Uhr: Ich sitze vor meinem Laptop. Auf dem Bildschirm ein offenes Text-Dokument. Blink, blink, blink. Starr blicke ich auf den Cursor, der markiert, wo im Text ich gerade bin. Blink, blink, blink. So richtig konzentrieren kann ich mich nicht. Vielleicht doch erstmal Sport machen, um den Kreislauf in Schwung zu kriegen.

9:55 Uhr: Nachdem Sport musste ich natürlich erstmal duschen. Und dann Frühstück machen und den Abwasch konnte ich auch nicht einfach stehen lassen. Jetzt aber wirklich an die Arbeit.

10:02 Uhr: Meine leere Kaffeetasse zwingt mich zurück in die Küche.

10:45 Uhr: Während meine Hände auf der Tastatur ruhen, starre ich durch die Gegend und denke angestrengt nach. Dabei fällt mein Blick aufs Fenster. Das müsste echt mal wieder geputzt werden und auch die Fensterbank könnte ich mal wieder abstauben. Sofort springe ich auf. Schließlich weiß man ja, wie wichtig ein ordentlicher Arbeitsplatz ist. 

11:17 Uhr: Zufrieden schaue ich durch das blitzblanke Fenster. Jetzt aber wirklich wieder an die Arbeit.

13:05 Uhr: So langsam krieg’ ich wieder Hunger. Zeit, mir Gedanken übers Mittagessen zu machen. Ich laufe zehn Minuten lang in der Küche hin und her, um eine gründliche Inventur meiner Vorräte zu machen. Sechs Mal öffne ich dafür den Kühlschrank, schaue kurz hinein, finde nichts, das mir gefällt, schließe ihn wieder, nur um das Ganze dann zwanzig Sekunden später zu wiederholen. Aber es hilft alles nichts. Ich muss einkaufen.

15:12 Uhr: Mittlerweile war ich einkaufen, habe gekocht, gegessen, die Küche wieder auf Vordermann gebracht und sogar der Müll ist draußen. Es ist aber auch schon nach Zwei und ich hab erst knapp anderhalb Stunden geschafft. Also: weiter geht’s!

15:59 Uhr: Mein Handy klingelt. Ich nehme den Videoanruf entgegen und sehe die Stirn meiner drei Jahre alten Patentochter. “Hallo, Onkel Jan”, quietscht sie, um mir dann im Anschluss zu erzählen, wie groß ihr neues Zimmer sei, wie es den Katzen gehe, dass Mama Rückenschmerzen habe und Zuhause alle husten würden. Nach einiger Zeit kommt schließlich ihr Vater ans Handy und erzählt mir, wie’s mit dem Umzug laufe, dass sie so langsam alle wieder fit seien und er sich mit seiner Stiefmutter gezankt habe. Er habe angerufen, um mich zu fragen, wie ich in seiner Situation reagiert hätte.

16:48 Uhr: Wir legen auf und ich gehe endlich wieder an die Arbeit. Acht Minuten später meldet sich mein Bruder und fragt, ob ich seine Bewerbung gegenlesen kann.

17:22 Uhr: Ich sitze wieder vor meinem Laptop und versuche, Thomas Scanlons Theorie über Expressionsfreiheit zu lesen. Meine Dozentin hatte mir empfohlen, mir dazu Sekundärliteratur anzusehen. Jetzt weiß ich auch, warum. Bisschen kompliziert, der Kram. Vor allem, weil ich den Inhalt jedes Satzes vergesse, sobald ich zwei Sätze weiter bin. Vielleicht doch erstmal meditieren, um meine Konzentration wieder anzukurbeln.

17:45 Uhr: Jetzt läuft’s wieder.

18:17 Uhr: Mein Magen grummelt. Also verputze ich schnell die Reste vom Mittagessen und erledige den kompletten Abwasch. Danach setze ich mich wieder an den Schreibtisch.

19:32 Uhr: Nachdem ich zehn Minuten lang nur auf den Bildschirm gestarrt habe, klappe ich gähnend den Laptop zu. Mehr würde ich heute nicht auf die Reihe kriegen. Meine Bilanz am Ende des Tages: Ich bin früh aufgestanden, habe Sport gemacht, gekocht, geputzt, meinem Bruder geholfen und meinen besten Freund beraten. Ach, und um die dreieinhalb Stunden geschrieben habe ich auch. Um den Kopf freizukriegen, gehe ich erstmal ‘ne Runde spazieren.

20:15 Uhr: So, jetzt noch Abendessen, Zähne putzen und dann ab ins Bett. Schließlich will ich morgen früh wieder fit sein.

22:08 Uhr: Ich hab noch eine Weile gelesen. Jetzt aber gute Nacht.

22:36 Uhr: Während ich mit geschlossenen Augen darauf gewartet habe, dass mich der Schlaf übermannt, sind mir die ganze Zeit Argumente für meine Bachelorarbeit durch den Kopf geschossen. Also sitze ich jetzt mit dem Laptop im Bett und schreibe meine Gedanken auf.

23:07 Uhr: Jetzt will ich aber wirklich schlafen, sonst wird das Morgen nichts. Gegen halb eins wird mir mein Wunsch erfüllt.

So sah so ziemlich jeder Tag der letzten zwei Wochen bei mir aus. Ich habe eigentlich effektiv nie viel länger als drei Stunden geschrieben und bin ansonsten fröhlich durch die Wohnung gehüpft, hab gekocht, geputzt und wurde nebenbei immer wieder unterbrochen. Selten war meine Ernährung so gut und meine Wohnung so sauber. Samstag Abend bin ich dann noch nach Stralsund gefahren, um mit meinem besten Freund bis halb vier Uhr morgens seine restlichen Umzugskartons zu packen und die Möbel auseinanderzubauen. Jetzt ist Sonntagmittag und ich sitze im Zug zurück nach Berlin. Ich darf mich echt nicht mehr so ablenken lassen. Gut, dass nichts Zeitaufwendiges vor der Tür steht…

Mein neunter Tipp: Mit “produktiven” Dingen lässt es sich so gut ablenken und auch noch fast ohne schlechtes Gewissen. Passt also auf, dass ihr nicht in dieselbe Falle tappt wie ich und am Ende alles erledigt habt, nur das Wichtigste ist irgendwie zu kurz gekommen. Also achtet auf eure Prioritäten!

PS: Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch!


Illustration: Klara Heller