Ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit, hab eigentlich zu spät angefangen und keine Ahnung, wie genau das funktioniert. Damit es euch nicht irgendwann genauso geht, teile ich in dieser Kolumne meine Erfahrungen.

Erinnert ihr euch daran, dass ich bereits exmatrikuliert bin und nicht wusste, ob ich alle meine ECTS-Punkte voll bekommen würde? Eine Klausur stand auf der Kippe und auch fünf Punkte für meine Mitarbeit beim Uniradio waren noch nicht sicher. 

Ich hatte mir bereits ein Praktikum anrechnen lassen und nun stand die Frage im Raum, ob meine Mitarbeit beim Uniradio auch als Praktikum gilt. Falls ja, wäre eine Anrechnung nicht möglich und ich hätte dank meiner Exmatrikulation vielleicht keine Chance, meine Punkte vollzukriegen. Nach vier Jahren Studium war ich mir nicht mehr sicher, ob ich überhaupt einen Abschluss kriegen würde.

Erstmal nicht dran denken

Der Gedanke, vielleicht umsonst studiert zu haben, war ziemlich ätzend. Aber durch jahrelange Übung bin ich ein Meister der Verdrängung geworden. Entsprechend sah auch meine Strategie aus: Ich wollte erst meine Bachelorarbeit zu Ende schreiben, da ich befürchtete, sämtliche Motivation zu verlieren, sollte die Anrechnung nicht funktionieren.

Da mein HU-Account bereits abgelaufen war, konnte ich auch nicht der Versuchung erliegen, mal eben auf AGNES nachzusehen. Um an meine Ergebnisse zu kommen, hätte ich mich ans Prüfungsbüro wenden müssen. Das war für mich Hürde genug, um meine Wissbegier im Zaum zu halten und mich weiter auf meine Bachelorarbeit zu konzentrieren.

In der letzten Folge habe ich euch erzählt, dass ich mich entschieden hatte, nun doch die vollen zwölf Wochen Bearbeitungszeit zu nutzen. Das hatte ich auch meiner Dozentin geschrieben. Nach wenigen Tagen erhielt ich ihre Antwort: Alles klar, aber klär’ das nochmal mit dem Prüfungsbüro.

Wie sie wusste, hatte ich auch dort bei der Anmeldung verkündet, dass ich schon nach sechs Wochen abgeben wollte. Da mir kein Grund einfiel, warum das Prüfungsbüro Einwände haben könnte, erschien mir der Anruf nicht besonders dringend und ich ließ mir Zeit damit.

Spoiler

Ein paar Tage später saß ich dann im Kaffeeserie und arbeitete an meiner Bachelorarbeit. Nach einigen Stunden voller Lesen, Schreiben und in der Gegend Herumstarren schwirrte mir so langsam der Kopf und ich legte eine kleine Pause ein. Da fiel mir wieder ein, dass ich langsam mal im Prüfungsbüro anrufen sollte, um mein Abgabedatum endgültig zu klären. Ich ging also vor das Café, googelte nochmal fix die Nummer und rief an. Sofort nahm die Beauftrage aus meinem Prüfungsbüro den Anruf entgegen.

“Schönen Guten Tag, Jan Wöller hier. Ich hab mich entschieden, meine Bachelorarbeit statt nach sechs Wochen doch erst nach zwölf abzugeben und wollte mal fragen, ob das ein Problem wäre?”

Ich habe meine Anmeldung damals vor Ort selbst eingereicht und hatte da gerade erfahren, dass mir eventuell Punkte nicht angerechnet werden würden. Wahrscheinlich lag es auch daran, dass sich die Dame am anderen Ende der Leitung sofort an mich erinnerte.

“Sicher können Sie die vollständige Bearbeitungszeit nutzen. Ach und Glückwunsch zur bestandenen Klausur”, sagte sie freundlich.

“Danke, das wusste ich noch gar nicht. Hab mich nicht getraut anzurufen”, gab ich lachend zu.

“Oh, entschuldigen Sie, aber jetzt haben Sie ja alle Punkte und brauchen sich keine Sorgen mehr zu machen”, erwiderte sie.

“Das heißt, meine ÜWP-Punkte wurden auch angerechnet?”

“Äh, sicher, haben Sie das denn noch nicht gesehen?”

Ihr war natürlich nicht klar, dass ich keinen Zugriff mehr auf meinen Account hatte und deshalb bis dahin weder von der Klausur noch von den ÜWP-Punkten wusste. Nun fiel mir ein riesiger Stein vom Herzen. Vielleicht hatte ich das Ganze am Ende doch nicht so gut verdrängt. Auf jeden Fall hätte ich mir diesen Druck früher nehmen können, wenn ich eher im Prüfungsbüro angerufen hätte.

Die letzten Seiten

Jetzt steht also nur noch meine Bachelorarbeit zwischen mir und meinem Abschluss. Und ich arbeite dran. Mittlerweile habe ich fast die gesamte Vorarbeit geleistet und die wichtigsten Kritikpunkte zumindest grob ausgearbeitet. Um mich selbst ein wenig zu pushen, stelle ich mir heute eine kleine Challenge und ihr könnt sie bezeugen: In zwei Wochen setze ich mich an die nächste Folge dieser Kolumne und bis dahin werde ich den ersten vollständigen Entwurf fertig haben. Klappt das, habe ich noch zwei Wochen, um an der Arbeit zu feilen. Außerdem muss ich mir dann nicht die Blöße geben, mein Versagen öffentlich zu machen. Immer ein guter Anreiz für mich.

Mein achter Tipp: Probleme zu verdrängen, zieht sie meist nur in die Länge.


Illustration: Klara Heller