Wer die öffentlich zugänglichen Sitzungsprotokolle des Studierendenparlaments der Humboldt-Universität liest, sieht vor allem geplante Beschlüsse und Tagesordnungspunkte. In der Realität war von einem beschlussfähigen Parlament jedoch wenig zu sehen. Die Politikverdrossenheit wird nicht nur bei der Studierendenschaft immer größer, sie zeigt sich auch im demokratischen Selbstverständnis der StuPa-Mitglieder.  

Das 29. Studierendenparlament startete mit einem denkwürdigen Abend ins Sommersemester. In der  vierten Sitzung des StuPa sollte eigentlich die Wahl der fünf wichtigsten RefRate stattfinden: das Referat für Hochschulpolitik, das Referat für Soziales, für Kultur, für Ökologie und Umweltschutz und nicht zuletzt für Publikation. Die Arbeit dieser Referate hat großen Einfluss auf den Alltag der Studierenden: So setzt sich das Referat für Ökologie und Umweltschutz für nachhaltigere Mensagerichte ein. Und das Referat für Hochschulpolitik strebt einen Technikfond für Studierende an. Jene Referent*innen müssen vom Studierendenparlament gewählt und bestätigt werden. Mit dieser Aufgabe scheinen sich die gewählten Vertreter*innen der Studierendenschaft aber schwer zu tun.

Zum Auftakt der vierten Sitzung des Studierendenparlaments war im Zuge der Referent*innen-Wahl nicht einmal die Hälfte der gewählten Delegierten anwesend. Laut Protokoll verließen drei StuPa-Mitglieder des RCDS, Ring christlich demokratischer Studenten, den Saal. Der Vierte bat das Präsidium um die Prüfung der Beschlussfähigkeit. Die Wahl der Referate musste daraufhin vertagt werden.  War das so beabsichtigt?

Das Problem dabei: Sollte dem so sein, hatten sie es einfach, da über 20 Mitglieder des StuPa nicht anwesend waren. Die linken Listen müssen sich also wohl oder übel den Vorwurf gefallen lassen, ob das Problem nicht hausgemacht ist.

Keine Lust auf Politik? 

Nun wird stets die geringe Wahlbeteiligung unter den Studierenden kritisiert, schließlich gehe die Arbeit der gewählten Studierendenschaft alle etwas an. Leider entstand im Zuge der letzten Sitzungen eher der Eindruck, dass das StuPa auf seine Aufgabe selbst keine Lust hat. An der besagten vierten Sitzung des StuPas dauerte es ganze zwei Stunden, bis die Beschlussunfähigkeit bestätigt wurde. Laut Haushaltsplan des Referent*innen-Rats bekamen die Referate allein im Jahr 2019 ganze 894.000 Euro für ihre Arbeit. Davon bezuschussten die Studierenden mit ihrem Semesterbeiträgen 722.000 Euro – ziemlich viel Geld für die Beschlussunfähigkeit.

Denn wie sehr die Arbeit des StuPa unter dem derzeitigen Unwillen einiger Mitglieder des Parlaments leidet, zeigte sich in der fünften Sitzung des StuPa am 6. Juni 2022. Der Saal war besser gefüllt, aber sicherheitshalber wartete das Präsidium mit der Eröffnung, bis auch die letzten Delegierten, Bierflaschen klimpernd, einkehrten. Die Vertreter*innen grüßten sich untereinander, man kennt sich. Doch so richtig glaubte wohl keiner der Anwesenden an eine gelungenen Sitzung. Das zeigte sich unter anderem an den Tagesordnungspunkten.

Pause im Plenum = Feierabend 

Gleich zu Beginn plädierte die Armenian Society, als Tagesordnungspunkt vor die Wahl und Bestätigung der Referent*innen gelegt zu werden. Dasselbe traf für das Referat für Antirassismus und ausländische Studierende zu. Beide Anliegen sollten zuvor nach der Wahl der Referent*innen und somit nach der offiziellen Pause bestätigt werden. Das Problem dabei war, dass manche Delegierte die Pause mit dem Feierabend der Sitzung verwechselten. Nach einer anberaumten Pause von einer halben Stunde wären damit nicht genug Stimmberechtigte anwesend gewesen, um die Armenian Society als Hochschulgruppe anzuerkennen, geschweige denn das Referat für Antirassismus und ausländische Studierende.

Bei gerade einmal 28 anwesenden Delegierten nach der Pause stellte die Liberale Hochschulgruppe, LHG, einen Antrag auf die Feststellung der Beschlussfähigkeit zur allgemeinen Belustigung des Plenums. Das Präsidium nahm seine Aufgabe wahr und stellte die Beschlussunfähigkeit fest. Nach der Pause fehlten also erneut mehr als die Hälfte der Mitglieder des Studierendenparlaments. Immerhin gehören zumindest auf dem Papier 60 gewählte Verter*innen dem Parlament an. Entweder hat es sie vom Späti an der Georgenstraße direkt in das Nachtleben Berlins gespült, oder sie konnten die einmal im Monat stattfindende Sitzung nicht in ihren Kalendern einplanen.

Schuld sind immer die anderen 

Dabei konnte auf der fünften Sitzung des StuPa ein Hauptreferat nicht einmal bestätigt werden. Das Referat für Soziales blieb erst einmal unbesetzt, weil Vincenz Schmidt seine Kandidatur zurückzog und die von seiner amtierenden Co-Referentin Jennifer Knell gleich mit. Letztere konnte an der Sitzung nicht teilnehmen.

Als Begründung nannte Schmidt, dass, seinem Eindruck nach, Mandate in der Hochschulpolitik nicht wahrgenommen würden. Von Jennifer Knell ließ er ausrichten, dass das Ehrenamt nicht ausreichend respektiert würde. Das Präsidium fragte nach weiteren Kandidat*innen für das Referat. Niemand ließ sich zur Wahl aufstellen.

Auf dieses Ereignis bezogen, lohnt sich ein Blick in das öffentlich einsehbare Sitzungsprotokoll des StuPa. Darin heißt es über Schmidts Äußerungen: „Seine Eindrücke von der Hochschulpolitik seien in den letzten Wochen durchweg negativ gewesen.“ Und weiter: „RCDS applaudiert“, worauf Schmidt laut Protokoll im Besonderen den Ring christlich demokratischer Studenten adressierte. Ob dies nun der Wahrheit entspricht oder nicht, sei dahingestellt. Viel wichtiger ist, dass solche protokollarischen Versatzstücke vollkommen kontraproduktiv sind und nur ansatzweise widerspiegeln, was in den vergangenen StuPa-Sitzung eigentlich passiert ist. Passagen wie diese zeigen, dass einzelne Listen für die Schwierigkeiten des StuPa als demokratische Institution der Universität verantwortlich gemacht werden.

Und Schließlich: huch! Wahlordnung! 

Krönenden Abschluss der Wahl der Hauptreferate bildete in der fünften Sitzung des StuPa das Referat für Publikation. Dieses ist unter anderem für die Veröffentlichung der Studierendenzeitung HUch verantwortlich. Als Hauptreferent*in stellte sich Elio Nora Hillermann auf. Hillermann leitet als einzige Person das Referat und betonte, dass der vergangene Haushalt lediglich bis Dezember 2021 beschlossen wurde und sich schon jetzt die Publikation verzögere. Die Wahl müsse also stattfinden.

Und die Wahl fand auch statt und Elio Nora Hillermann wurde auch gewählt. Laut Protokoll gab es auch „keine Nachfragen und Redebeiträge“. Hillermann wurde nun das dritte mal für das Hauptreferat Publikation durch das StuPa gewählt. Laut Paragraph 8, Satz 2, der Satzung der Studierendenschaft der HU dürfen Referent*innen nach einem Legislatur-Jahr nur einmal wiedergewählt werden. Als Begründung gab Hillermann an, nur innerhalb dieser Position neue Leute einarbeiten zu können. Die Zeiten fürs StuPa scheinen hart zu sein, wenn solche Beschlüsse angenommen und bestätigt werden.


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Foto: Heike Zappe